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Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften

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Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes

Der Gesetzentwurf dient der Sicherung des Vertrauens der Verfahrensbeteiligten und der Allgemeinheit in die strikte Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz und der Vermeidung jedes Anscheins einer Voreingenommenheit bei bestimmten richterlichen und staatsanwaltlichen Amtshandlungen.

Für die Justiz bestehen besonders strenge, rechtsstaatlich begründete Neutralitätsanforderungen. Deshalb sollen für Berufsrichter und Staatsanwälte, bei Erfüllung entsprechender Aufgaben auch für Rechtsreferendare, gesetzliche Regelungen für ein begrenztes Verbot des sichtbaren Tragens religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole oder entsprechend geprägter Kleidungsstücke geschaffen werden. Das Verbot soll für alle religiösen, weltanschaulichen und politischen Bekundungen gelten, egal welche Religion, Weltanschauung oder politische Auffassung hierfür motivierend ist.

Die bestehenden gesetzlichen Regelungen für die Gerichte und Staatsanwaltschaften des Landes enthalten nur allgemeine Vorschriften für das Tragen einer Amtstracht. Spezielle gesetzliche Regelungen, die sich auf religiöse, weltanschauliche oder politische Symbole oder entsprechend geprägte Kleidungsstücke beziehen, gibt es bisher für den Bereich der Justiz nicht. Derartige konkrete Regelungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes für ein Verbot aber erforderlich. Durch dieses Artikelgesetz werden für die einzelnen Gerichtsbarkeiten und die Staatsanwaltschaften des Landes entsprechende, an die Amtstrachtvorschriften anknüpfende Regelungen in die bestehenden Verfahrensgesetze eingefügt.

Sie konnten den Gesetzentwurf bis zum 31. März 2017 kommentieren.

Anhörungsentwurf Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften des Landes (PDF)

Kommentare : zu Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften

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3. Kommentar von :Ohne Name

DIE GRÜNEN verraten ihre eigenen Wähler

Lieber Herr Minister Wolf, ich hoffe eindringlich, dass Sie das lesen. Beim Durchlesen der Gesetzesbegründung kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass unser Justizminister den Durchschnittsdeutschen als areligiösen, rassistischen und islamfeindlichen Bürger vor Augen hat. Das ist er nicht. Und wenn es die Mehrheit sein sollte, dann

Lieber Herr Minister Wolf,

ich hoffe eindringlich, dass Sie das lesen.

Beim Durchlesen der Gesetzesbegründung kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass unser Justizminister den Durchschnittsdeutschen als areligiösen, rassistischen und islamfeindlichen Bürger vor Augen hat.
Das ist er nicht. Und wenn es die Mehrheit sein sollte, dann ist gerade das Grund genug, eine solche Vebotsregelung nicht zu erlassen.
Welchen Antrieb sollen junge muslimische Frauen noch haben, nach den höchsten qualifizierten Ämtern zu streben, wenn ihnen solche Barrieren vorgeschoben werden und sie mit so viel staatlicher Ablehnung konfrontiert werden?
Was spricht dagegen, Musliminnen die gleichen Chancen, wie jeder anderen Frau zu gewähren, sich durch Leistung für die angesehenen Ämter dieses Staates zu qualifizieren.
Wieso sprechen wir Muslimen einfach ab, vertrauenswürdig und unparteiisch zu sein, nicht jedoch anderen Glaubensangehörigen? Das Gesetz ist nur scheinbar neutral formuliert. Die offziellen Pressestatements des Ministers sprechen eine andere Sprache. Was ist das für ein Signal an Muslime?
Vertraut der Staat seiner eigenen Ausbildung nicht? Dass sie die Spreu vom Weizen trennt und nach dem Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 GG) für höhere Ämter qualifiziert?

Mit diesem Verbotsgesetz (wie mit allen anderen auch) tritt Herr Wolf das eigene Grundgesetz mit Füßen. Das besagt in Art. 33 Abs. 3 GG:
"Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen."

