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Kabinettsausschuss Ländlicher Raum

Blick von Bürg nach Winnenden und Waiblingen (Bild: © Flickr.com/Schub@ (CC BY-NC-SA))

Ländlicher Raum

Stellungnahme des Ministeriums

Die auf dem Beteiligungsportal abgegebenen Kommentare, Ideen und Anregungen zur Gestaltung eines zukunftsfähigen und attraktiven Ländlichen Raumes spiegeln die Vielfalt des Ländlichen Raumes in Baden-Württemberg und die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger den Ländlichen Raum mitzugestalten wider. So besteht in fast allen Themen der Wunsch nach besseren Vernetzungsmöglichkeiten der Akteure.

Gesundheit und Pflege

Die Kommentare zum Bereich der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung im Ländlichen Raum richten sich in erster Linie darauf, den Beruf des Landarztes attraktiver zu gestalten und Vernetzungsmöglichkeiten hinsichtlich eines würdigen Älterwerdens auf dem Land einzurichten.

In Baden-Württemberg steigt die Zahl der Ärzte zwar insgesamt an, dennoch ist ein zunehmendes Versorgungsproblem, vor allem im hausärztlichen Versorgungsbereich auf dem Land, wahrnehmbar. Insbesondere für die steigende Anzahl junger Medizinerinnen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besonders wichtig. So ist festzustellen, dass der Wunsch nach Teilzeit und Angestelltentätigkeiten bei Ärztinnen und Ärzten stark zunimmt. Waren in Baden-Württemberg im Jahr 2011 noch acht Prozent der Ärzteschaft in Teilzeit tätig, waren es 2015 bereits 18 Prozent. Es ist davon auszugehen, dass heute für zwei ausscheidende (Haus-)Ärzte drei neue benötigt werden, um die Versorgung in Baden-Württemberg auf dem gleichen Niveau zu halten. So stellt sich heraus, dass die absoluten Zahlen der Ärztinnen und Ärzte in Baden-Württemberg zwar stabil sind, die Verteilung jedoch ein Defizit im hausärztlichen Bereich auf dem Land aufzeigt. Je ländlicher die Region, je kleiner die Praxis, desto schwieriger gestaltet sich eine nahtlose Praxisnachfolge.

Um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Attraktivität einer Niederlassung als Hausarzt zu steigern, wurden in Baden-Württemberg in der Vergangenheit bereits wichtige Maßnahmen ergriffen. So wurden neue Strukturen im Ärztlichen Bereitschaftsdienst etabliert. Zum normalen Praxisbetrieb muss ein niedergelassener Arzt in Baden-Württemberg maximal sieben Wochenenddienste pro Jahr leisten – davor waren es je nach Region bis zu 30 Dienste. Weiter können durch das Landärzteprogramm des Landes Baden-Württemberg Hausärztinnen und Hausärzte bis zu 30.000 Euro Landesförderung erhalten, wenn sie sich in Baden-Württemberg in einer ländlichen Gemeinde niederlassen, die als Fördergebiet ausgewiesen ist.

Um attraktive Rahmenbedingungen für junge Medizinerinnen und Mediziner im Ländlichen Raum auch hinsichtlich einer guten Work-Life-Balance bereitzustellen, müssen insbesondere Möglichkeiten geschaffen werden, dem zunehmenden Wunsch nach Teilzeit- und Angestelltentätigkeiten nachzukommen. Hierbei arbeitet der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum in einer seiner Arbeitsgruppen bereits an entsprechenden Modellen.

Der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum nimmt sich auch der Frage nach den Fördermöglichkeiten für Studentinnen und Studenten, die sich für einen bestimmten Zeitraum dazu verpflichten, als Hausarzt im Ländlichen Raum zu arbeiten, an. In diesem Zusammenhang wird auch diskutiert, Zulassungen zum Medizinstudium nicht ausschließlich nach dem Notenschnitt des Abiturs zu vergeben. Der „Masterplan Medizinstudium 2020“ sieht vor, die Zulassung zum Medizinstudium zeitgemäß weiterzuentwickeln. Als weiterer Anreiz für eine Niederlassung im Ländlichen Raum wird den Ländern die Einführung einer so genannten Landarztquote bei der Vergabe von Studienplätzen ermöglicht, wenn alle anderen Maßnahmen zur Gewinnung von Landärzten bereits ausgeschöpft sind.

Die Kommentare im Bereich der Pflege zielen auf eine bessere Vernetzung aller beteiligten Akteure und Experten ab. Mit der breit angelegten Strategie „Quartier 2020 – Gemeinsam. Gestalten.“ zur alters- und generationengerechten Quartiersentwicklung leistet die Landesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung des selbstbestimmten Älterwerdens im Ländlichen Raum und knüpft damit an die Empfehlungen der Enquetekommission „Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und generationengerecht gestalten“ an. Quartiersentwicklung findet unter Einbeziehung aller relevanten Akteure vor Ort statt und kann so Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels im Ländlichen Raum bieten.

