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Beteiligung

Runder Tisch zum Pumpspeicherkraftwerk Atdorf

Gegner und Befürworter des umstrittenen Pumpspeicherkraftwerks Atdorf sitzen in Bad Säckingen (Landkreis Waldshut) an einem „runden Tisch“ (Bild: dpa).

In Atdorf und Umgebung diskutierten 2011 die Betroffenen vor Ort, ob dort ein Pumpspeicherkraftwerk wie geplant gebaut werden sollte, und entwickelten Kompromissvorschläge dazu.

Worum ging es?

Zur Stromgewinnung und als Pufferspeicher hatte die Schluchseewerk AG den Bau eines Pumpspeicherkraftwerks auf der Gemarkung der Schwarzwaldgemeinde Atdorf geplant. Nun sollten Konflikte transparent gemacht und unterschiedliche Ansichten offen und sachlich diskutiert werden. Die dabei entwickelten Kompromissvorschläge und Anregungen sollten die Grundlage für den weiteren Planungs- und Entscheidungsprozess verbessern.

Wer war wie beteiligt?

Über das informelle Beteiligungsverfahren Runder Tisch sollten einbezogen werden: Bürgerinitiativen und Vereine für und gegen das geplante Kraftwerk, Umwelt-, Tourismus- und Wirtschaftsverbände sowie der Investor, die Schluchseewerk AG. Als Beobachterin war die Genehmigungsbehörde dabei. Hinzugezogen wurden außerdem die betroffenen Kommunen, die örtlichen Kreisverbände der im Landtag vertretenen Parteien und die Landtagsabgeordneten des Wahlkreises. Das Einbeziehen dieser Gruppen und Personen erfolgte, bevor das formelle Planfeststellungsverfahren begann. Zur Durchführung des Runden Tisches hatte der damalige Landtagsabgeordnete und jetzige Umweltminister Franz Untersteller auf Initiative des NABU angeregt. Geplant und moderiert wurde er von Michaele Hustedt, CPC Berlin, im Auftrag der Schluchseewerk AG.

Innerhalb von fünf Monaten wurde der Runde Tisch fünf Mal für jeweils acht bis neun Stunden einberufen; insgesamt 30 Personen nahmen daran teil. Die Diskussionen drehten sich dabei sowohl darum, ob das Vorhaben für den Ausstieg aus der Atomkraft notwendig ist und den Einstieg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien beschleunigen kann, als auch um Belange des Natur- und Wasserschutzes und die Interessen der Anwohnerschaft, um Auswirkungen auf den Tourismus und die Chancen für die Wirtschaft in der Region. Die unterschiedlichen Themenfelder wurden jeweils von Arbeitsgruppen vorbereitet.

Mit welchem Ergebnis?

Die Teilnehmenden veröffentlichten am Ende einen 18 Seiten starken Abschlussbericht, dessen Inhalte in die weiteren Planungen miteinflossen.

Im Abschlussbericht heißt es: „Der Runde Tisch hat durch die kompakte Debatte wie in einem Kristallisationsprozess wichtige Impulse für die Region gesetzt: Für den Tourismus, die Kliniken, für die Organisation der Anwohnerinteressen, für den Naturschutz und für die Energiewende vor Ort. Auch wenn man noch manches besser machen kann: Die Struktur, die sich der Runde Tisch Atdorf gegeben hatte, war im Großen und Ganzen gut.

Das Pumpspeicherwerk Atdorf wird Belastungen für die Region bringen, die es zu steuern und zu minimieren gilt. Der weitere Prozess birgt jedoch auch Chancen, die es zu nutzen gilt. Dabei können alle Beteiligten – Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, Umwelt- und Tourismusverbände und Unternehmen – eine kritische und konstruktive Rolle spielen, in dem am Runden Tisch gezeigten Geist der aktiven Partizipation, der Sachlichkeit, des laufenden Kompetenzzuwachses und des persönlichen Engagements. Der Runde Tisch war somit ein erfolgreicher und produktiver Prozess für alle Beteiligten. Er hat sich bewährt, auch als Modell für vergleichbare Verfahren. Alle Beteiligten haben sich somit an der Weiterentwicklung von Bürgerbeteiligung und partizipativer Demokratie verdient gemacht.“

Was sagt die Wissenschaft?