Religion ist kein neues Phänomen. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes kamen aus einer viel religiöseren Zeit, als wir heutzutage. Sie waren selbst religiös geprägt. Auch Muslime im Staatsdienst sind keine exotische Neuigkeit, keine unvorhergesehene Staatskrise, auf die man mit Gesetzgebungsaktionismus reagieren müsste. Sie gehörten schon der kaiserlichen Garde an und waren auch Friedrich dem Großen nicht fremd. Seine Worte sind gleichsam aufklärerisch im Vergleich zum baden-württembergischen Kleingeist: "„Alle Religionen seindt gleich und guht, wan nuhr die Leute, so sie profesieren, erliche Leute seindt, und wen Türken und Heiden kähmen und wolten das Land pöbplieren, so wollen wier sie Mosqueen und Kirchen bauen“"

Dieser Gesetzesentwurf ist ein weiteres Kapitel der Schande im schon 20 Jahre währenden Kopftuchstreit. Viel Lärm um wenig Frauen, die nichts anderes wollen, als ihre erlernten (studierten!) Berufe auch praktisch auszuüben. Sie wollen keinen Gebetsteppich auf dem Richtertisch ausbreiten. Sie wollen ihrer Profession nach Recht und Gesetz (Art. 1 Abs. 3 GG) nachgehen, wie jeder andere auch.

Dieser Gesetzesentwurf sagt ihnen: Werdet doch Putzfrauen, oder Lagerarbeiterinnen oder unsichtbare Sekretärinnen! Aber werdet nicht sichtbar in diesem Land der wütenden Bürger! Ihr könntet deren Weltbild auf den Kopf stellen. Das wäre wenigstens ehrlich.

Ich bin enttäuscht, dass ausgerechnet das einzig "grün" regierte Land mit einem solch menschenverachtenden Gesetzesvorstoß vorangeht. Da kann man es keinem Muslim verdenken, dass er sich in der Politik nicht mehr repräsentiert sieht.

1. Kommentar von :Ohne Name

Neutralität bei Gerichten

Das im Januar 2015 verkündete Urteil vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Kopftuch in Schulen wurden aufgehoben. Daher verstehe ich absolut nicht, wie man jetzt mit der gleichen Argumentation (Neutralität wahren), ein Berufsverbot für Menschen einführen will die religiöse Symbole tragen.In einer Rechtssprechung kommt nicht die persönliche

Das im Januar 2015 verkündete Urteil vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf Kopftuch in Schulen wurden aufgehoben. Daher verstehe ich absolut nicht, wie man jetzt mit der gleichen Argumentation (Neutralität wahren), ein Berufsverbot für Menschen einführen will die religiöse Symbole tragen.In einer Rechtssprechung kommt nicht die persönliche Auffassung eines Menschen zum Ausdruck sondern die Gesetzgebung der BRD die festgeschrieben ist und nicht individuell auslegbar ist.Im GG ist die Religionsfreiheit garantiert. Und die schließt auch einen Gerichtssaal mit ein!

4. Kommentar von :Ohne Name

In Kanada und Großbritannien...

...ist soetwas undenkbar. Frauen mit Kopftuch können dort Staatsministerinnen werden. Niemand käme in diesen aufgeklärten Ländern auf die Idee das Kopftuch verbieten zu wollen, so wie Sie. Verbieten Sie das Kopftuch, verbieten Sie gleichzeitig vielen muslimischen Frauen das Arbeiten. Konsequenz? Sie bleiben Zuhause und sehen nur noch den Sinn im

...ist soetwas undenkbar. Frauen mit Kopftuch können dort Staatsministerinnen werden. Niemand käme in diesen aufgeklärten Ländern auf die Idee das Kopftuch verbieten zu wollen, so wie Sie.

Verbieten Sie das Kopftuch, verbieten Sie gleichzeitig vielen muslimischen Frauen das Arbeiten. Konsequenz? Sie bleiben Zuhause und sehen nur noch den Sinn im Kinderkriegen und Haushalt führen. Komisch, dass Salafisten genau das gleiche wollen....

2. Kommentar von :Ohne Name

Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem

Hier wird wesentlich gleiches ungleich behandelt (Verstoß gegen Art. 3 GG, in mehrfacher Hinsicht, da zusätzlich Merkmal \"Religion\" betroffen ist). Ich sehe nicht, dass sich die Landesregierung im Gesetzesentwurf dazu äußert.Deshalb:- Was rechtfertigt es, einer Referendarin muslimischen Glaubens mit mehr Misstrauen zu begegnen, als allen

Hier wird wesentlich gleiches ungleich behandelt (Verstoß gegen Art. 3 GG, in mehrfacher Hinsicht, da zusätzlich Merkmal \"Religion\" betroffen ist). Ich sehe nicht, dass sich die Landesregierung im Gesetzesentwurf dazu äußert.Deshalb:- Was rechtfertigt es, einer Referendarin muslimischen Glaubens mit mehr Misstrauen zu begegnen, als allen anderen?- Was rechtfertigt es, bestimmten Amtsträgern das Kopftuch zu verbieten, anderen, mit Eingriffsbefugnissen nicht?Hat sich die Landesregierung eigentlich ausreichend mit der \"Erforderlichkeit\" eines solchen Gesetzes auseinandergesetzt? Immerhin gibt es religiöse Menschen im Staatsdienst, die das auch zeigen, schon seit den Anfängen. Wieso dieser Gesetzgebungsaktionismus? Vielleicht doch nur, weil Wahlkampf ist?

