Vertragsunterzeichnung

Schutz jüdischer Einrichtungen und Abwehr von Antisemitismus

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Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l.) bei der Videokonferenz mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (l.) bei der Vertragsunterzeichnung
Prof. Barbara Traub, Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, bei der Vertragsunterzeichnung
Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, bei der Vertragsunterzeichnung

Die Landesregierung hat einen Vertrag mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur gemeinsamen Abwehr von Antisemitismus unterzeichnet.

„Mit großer Sorge beobachten wir, dass der Antisemitismus gerade in der jüngsten Vergangenheit wieder auf dem Vormarsch ist – in den Köpfen der Menschen, in den sozialen Medien und leider auch in Form von schweren Straftaten. Das alles geschieht leider auch hier bei uns in Baden-Württemberg. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur gemeinsamen Abwehr des Antisemitismus heute gemeinsam mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften Baden und Württemberg einen Vertrag unterzeichnen“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Donnerstag, 28. Januar 2021, in Stuttgart.

Klares Zeichen gegen Antisemitismus und Ausgrenzung

„In vielen Gesprächen mit Jüdinnen und Juden habe ich von der Angst und Unsicherheit erfahren, die Gläubige täglich erleben, etwa wenn sie Gottesdienste feiern, Berichte über antisemitisch motivierte Straftaten verfolgen oder aus Angst vor Angriffen lieber keine Kippa tragen. Diese Erzählungen von Menschen, die ihren Glauben nicht in der Mitte der Gesellschaft leben können, schmerzen mich sehr“, betonte Kretschmann. Mit dem Vertrag zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur gemeinsamen Abwehr des Antisemitismus mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften setze die Landesregierung ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung und Zwietracht und fülle gesellschaftliche Grundwerte wie Freiheit, Menschenwürde und Toleranz mit Leben. „Für mich und meine Landesregierung ist klar, dass Antisemitismus uns in unseren Grundfesten bedroht, weil er genau die Werte in Frage stellt, auf denen unser friedliches Miteinander basiert“.

Im Rahmen des Vertrags wird die Landesregierung im laufenden Jahr 2021 für bauliche Sicherungsmaßnahmen von jüdischen Einrichtungen Mittel in Höhe von zunächst einer Million Euro zur Verfügung stellen. Für personelle Sicherheitsmaßnahmen sowie für Alarm- und Meldesysteme stellt das Land in den kommenden drei Jahren der Vertragslaufzeit zudem rund 1,17 Millionen Euro jährlich bereit. Des Weiteren unterstützt die Landesregierung den Aufbau einer Jüdischen Akademie für Baden-Württemberg während der Vertragslaufzeit mit jährlich 200.000 Euro. Das Land und die Israelitischen Religionsgemeinschaften beabsichtigen, auf Basis der bis dahin gemachten Erfahrungen und in Hinblick auf weiter erforderliche Bedarfe der Israelitischen Religionsgemeinschaften, eine Anschlussregelung zu schließen.

Die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Prof. Barbara Traub, sagte: „Jüdisches Leben ist wieder aktiver Teil unserer vielfältigen Gesellschaft, doch der Ungeist des Antisemitismus ist längst nicht verschwunden. Daher danken wir der Landesregierung von Baden-Württemberg für die Unterstützung der Sicherungsmaßnahmen für unsere Gemeinden, damit sich die jüdischen Menschen und Besucherinnen und Besucher der Synagogen und Gemeindezentren sicher und geborgen fühlen können. Zugleich haben unsere jüdische Religion, jüdische Kultur und Tradition viel zu bieten. Die künftige jüdische Akademie Baden-Württemberg wird den Bürgerinnen und Bürgern Zugänge eröffnen und jüdische Perspektiven auf die drängenden Fragen unserer Zeit ermöglichen. Sie wird dadurch den Abbau von Vorurteilen ermöglichen und Antisemitismus auch auf der Bildungsebene entgegenwirken.“

„Heute ist ein bedeutender Tag: die Vereinbarung zur Sicherheit zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Israelitischen Religionsgemeinschaften in Baden und Württemberg wird unterzeichnet. Vor elf Jahren, im Jahre 2010, war schon einmal ein solch bedeutender Tag. Dieser bedeutete die Grundlage für die wirtschaftliche Existenzsicherung der jüdischen Gemeinden im Land: die Unterzeichnung des Staatsvertrages. Aber vor einem Jahrzehnt hätte sich das niemand vorstellen können: Heute müssen wir Leib und Leben der Juden im Land schützen, nicht nur die wirtschaftliche Existenz. Wir sind traurig, dass solche Maßnahmen überhaupt nötig sind. Aber wir sind stolz auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Landesregierung und allen demokratischen Fraktionen im Landtag sowie auf die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft. Gemeinsam werden wir unsere freiheitliche Demokratie gegen diejenigen, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, verteidigen“, so Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden.

