Viele Hochschulen starten ihre Studiengänge inzwischen mit Seminaren zur Grundlagenbildung, weil einige Abiturienten diese anscheinend nicht mehr mitbringen. Welcher Oberstufenschüler hatte auch in einer Woche mit 40 Unterrichtsstunden, Hausaufgaben, Vorbereitung auf Klassenarbeiten noch Zeit für wissenschaftspropädeutisch Arbeiten in z.B. einem Seminarkurs?

Zwei meiner drei Kinder waren trotz sehr guter Abiturnoten nach dem Abitur noch nicht bereit, ein wissenschaftliches Studium zu beginnen. Hier würde ein weiteres Jahr in der Schule auf Augenhöhe mit Erwachsenen für mehr Persönlichkeitsentwicklung, Lebenserfahrung, fundiertere Entscheidungen und Vorfreude aufs wissenschaftliches Arbeiten sorgen. Statt dessen der berechtigte Wunsch nach Orientierung, Urlaub nach acht vollgepackten Schuljahren, Sozialkontakten etc., für die während der Schule kaum Zeit blieb.
G9 führt mit Sicherheit zu besseren StudentInnen, die wissen, wohin sie wollen, die keine Lücken in Grundlagen haben und die in der Mehrheit vermutlich auch gar nicht später beginnen.

Ein Forscherteam der Universitäten Dortmund und Marburg um Prof. D. H. Rost untersuchte 2017, wie sich die Dauer der Beschulungszeit (bei gleichem Curriculum) auf die Intelligenzentwicklung der Schüler auswirkt.
Sie fanden heraus, dass G9-Schüler in fast allen Bereichen besser abschnitten als G8-Schüler.
Können wir es uns in Baden-Württemberg leisten, dieses Potential ungenutzt liegen zu lassen? Gerade für die Lösung der massiven, zum Teil existentiellen globalen Probleme braucht es hervorragend gebildete Experten.
Natürlich "funktioniert" es bei einigen Schülern ganz gut, in 8 Jahren zum Abitur zu kommen, aber auch sie hätten wahrscheinlich von diesem zusätzlichen Jahr profitiert. Warum sollte man jungen Menschen diese kognitive Entwicklung verwehren?