5. Kommentar von :Ohne Name

Vom Erlauben und trickreich sein

Zu Beginn möchte ich das Vorwort unserer Landesverfassung zitieren: Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen[...]. Auch unsere Verfassungserfinder waren von religiösen Einflüssen geprägt und im Namen des Volkes dieser Verfassung wird Recht gesprochen. Weshalb sollte nun ein Richter oder ein Staatsanwalt keine Halskette mit Kreuz

Zu Beginn möchte ich das Vorwort unserer Landesverfassung zitieren: Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen[...].
Auch unsere Verfassungserfinder waren von religiösen Einflüssen geprägt und im Namen des Volkes dieser Verfassung wird Recht gesprochen. Weshalb sollte nun ein Richter oder ein Staatsanwalt keine Halskette mit Kreuz oder Symbolen anderer Religionen tragen, wenn schon die Landesverfassung "religöse Einflüsse" erlaubt? Der Mensch, der richtet oder sich in eine Gerichtsverhandlung einbringt ist der Gleiche - er denkt und handelt gleich, ob er Symbole zeigt oder nicht.

Auch muss man bedenken, dass die Landesverfassung nicht alleine steht, sondern auch das Grundgesetz mit einfließt. Richter und Staatsanwälte, verzeihen Sie nur die männliche Form, aber es liest sich leichter, sind auch Grundrechtsträger. Sie genießen auch die allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 (1) GG, und die Glaubensfreiheit nach Art 4 (1) GG.
Schritt 1 für den Gesetzgeber: Dezente Symbolik zur Amtstracht gesetzlich erlauben!

Nun kann sich ja auch ein Verfahrensbeteiligter an solch einer Symbolik stören und das zu Recht, denn dieses Symbol an oder zur Tracht eines Amtsträgers kann ihm in seinem eigenen Glauben oder Nicht-Glauben stören und ihn, zumindest theoretisch, hemmen sich zu äußern.
Nun kann sich die gehemmte Person natürlich auch auf die Glaubensfreiheit nach Art. 4 (1) GG berufen. In diesem Falle ist die Sache durch eine Güterabwägung sehr einfach. Die Glaubensfreiheit der Amtsperson tritt hinter die des "Bürgers", da Richter und Staatsanwälte im Konfliktmoment im Namen des Staates handeln und, grob ausgedrückt, Kirche und Staat getrennt sind.
Schritt 2 für den Gesetzgeber: Gesetzlich Amtsträger verpflichten die Symbole abzulegen, wenn sich ein Verfahrensbeteiligter aufgrund seiner Glaubensfreiheit daran stört.

Nun ist diese ganze Symbolikverbotsgeschichte nur eingebracht worden, um Kopftücher bei Richtern und Staatsanwälten zu verbieten. Mir persönlich ist das kein Dorn im Auge; es könnte wegen mir auch Richter mit Turban geben, aber auch diese Sache ist im Grunde schnell geregelt, wenn man sich Gedanken macht. Die Verpflichtung zur Amtstracht gibt es und diese muss nur um eine einheitliche Kopfbedeckung wie z.B. die Richter beim Bundesverfassungsgericht erweitert werden.
Verfassungskonform ist das ganze auch noch, da sich die Kleidervorschrift nicht konkret gegen die Glaubensfreiheit richtet, sondern einfach eine Kleiderordnung darstellt, die für jedermann und jederfrau verpflichtend ist. Das mittelbare Ziel wäre jedoch erreicht.
Schritt 3 für den Gesetzgeber: Amtstrachtverordnung um ein Mützchen erweitern.

Sie sehen, Ihr Ziel ist in drei Schritten erreichbar ohne das Wort "Verbot". Denn ein "Verbot" ist nicht das Allheilmittel. Wir sind doch eine offene Gesellschaft und haben offene Volksvertreter - ERLAUBEN ist viel besser, auch wenn es Schranken hat. Seien Sie offen!

