Braunsbach
Projektgruppen planen in Braunsbach den Wiederaufbau des Orts
Mit der Wiedereröffnung der ersten Läden ist in Braunsbach auch ein Stückchen Alltagsleben zurückgekehrt, die Spuren der Sturzflut sind aber noch längst nicht beseitigt. Der Wiederaufbau der Gemeinde gestaltet sich als Langzeitprojekt, an dem sich viele der Einwohnerinnen und Einwohner beteiligen.
Der 29. Mai 2016 ist ein Datum, das für alle Zeiten in den Geschichtsbüchern von Braunsbach stehen wird. An diesem Tag wälzt sich eine Lawine aus Schlamm und Geröll durch die kleine Gemeinde im Kreis Schwäbisch Hall und hinterlässt eine Spur der Zerstörung. Fast alle Läden und Geschäfte im alten Ortskern fallen der Sturzflut zum Opfer, darunter die Postfiliale, die Bank, eine Arztpraxis, die Apotheke, ein Schreibwarenladen, zwei Gaststätten, eine Fahrschule, ein Blumenladen und der einzige Supermarkt mit Café des Orts. Außerdem werden die alte Sporthalle, der gesamte Marktplatz und zahlreiche Straßen und Brücken zerstört. Einige der knapp 150 teils massiv beschädigten Wohnhäuser müssen abgerissen werden. 120 Autos landen auf dem Schrottplatz.
Der Schaden, den die Wassermassen hinterlassen haben, liegt bei mehr als hundert Millionen Euro. Das ist um ein Vielfaches mehr, als eine kleine Gemeinde wie Braunbach mit seinen knapp 2500 Einwohnern schultern kann. Doch die Hilfe kommt schon am Tag nach dem Unglück von allen Seiten. Unter den Aufbauhelfern sind Schulklassen, Flüchtlingsgruppen, Bauunternehmen und Menschen von weit her, die vielfach auch für den Wiederaufbau spenden. Insgesamt zwei Millionen Euro sind seither auf diesem Weg zusammengekommen. Hilfe kommt dazu auch vom Land Baden-Württemberg und der grün-schwarzen Regierung, die aus dem Sondermittelprogramm unter anderem ein Sofortpaket in Höhe von 10,6 Millionen Euro bereitstellt. Unter den betroffenen Regierungsvertretern, die sich vor Ort selber ein Bild von der Situation machen, ist neben Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Verkehrsminister Winfried Hermann auch die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler. „Das Land ist stolz auf Braunsbach und die Art und Weise, wie der Aufbau des Orts angegangen wird“, betont sie bei ihrem Besuch Ende Januar dieses Jahres.
Denn die Gemeinde Braunsbach versteht den Wiederaufbau als Chance, die sie zusammen mit den Einwohnerinnen und Einwohnern ergreifen will. Wie der Ort einmal aussehen wird, wenn hier kaum noch etwas an die Sturzflut vom 29. Mai 2016 erinnert, soll im Rahmen einer breit angelegten Bürgerbeteiligung Schritt für Schritt gemeinsam erarbeitet werden. Bürgermeister Frank Harsch hat daher schon früh nach der Katastrophe zur ersten moderierten Bürgerversammlung geladen, seither hat es etliche solcher Treffen und Diskussionen gegeben. Um die Vielzahl an Themen aufbereiten zu können, sind neun verschiedene Projektgruppen gebildet worden, in denen sich die Betroffenen je nach Interessenlage einbringen können.
So beschäftigt sich die Projektgruppe „Orlacher Straße“ mit der Gestaltung der nahezu komplett zerstörten Straße, die vom Bereich des Rathauses bis zur Haarnadelkurve in Richtung Orlach saniert werden muss. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Braunsbach sind dabei jenseits planungsrechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen aufgefordert, ihre Erfahrungen und Ideen einzubringen, etwa bezüglich der Bepflanzung oder der Gestaltung der Grundstückseingänge. Die Projektgruppe „Marktplatz“ erarbeitet wiederum Vorschläge, wie der einstige Ortsmittelpunkt und soziale Treff der Gemeinde wieder attraktiv gestaltet könnte. Die Herausforderung dabei ist, die Interessen der Einzelhändler, Gastronomen, Spaziergänger und Einkäufer gleichermaßen zu berücksichtigen.
Rege diskutiert wird zudem auch in der Projektgruppe „Sport“, die zwei alternative Konzepte erarbeitet hat: Die Sanierung der alten Halle im Zentrum und den Bau einer neuen Mehrzweckhalle im Bereich des Sportplatzes etwas außerhalb. Um gleichzeitig den Titel als „staatlich anerkannter Erholungsort“ künftig etwas offensiver vermarkten zu können, beschäftigt sich die Projektgruppe „Tourismus, Gastro, Kultur“ unter reger Beteiligung mit dem Rabbinatsmuseum, der jüdischen Historie des Orts, dem Kocher-Jagst-Radweg, den vielen Wanderwegen und der Frage, wie das neue Braunsbach für Touristen und Tagesausflügler noch interessanter werden könnte. Gleichzeitig kann sich wer will auch noch im neu gegründeten Gestaltungsausschuss der Gemeinde einbringen. „Wir wollen den Ort nachhaltig aufbauen und uns Haus für Haus und Straßenzug für Straßenzug gemeinsam Gedanken machen“, betont Bürgermeister Frank Harsch. „Ideen, Anregungen, Vorschläge und Visionen sind jederzeit willkommen.“