Der Kabinettausschuss Ländlicher Raum nimmt ebenfalls die Potenziale des Ehrenamts für die Pflege in den Blick. Das Ehrenamt ist dabei nicht als Ersatz für professionelle Pflege zu verstehen, sondern als eine Bereicherung für den Alltag der Menschen mit Pflegebedarf. Daher wird eine stärkere Verzahnung zwischen Ehren- und Hauptamt angestrebt. Davon können Menschen mit Pflegebedarf unmittelbar profitieren und deren Angehörige indirekt, indem sie entlastet und gestärkt werden.

Schule und Bildung

Im Bereich von Schule und Bildung im Ländlichen Raum nehmen die Kommentare Bezug auf die Stärkung der Schulen auf dem Land sowie auf die Bedeutung eines wohnortnahen Schulstandortes mit auskömmlichem ÖPNV-Angebot.

Die Landesregierung misst den Schulen im Ländlichen Raum und insbesondere den kleinen Grundschulen eine hohe Bedeutung bei. Die Schulen auf dem Land sind seit jeher eine wesentliche Einrichtung der Bildungsinfrastruktur und von besonderer Bedeutung für unsere Gemeinden. Daher hat der Kabinettsausschusses Ländlicher Raum bereits in seiner ersten Sitzung eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet, welche sich explizit mit den Fragen der Schulen und der Bildung im Ländlichen Raum auseinandersetzt. Es ist ein erklärtes und im Koalitionsvertrag verankertes Ziel, Schulschließungen so weit wie möglich zu vermeiden. Die Landesregierung steht für ein wohnortnahes Schulangebot mit hoher Qualität. Gemäß dem Motto „kurze Beine, kurze Wege“ müssen auch in Zukunft kleine Grundschulstandorte erhalten werden. Um kleinere Schulstandorte auf dem Land zu sichern und damit auch ein familienfreundliches Umfeld auf dem Land zu erhalten, sind in den von der demographischen Entwicklung besonders betroffenen Regionen neue, innovative Konzepte und Ideen notwendig. Insbesondere im Ländlichen Raum müssen aufgrund der Erreichbarkeitssituationen, der Schülerzahlen und der Zukunftsfähigkeit ländlicher Kommunen die Entwicklungsperspektiven der Grundschulstandorte aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden als in den urbanen Zentren.

Um den Bestand der kleinen Schulen in Baden-Württemberg in allen Regionen unseres Landes zu erhalten, ist es zu begrüßen, wenn sich Kommunen und Schulen vor Ort neuen Konzepten öffnen, die über bisherige institutionelle Lösungen hinausgehen. Kooperationen, Schulverbünde oder klassenübergreifende Lernformen können hier mögliche Schritte sein. Der bloße Blick auf starre Mindestschülerzahlen ist hierbei nicht ausreichend. Auch der Kabinettsausschuss Ländlicher Raum hat sich in seiner interministeriellen Arbeitsgruppe bereits diesen Fragestellungen angenommen und diskutiert, wie ein attraktives und wohnortnahes Schulangebot mit hoher Qualität in der Fläche des Landes gehalten werden kann.

Für die Kommunen in Baden-Württemberg ist bedarfsgerechte Kinderbetreuung ein wesentlicher Standortfaktor. Familien und Unternehmen sind auf geeignete Betreuungsplätze angewiesen. Die Kommunen nehmen sich dieser Aufgabe mit großem Engagement an. Das Land unterstützt die Einrichtungen und Träger durch die anteilige Förderung der Betriebsausgaben. Vor Ort werden mit den Eltern passgenaue Lösungen erarbeitet und weiterentwickelt. Dabei spielen insbesondere bei der Ferienbetreuung die Träger der außerschulischen Angebote eine wichtige Rolle.

Bauen und Innenentwicklung

Mit den Aspekten bezahlbaren Wohnraums für junge Familien und der Nutzung innerörtlicher Flächen zur Belebung der Ortskerne befassen sich die Kommentare im Themenfeld Bauen und Innenentwicklung. Ebenso besteht hierbei der Wunsch nach Vernetzung in Zukunftswerkstätten.

Studien gehen in den nächsten Jahren von einem erheblichen zusätzlichen Wohnungs- und Wohnraumbedarf in Baden-Württemberg aus. Dieser resultiert aus steigenden Bevölkerungszahlen, einem geänderten Wohnungsbedarf durch Veränderungen in der Haushaltsstruktur und dem gestiegenen Wohnflächenbedarf pro Kopf. Das Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) ist seit 2017 verstärkt auf den Förderschwerpunkt „Wohnen“ und die Innenentwicklung ausgerichtet. Mindestens 50 Prozent der zur Verfügung stehenden Fördermittel werden für diesen Bereich eingesetzt. Damit können bereits im Jahr 2017 Projekte gefördert werden, mit denen über 900 zeitgemäße Wohneinheiten entstehen.