6. Kommentar von :Ohne Name

Es gibt kein Verfassungsgut Neutralitätsanschein

Das lesen:verfassungsblog.de/der-anschein-der-neutralitaet-als-schuetzenswertes-verfassungsgut/Damit ist alles Relevante zum Thema gesagt...Das Gesetz ist verfassungswidrig. Period.

7. Kommentar von :Ohne Name

Ein Kopftuchverbot ist nicht verfassungsgemäß und wirkt desintegrativ

Bereits die Zielsetzung dieses Gesetzes, nämlich das Vertrauen „der Verfahrensbeteiligten und der Allgemeinheit in die strikte Neutralität der Justiz und der Vermeidung des Anscheins einer Voreingenommenheit bei richterlichen und staatsanwaltlichen Amtshandlungen“ zu schützen, genügt aus unsere Sicht nicht den Anforderungen, die der

Bereits die Zielsetzung dieses Gesetzes, nämlich das Vertrauen „der Verfahrensbeteiligten und der Allgemeinheit in die strikte Neutralität der Justiz und der Vermeidung des Anscheins einer Voreingenommenheit bei richterlichen und staatsanwaltlichen Amtshandlungen“ zu schützen, genügt aus unsere Sicht nicht den Anforderungen, die der Interessenausgleich zur Einschränkung der Religionsfreiheit erfordert.

Zwar ist die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Staates geschützt, aber die bisherige Rechtspraxis gibt keinerlei Hinweis darauf, dass das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in diese Neutralität oder gar der Anschein derselben ein Verfassungsgut darstellt. Darüber hinaus liegt es nicht im Wirkungskreis des Gesetzgebers, tatsächlichen Einfluss auf die Vertrauensbildung der Verfahrensbeteiligten zu haben.

Es wird auch sehr schnell deutlich, dass der Gesetzesentwurf den Verfahrensbeteiligten unterstellt, von vornherein Vorurteile und Ressentiments gegenüber äußerlich erkennbaren Muslimen zu haben. Damit wird – analog zur Diskussionen um das Kopftuch im Schuldienst – die Vermutung, Verfahrensbeteiligte hegten gegenüber muslimischen Richterinnen oder Staatsanwältinnen den Vorbehalt, diese besäßen nicht die Fähigkeit, im Sinne des geltenden Rechts zu entscheiden und zu handeln, als – nicht einmal kritikwürdiger – Fakt etabliert.
Eine solche Vorgehens- und Argumentationsweise leistet den Ressentiments von Teilen der Bevölkerung Vorschub, weil signalisiert wird, dass der Gesetzgeber diese Vorurteile berücksichtigt und ihnen damit einen Wahrheitsgehalt zuschreibt.

Tatsächlich jedoch ist es die Aufgabe des Staates, die Rechtsordnung, die derlei Ressentiments als Grundlage staatlichen Handelns nicht zulässt, umzusetzen und nicht aus Rücksichtnahme auf potentielle Vorbehalte vorauseilend Abstriche von grundgesetzlich garantierten Rechten vorzunehmen.
Es sei an die Aussage des Bundesverfassungsgerichts von 2015 erinnert, nach der „Auch den Glaubensrichtungen des Islam, die das Tragen des Kopftuchs zur Erfüllung des Bedeckungsgebots verlangen, aber auch genügen lassen, [...] nicht unterstellt werden [kann], dass sie von den Gläubigen ein Auftreten gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Art. 3 GG, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung fordern, erwarten oder auch nur erhoffen.“ (1 BvR 471/10, Rn. 118) Solchen offenen oder latenten Vorstellungen muss der Gesetzgeber entgegentreten und sie nicht durch Verbote quasi als berechtigte Vorbehalte adeln.

Selbst wenn der Gesetzgeber den Verdacht hegen würde, Richterinnen und Staatsanwältinnen mit Kopftuch seien nicht in der Lage, ihr Amt unparteiisch auszuüben, entspricht es absolut nicht der deutschen Rechtstradition, jemandem ohne Anlass und empirische Belege ein unrechtmäßiges Verhalten zu unterstellen – dies ist das genaue Gegenteil der für alle geltenden Unschuldsvermutung.