Der Runde Tisch wurde vom Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer und der Universität Stuttgart evaluiert. Die Herstellung eines Konsenses über ein ursprünglich umstrittenes Vorhaben wäre als Ergebnis von Dialogprozessen normalerweise nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund sei der Runde Tisch in Atdorf laut Studie teils erfolgreich, teils nicht erfolgreich gewesen. In einem transparenten öffentlichen Diskussionsprozess sind alle relevanten Aspekte des Projekts umfassend und detailliert diskutiert worden. Allerdings überwiegt nach Ergebnissen der Begleitforschungsgruppe bei Teilnehmenden und Öffentlichkeit Unzufriedenheit mit dem Prozessverlauf. Maßgeblich hierfür seien vor allem der späte Beginn des Verfahrens und nach Evaluation, auch die Ausklammerung der Frage nach der grundsätzlichen Sinnhaftigkeit des Projekts aus dem Dialogprozess gewesen. Kritisch wäre auch die Gewichtung einzelner Diskussionsgegenstände gewertet worden, und auf Seiten der Projektgegner habe es Kritik an der Rolle der Moderatorin gegeben. Insgesamt habe sich eine Differenz in der Bewertung des Dialogs durch Gegner (tendenziell negativ) und Befürworter (eher positiv) feststellen lassen.

Das Planfeststellungsverfahren

Am 29. Juni 2012 hat die Schluchseewerk AG den wesentlichen Teil der Antragsunterlagen zur Planfeststellung des Pumpspeicherwerks Atdorf beim Landratsamt Waldshut zur Vollständigkeitsprüfung eingereicht.

Im September 2013 verkündete der Schluchseewerk-Anteilseigner RWE, sich unter den derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht weiter mit dem Projekt befassen zu wollen. Anfang November 2013 übernahm die EnBW das Planfeststellungsverfahren im Alleingang um die Option einer Realisierung zur Verfügung zu haben, sobald diese wirtschaftlich umsetzbar ist. Die letzten Antragsunterlagen gingen Ende 2014 beim Landratsamt Waldshut ein. Bei der Offenlage der Planungsunterlagen zwischen dem 14. April 2016 und dem 30. Mai 2016 konnten in den betroffenen Gemeinden 124 Ordner, 1.400 Pläne und etwa 19.000 Textseiten eingesehen werden. Im Januar 2017 fand die fast dreiwöchige Erörterungsverhandlung zu dem Vorhaben statt. Ergebnis war, dass die Antragsunterlagen noch weitergehender Überarbeitung bedürfen. Insbesondere sind noch Nachkartierungen durchzuführen und weitere Abstimmungsgespräche mit den Kommunen, Landwirten und Trägern öffentlicher Belange zu führen. Die Tatsache, dass nach Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der Erörterungsverhandlung weitere Anforderungen an den Vorhabenträger gestellt werden, ist im Übrigen keine Ausnahme, sondern bei großen Projekten zu erwarten.

Im Oktober 2017 hat die EnBW verkündet, das Pumpspeicherkraftwerk nicht weiter zu verfolgen, da sich in den vergangenen Jahren „weder die energiewirtschaftlichen noch die regulatorischen Rahmenbedingungen für Pumpspeicherprojekte wie Atdorf positiv entwickelt“ hätten. Zudem hätten die Prüfungen ergeben, dass in den weiteren Projektschritten „erhebliche kosten- und zeitintensive Arbeiten zu erfolgen“ wären.“

EnBW: Das Pumpspeicherprojekt Atdorf wird nicht weiterverfolgt

Wikipedia-Eintrag: Pumpspeicherkraftwerk Atdorf

Hintergründe, Evaluation, Berichte zum Runden Tisch

Fachdokumente LUBW: „Evaluation und Begleitforschung „Runder Tisch Pumpspeicherwerk Atdorf“ (Stand: 07.06.2017) (PDF)

Hustedt: „Runde Tische als Instrument der Mediation in der Energiewende. Chancen und Grenzen am Beispiel des Pumpspeicherwerks Atdorf“ (Netzwerk Bürgerbeteiligung) (PDF)

Presse

Schwarzwäler Bote: Pumpspeicherkraftwerk – Atdorf: Erste Sitzung des Runden Tisches

Badische Zeitung: Runder Tisch Atdorf litt unter hohen Erwartungen

Die Welt: „Runder Tisch Atdorf“ endet ergebnislos

Badische Zeitung: EnBW will Atdorf noch nicht aufgeben

Stuttgarter Zeitung: Pumpspeicherkraftwerk Atdorf – Einspruch im Namen der Spanischen Flagge

Südkurier: Nachschlag für Atdorf-Erörterung

Badische Zeitung: Das Atdorfer Pumpspeicherwerk ist ein Dinosaurier wie das AKW in Whyl

Badische Zeitung: Bürgerinitiative sieht sich im Aufwind

Südkurier: Pumpspeicher-Pläne: Aktiv gegen das Projekt Atdorf

Südkurier: Freie Wähler stellen Pumpspeicherwerk Atdorf auf den Prüfstand

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