Mit dem ELR sollen vor allem die Gemeinden im Ländlichen Raum in die Lage versetzt werden, auf der Grundlage eigener Überlegungen oder in interkommunaler Zusammenarbeit ihre Strukturen zu verbessern und sich entsprechend der jeweiligen Eigenart weiterzuentwickeln. Dabei sind die Innenentwicklung, die Stärkung der Ortskerne und die wohnortnahe Grundversorgung von besonderer Bedeutung. Um speziell bei innerörtlichen Problemlagen die Beseitigung nicht erhaltenswürdiger Bausubstanz zur Schaffung von Baumöglichkeiten in den Ortskernen voranzubringen, wurde der Fördersatz für Gemeinden zur Förderung des unrentierlichen Mehraufwandes bei Baureifmachungen auf 75 Prozent erhöht. Aber auch für private Baumaßnahmen, wie z.B. die Umnutzung von ehemaligen landwirtschaftlichen Ökonomiegebäude wird ein - gegenüber Modernisierung oder Neubau erhöhter - Fördersatz gewährt.

Die Landesregierung beabsichtigt in Umsetzung des Koalitionsvertrags, den Bestandsschutz bei langjährig nicht mehr genutzten innerörtlichen Tierhaltungsanlagen gesetzlich zu begrenzen. Damit sollen Hemmnisse bei der Innenentwicklung in landwirtschaftlich geprägten Innenbereichen von Gemeinden beseitigt und bspw. Wohnbebauung ermöglicht werden.

Mobilität

Für einen attraktiven und flexibleren ÖPNV im Ländlichen Raum sprechen sich die Kommentare zum Themenbereich Mobilität aus.

Mit der ÖPNV-Finanzreform werden Aufgaben- und Finanzverantwortung auf der kommunalen Ebene zusammengeführt. Ab 2021 sollen die Mittel von 200 Millionen Euro pro Jahr schrittweise auf 250 Millionen Euro aufgestockt werden. Damit stellt das Land auch die Weichen für einen zukunftsfähigen ÖPNV im Ländlichen Raum. Um Wege für die Aufgabenträger zu alternativen Mobilitätsangeboten aufzuzeigen, fördert das Land zwei Modellprojekte zu einem innovativen, flexiblen ÖPNV im Ländlichen Raum mit rund 1,7 Millionen Euro.

Die durch neue Technologien und Innovationen sowie in bereits durchgeführten Modellprojekten gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sollen in die Fläche getragen werden, um passgenaue Mobilitätsangebote für die ländlichen Raume zu entwickeln. Die interministerielle Arbeitsgruppe „Mobilität im Ländlichen Raum“ des Kabinettsausschusses Ländlicher Raum stellt dabei Überlegungen an, wie zukunftsfähige, geeignete und bereits erprobte Mobilitätskonzepte in die Fläche des Landes getragen werden können. Der Kabinettsausschuss hat erkannt, dass die Sicherstellung der Erreichbarkeiten von Dienstleistungen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge ein Leitmotiv der Mobilität im Ländlichen Raum darstellt.

Digitalisierung

Das Megathema des flächendeckenden Breitbandausbaus prägt die Kommentare zu den Möglichkeiten der Digitalisierung. Die Anbindung an schnelles Internet ist ein wesentlicher Standortfaktor für die Gemeinden im Ländlichen Raum.

Ziel der Landesregierung ist es, ganz Baden-Württemberg am digitalen Wandel teilhaben zu lassen und für gleichwertige Lebens- und Wirtschaftsbedingungen zu sorgen. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und weiterer Herausforderungen eröffnet die Digitalisierung gerade im Ländlichen Raum neue Möglichkeiten zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge und deren Erreichbarkeit. Die Nutzung neuer digitaler Technologien werden daher auch im Kabinettsausschuss Ländlicher Raum vor diesem Hintergrund diskutiert werden. Es besteht dabei ein enger Austausch zwischen dem Kabinettsausschuss Ländlicher Raum und dem Kabinettsausschuss Digitalisierung.

Eine flächendeckende bedarfsgerechte Breitbandversorgung ist Grundvoraussetzung, um die Möglichkeiten der Digitalisierung auch nutzen zu können. Nach dem europäischen Rechtsrahmen für Telekommunikation sowie dem Grundgesetz ist es Aufgabe der privaten Telekommunikationsunternehmen, den Breitbandausbau wettbewerblich vorzunehmen. Erst wenn dieser marktgetriebene Ausbau versagt, ist es Kommunen möglich, im Rahmen ihrer Selbstverwaltung und unter Beachtung aller rechtlichen Regelungen der EU, des Bundes und des Landes, eine zukunftsorientierte Breitbandinfrastruktur mit Mitteln der öffentlichen Hand aufzubauen. Die Landesregierung unterstützt daher die Kommunen im Land beim Auf- und Ausbau von Glasfasernetzen. Hierfür stellt sie im Rahmen der Breitbandförderprogramme Finanzmittel zur Verfügung. Ebenso können die Kommunen die Beratung der Landesverwaltung in Anspruch nehmen.

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