Wie so häufig bei Gesetzesentwürfen, die als Reaktion auf aktuelle (gesellschafts)politische Diskussionen und Entwicklungen erlassen werden, sollte sich der Gesetzgeber zunächst darauf besinnen, welche gesetzlichen Regelungen es zum Schutze desselben Zweckes bereits gibt. Gäbe es solche nämlich, wäre eine Gesetzesänderung nicht erforderlich.
Mit Blick auf das Amt von Richtern und Staatsanwälten beiderlei Geschlechts, regelt §§ 42 ff. ZPO den Ausschluss eines Richters/einer Richterin im Zivilprozess wegen Besorgnis der Befangenheit. Dabei muss geltend gemacht werden, dass ein/e Verfahrensbeteiligte/r bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters/der Richterin zu zweifeln (BVerwGE 50, 36 ). Ist ein Richter/eine Richterin also tatsächlich in seiner/ihrer Bewertung nicht neutral, stehen den Verfahrensbeteiligten effektive Mittel zu, diesen Richter/diese Richterin auszuschließen. Damit würde auch der Wertung Rechnung getragen, dass §§ 42 ff. ZPO auf ein tatsächliches Verhalten abstellt, und nicht auf das bloße äußere Erscheinungsbild, das auch nach der Rechtsprechung des BVerfG zum Kopftuch für Lehrinnen nicht für ein Verbot ausreicht.

Der Gesetzesentwurf würde praktisch für alle potentiellen Richterinnen, die ein islamisches Kopftuch tragen, den Ausschluss nach §§ 42 ff. ZPO pauschal vorwegnehmen, aufgrund der Vermutung einer Außenwirkung, die nicht an ein tatsächliches Verhalten anknüpft, sondern ausschließlich an ein Erscheinungsbild. Dass dies mit der Verfassung nicht zu vereinbaren ist, liegt auf der Hand.

Nicht zuletzt muss darauf hingewiesen werden, dass Richter und Richterinnen in ihrer durch Art. 97 I GG garantierten Unabhängig noch immer Individuen sind, mit all ihren persönlichen Erfahrungen, Vorurteilen, religiösen, weltanschaulichen oder politischen Prägungen und faktisch niemals völlig neutral sein können; dies kann auch nicht per Gesetz erreicht werden. Daher geht es auch beim Ausschluss von RichterInnen aufgrund von Befangenheit um deren Objektivität. Objektivität ist das einzige Kriterium, das zählen darf und das als ein Eignungskriterium im Rahmen der Bestenauslese iSd Art. 33 III GG gilt. Das Tragen eines muslimischen Kopftuches kann kein pauschales Ausschlusskriterium für die Fähigkeit sein, einen Sachverhalt objektiv zu beurteilen.

Die desintegrative Wirkung, die die beabsichtigte gesetzliche Regelung mit sich bringt, sollte evident sein: Welchen Eindruck muss eine junge muslimische Frau, die so erfolgreich und selbstbewusst ihre juristische Ausbildung absolviert hat, dass sie fachlich für das Amt der Richterin oder Staatsanwältin geeignet ist, aber aufgrund ihres gelebten Glaubens abgelehnt wird, von Beteuerungen haben, dies sei eine freie und aufgeklärte Gesellschaft, in der die Leistung zählt und Geschlecht, Herkunft, Religion und Ethnie keine Diskriminierungsmerkmale sind, ja, keine sein dürfen? Man braucht nicht viel Fantasie, um diese Frage zu beantworten.

Sollte der Gesetzesentwurf umgesetzt werden, bedeutet das die Ausgrenzung muslimischer Frauen, die eine religiös motivierte Bekleidung tragen, aus bestimmten Berufen. Parallel zu den Kopftuchverboten im Schuldienst ist mit einer starken Ausstrahlung auf den privaten Arbeitsmarkt zu rechnen. Damit wird nicht nur die Verpflichtung des Staates zur Durchsetzung der Gleichstellung der Geschlechter verletzt, sondern auch die Zusicherung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Staat die Heimstatt aller Bürger sei, für diese Gruppe zum wiederholten Male nicht eingehalten.


Wesseling, den 30.03.2017

Aktionsbündnis muslimischer Frauen e. V.
Rabenweg 2
50389 Wesseling
Telefon: Mo., Mi., Fr. 10-12.00 Uhr unter: +49 (0) 2236/948633
Telefax: +49 (0) 2236/948565
E-Mail: info @muslimische-frauen.de
www.muslimische-frauen.de
https://de-de.facebook.com/amf.ev

8. Kommentar von :Ohne Name

Mit der Angst regieren

Es ist wieder eines der leidigen Themen, bei dem dem man uns versucht eine Politik zu verkaufen, die ihre Bürgerinnen und Bürger vor einer angeblichen großen Gefahr beschützt. Es geht um nichts als Machtausübung. Und wenn man nun versucht gebildeten und selbstständigen Frauen die Berufswahl wieder einmal einzuschränken, dann läuft das wie schon in