Dank für konstruktive Zusammenarbeit

Abschließend dankte Ministerpräsident Kretschmann der Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Prof. Barbara Traub, und dem Vorsitzenden der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, für die konstruktive Zusammenarbeit. „Ich freue mich sehr, dass wir heute am jüdischen Feiertag TuBi Shevat, dem Neujahrsfest der Bäume, gemeinsam mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften den Vertrag unterzeichnen können. Denn ebenso wie viele Jüdinnen und Juden weltweit pflanzen auch wir mit dem heute unterzeichneten Vertrag etwas, das Frucht bringen soll und Neues entstehen lässt“, unterstrich Kretschmann.

Als ein erster wichtiger Termin steht die Vertragsunterzeichnung auch im Kontext des Festjahres zu 1700 Jahre jüdischem Leben in Deutschland, das bundesweit 2021 begangen wird. „Wir wollen 2021 auch als Chance wahrnehmen, um voneinander zu lernen – für eine gemeinsame und bessere Zukunft. Und auch dafür ist der heutige Termin ein wesentlicher Ausdruck. Jüdisches Leben gehört zu unserem Land: früher, heute und in Zukunft!“ so Kretschmann.

Umfassendes Gesamtkonzept gegen Antisemitismus

Zur Unterzeichnung des Vertrags des Landes Baden-Württemberg mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur gemeinsamen Bekämpfung und Abwehr von Antisemitismus sagte der Stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl: „Wir sind zutiefst dankbar, dass in Baden-Württemberg wieder jüdisches Leben und jüdische Kultur unser Land bereichern. Das Judentum gehört zu Deutschland, es hat die deutsche Geschichte und Kultur nachweislich seit vielen Jahrhunderten mitgeschrieben. Für dieses jüdische Leben hat Deutschland eine besondere, historische Verantwortung. Deshalb führen wir den Kampf gegen den Antisemitismus mit besonderer Entschlossenheit. Ich finde mich nicht damit ab, dass sich heute jüdische Menschen in Deutschland darüber Gedanken machen müssen, ob sie sich in der Öffentlichkeit als Jüdin oder Jude zu erkennen geben oder nicht. Ich finde mich nicht damit ab, dass Synagogen unter Polizeischutz stehen müssen. Ich finde mich nicht damit ab, dass Feinde unserer freiheitlichen Gesellschaft antisemitisches Gedankengut verbreiten. Deshalb setze ich mich mit aller Kraft dafür ein, dass keiner den offenen und den latenten Antisemitismus in unserer Gesellschaft ignoriert oder gar akzeptiert. Es ist unsere gesamtgesellschaftliche Verantwortung jederzeit dafür einzustehen, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland sicher leben können. Die Kippa gehört auf den Kopf - und nicht in den Rucksack."

"Die Bekämpfung des Antisemitismus ist mir deshalb ein persönliches Anliegen und sie ist ein Kernanliegen der Landesregierung! Wir verfolgen ein umfassendes Gesamtkonzept. Dabei setzen wir neben einer konsequenten Strafverfolgung sowie einer stetigen Verbesserung sicherheitstechnischer Maßnahmen, auch auf polizeiliche Schutzmaßnahmen an den jüdisch/israelitischen Einrichtungen, welche seit Jahren auf einem hohen Niveau erfolgen. Erst kürzlich, Ende 2020 haben wir in Baden-Württemberg deutschlandweit die ersten Polizeirabbiner benannt. Diese sind für die Vermittlung von jüdischem Leben im Rahmen der Ausbildung zuständig, stehen aber auch als Ansprechpartner und Vertrauenspersonen für alle Auszubildenden zur Verfügung. Die Vermittlung von Wissen in den Bereichen Antisemitismus und Rechtsextremismus ist ein wichtiger Aspekt im Rahmen der politischen Bildung unserer Polizeibeamtinnen und -beamten – immer vor dem Hintergrund des dunkelsten Kapitels der deutschen Geschichte“, so Strobl weiter.

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Staatsministerium: Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus

Pressemitteilung vom 28. Januar 2021: Entschlossen gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus