Die neue Justizvollzugsanstalt (JVA) im südlichen Landesteil soll am Standort Esch bei Rottweil mit zunächst 400 Haftplätzen gebaut werden. Darauf hat sich die Landesregierung am 21. Juli 2015 verständigt (Pressemitteilung). Grundlage der Entscheidung des Kabinetts war eine Vielzahl von Einzelkriterien, die in den Standorterläuterungen zusammengefasst sind. Die Kommunen Rottweil und Meßstetten hatten im Rahmen des Dialogverfahrens Gelegenheit, die jeweilige Standorterläuterung und auch Themenlandkarten zu ergänzen.
Die Prüfung und Abwägung der Einzelkriterien hat deutliche Vorteile für Rottweil – und damit den Standort Esch – ergeben. Die Festlegung, Bewertung und Gewichtung der Kriterien sind aus den Themenlandkarten ersichtlich.
Vor allem die vollzuglichen Belange und das Ergebnis der Bürgerbeteiligung sprechen für Rottweil. Die Bedeutung dieser Gesichtspunkte kann durch die für Meßstetten sprechende Konversion nach derzeitiger Planungslage nicht aufgewogen werden.
Im Einzelnen:
Gefangene müssen regelmäßig zu Gericht gebracht werden. Vor allem zur Hauptverhandlung, an deren Ende der Richter ein Urteil spricht. Gefangenentransporte kosten Zeit, Geld, sind schlecht für die Umwelt und belasten Gefangene und Personal. Deshalb gilt: Je kürzer die Wege und je besser ausgebaut die Straßen, desto besser. Das neue Gefängnis soll für die Landgerichtsbezirke Rottweil, Hechingen, Konstanz und Waldshut-Tiengen zuständig sein. Die Transporte in diese Bezirke sind vom Standort Rottweil aus mit erheblich weniger personellem und finanziellem Aufwand zu leisten. Wie viel Geld dies spart, lässt sich noch nicht exakt beziffern. Das Justizministerium rechnet aber wegen kürzerer Wege und kürzerer Fahrzeiten damit, dass das Land jährlich mehr als 150.000 Euro einsparen kann.
Es ist wichtig, dass die Gefangenen regelmäßig Besuch von Angehörigen bekommen können: Ziel einer Gefängnisstrafe ist es, den Gefangenen in der Haft so zu betreuen und wenn nötig so zu behandeln, dass er hinterher keine Straftaten mehr begeht. Der Fachbegriff lautet „Resozialisierung“. Das ist der beste Opferschutz. Das geht aber nur dann, wenn ein Gefangener während der Haft den Kontakt zur Außenwelt nicht verliert. Und dazu gehört, dass er regelmäßig Besuch von seinen Angehörigen bekommen kann. Die Angehörigen können ihm auch Halt geben, wenn er nach der Haft das Leben in Freiheit erst wieder lernen muss.
Das setzt ganz praktisch voraus, dass Angehörige das Gefängnis gut erreichen können. Rottweil liegt zentral im Zuständigkeitsbereich der neuen JVA und direkt an der Bundesautobahn A 81. Viele Besucher werden ferner mit dem Zug anreisen. Auch hier hat Rottweil, das direkt an das Schienennetz angebunden ist, gegenüber Meßstetten Vorteile. So dauert eine einfache Fahrt von Waldshut-Tiengen, Konstanz oder Villingen-Schwenningen nach Rottweil etwa eine Stunde weniger lang als eine Fahrt nach Meßstetten, wenn das Baden-Württemberg-Ticket verwendet wird.
Schließlich kann in Rottweil den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der zur Schließung vorgesehenen sechs Vollzugseinrichtungen die Möglichkeit einer sozialverträglichen Weiterbeschäftigung besser eröffnet werden. Davon betroffen sind die Beschäftigen der beiden Hauptanstalten Waldshut-Tiengen und Rottweil sowie der vier Außenstellen in Hechingen, Oberndorf, Villingen-Schwenningen und Tübingen.
Nach den derzeit vorliegenden Informationen ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger in Rottweil nach Einschätzung der Landesregierung höher. Die Bürgerschaft in Rottweil beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Frage des „Wo“ (also mit dem Standort an sich), in Meßstetten hingegen mit der des „Ob“ (Sorgen und Ängste vor einem Gefängnis, daneben auch mit dem Nutzen eines Gefängnisses).