Es ist wieder eines der leidigen Themen, bei dem dem man uns versucht eine Politik zu verkaufen, die ihre Bürgerinnen und Bürger vor einer angeblichen großen Gefahr beschützt.
Es geht um nichts als Machtausübung. Und wenn man nun versucht gebildeten und selbstständigen Frauen die Berufswahl wieder einmal einzuschränken, dann läuft das wie schon in den letzten Jahren unter der Überschrift der Verfolgung höherer Ziele. Es ist hinlänglich bekannt, dass die Wirtschaft dieses Signal versteht und das Berufsverbot nicht bei Richterinnen und Staatsanwältinnen aufhören würde.

Es ist lächerlich und zu offensichtlich: Eine Putzfrau mit Kopftuch ist in Ordnung, eine verantwortungsvolle Position darf mit einer kopftuchtragenden Muslimin aber nicht besetzt werden.
Sollen diese Frauen doch lieber in der Abhängigkeit ihres Mannes oder ihrer Eltern bleiben. Eine wirklich freie Entscheidung hat eine solche Frau nicht.

9. Kommentar von :Ohne Name

Gesetz zur Neutralität bei Gerichten und Staatsanwaltschaften

ALLE RichterInnen und StaatsanwältInnen sind geprägt vom eigenen Erfahrungshorizont und eigenen Werthaltungen. Trotzdem werden sie sich in aller Regel um Neutralität und Objektivität bemühen. Wieso sollte das bei muslimischen RichterInnen und StaatsanwältInnen - gleichgültig, ob sie als solche zu erkennen sind oder nicht - anders sein? Es soll

ALLE RichterInnen und StaatsanwältInnen sind geprägt vom eigenen Erfahrungshorizont und eigenen Werthaltungen. Trotzdem werden sie sich in aller Regel um Neutralität und Objektivität bemühen. Wieso sollte das bei muslimischen RichterInnen und StaatsanwältInnen - gleichgültig, ob sie als solche zu erkennen sind oder nicht - anders sein?
Es soll Richter geben, die Pegida, AfD etc. nahe stehen, allerdings ohne dass sie diese Geisteshaltung äußerlich zu erkennen geben. Wie würde ein muslimischer Prozessteilnehmer reagieren, wenn er merkt, dass ein neutrales Urteil nicht zu erwarten ist? Er hat in unserem Rechtssystem Gottseidank die Möglichkeit, einen solchen Richter als befangen abzulehnen. Und diese Möglichkeit gilt ja auch für muslimische RichterInnen, wenn OBJEKTIV Anhaltpunkte für mangelnde Neutralität nachgewiesen werden können. Ein vorauseilender Verdacht reicht dafür jedenfalls nicht aus.

10. Kommentar von :Ohne Name

Es sollte gut überlegt sein...

Wo fängt Neutralität an und wo hört sie auf? Bevor ein solches Gesetz entsteht, bedarf es einer juristisch wissenschaftlichen Auseinandersetzung darüber, wie sich unser Staat definiert und was er unter Neutralität versteht (Auslegung GG iVm WRV). Wollen wir nicht die Pluralität unseres Landes auch in der Justiz widergespiegelt sehen. Ist es nicht

Wo fängt Neutralität an und wo hört sie auf? Bevor ein solches Gesetz entsteht, bedarf es einer juristisch wissenschaftlichen Auseinandersetzung darüber, wie sich unser Staat definiert und was er unter Neutralität versteht (Auslegung GG iVm WRV).
Wollen wir nicht die Pluralität unseres Landes auch in der Justiz widergespiegelt sehen. Ist es nicht eine Sache der visuellen Gewöhnung? Wenn wir Frauen und Männer mit religiöser Bekleidung aus allen repräsentativen Positionen fernhalten, werden sich die Fronten in der Gesellschaft nur weiter verhärten und die Vorurteile werden sich halten.
Obwohl England kein säkularer Staat ist (die Queen ist Monarchin und weltliches Oberhaupt der Staatskirche Englands) und die USA ein laizistischer Staat ist, ist dort in der Justiz das Tragen von religiösen Symbolen möglich. Bevor das Land Baden-Württemberg einen Schnellschuss macht, sollte es sich genau überlegen, ob dieses Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist und was für ein Zeichen im Sinne einer toleranten und pluralen Gesellschaft gesetzt wird. Verbote sind das einschneidendste Mittel der Legislative, daher sollten solche Gesetze gut überlegt sein.

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