Am Standort Meßstetten wäre es möglich, einen Teil des Geländes der Zollernalb-Kaserne im Wege der Konversion auf neue Weise nutzbar zu machen. Allerdings ist zu beachten, dass die etwa 200 Arbeitsplätze in der neuen JVA zunächst zum überwiegenden Teil bereits durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zu schließenden kleineren Gefängnisse besetzt sein werden. Kleinere Reinigungs- oder Wartungsaufgaben werden zudem weitestgehend durch die Gefangenen selbst erledigt. Der Lebensmitteleinkauf erfolgt für das ganze Land zentral.
Ferner kann der überwiegende Teil des Geländes der ehemaligen Zollernalb-Kaserne (rund 50 Hektar) durch die Ansiedlung einer Justizvollzugsanstalt (rund zwölf Hektar) nicht genutzt werden. Die bereits bestehenden Kasernengebäude wären für eine Nutzung als Vollzugsgebäude bereits aus Sicherheitsgründen völlig ungeeignet. Ein Neubau wäre also auch am Standort Meßstetten unumgänglich.
Auch für die Ansiedlung des neuen Gefängnisses in Rottweil sprechen Argumente der Strukturpolitik: Die Stadt hat im Dialogverfahren deutlich gemacht, dass man dort den Verbleib der Justizvollzugsanstalt nicht nur als Stärkung des traditionellen Justizstandortes verstehe, sondern auch als wesentlichen Teil einer Zukunftsvision für die Stadt begreife, zu der auch die Präsenz staatlicher Institutionen und des Öffentlichen Dienstes gehöre.
Sowohl das Gelände der Zollernalb-Kaserne in Meßstetten als auch der Standort Esch grenzen an Landschaftsschutzgebiete. Der Standort Esch liegt zudem in der Nähe eines FFH-Gebietes, berührt es aber nicht. Auch der frühere Truppenübungsplatz östlich der ehemaligen Zollernalb-Kaserne ist als FFH-Gebiet ausgewiesen. Nach bisheriger Planung wäre durch den Bau der JVA in Meßstetten ein geschütztes Biotop betroffen.
Die nächtliche Beleuchtung müsste an beiden Standorten gleichermaßen erfolgen. Erhebliche Beeinträchtigungen der Tierwelt (Fledermäuse, Nachtfalter) sind nach aktuellen Prüfungen des Amts für Vermögen und Bau Konstanz jedoch nicht zu erwarten, wenn entsprechende Kompensationsmaßnahmen umgesetzt werden.
Der Standort Meßstetten liegt im Wasserschutzgebiet Zone III und IIIA. (laut Stellungnahme der Stadt Meßstetten erfahrungsgemäß unproblematisch), während der Standort Esch lediglich im Nordwesten an ein Wasserschutzgebiet grenzt, in das das Gelände je nach konkreter Planung geringfügig hineinragen könnte. Voraussichtlich kann darauf planerisch reagiert werden. Laut Stellungnahme des Landratsamtes Rottweil wäre eine geringfügige Überbauung unter Berücksichtigung von Auflagen möglich. Die weiteren Einzelheiten sind im Genehmigungs- und Planungsverfahren zu klären.
Am Standort Esch muss ein Großteil der benötigten Fläche neu versiegelt werden. Auch am Standort Meßstetten müsste aber nach derzeitiger Planung voraussichtlich am südlichen Rand des Kasernengeländes gebaut werden: Nur dieses Gebiet ist relativ eben. Außerdem müssten anderenfalls zunächst Bunkeranlagen beseitigt werden. Das wäre mit erheblichen Kosten verbunden.
Nach aktueller Planung müssten deshalb auch am Standort Meßstetten in erheblichem Umfang (etwa 50 Prozent) bislang nicht versiegelte Flächen bebaut werden. Außerdem müssten derzeit von den Bürgerinnen und Bürgern Meßstettens genutzte Sportanlagen (zwei Hallen und ein Fußballfeld) rückgebaut werden.
Das Gebiet um den Standort Esch ist für die wohnortnahe Erholung von Bedeutung. Die Stadt Rottweil hat deshalb bereits Überlegungen angestellt, wie das Naherholungsgebiet im Zuge des JVA-Neubaus aufgewertet werden könnte. Der Eingriff in das Naherholungsgebiet wird dadurch zumindest erheblich abgemildert. Vorschläge für ein Gesamtkonzept „JVA plus Naherholung & Naturschutz“ sind bereits erarbeitet und können auf der Internetseite der JVA Rottweil abgerufen werden.
Die unmittelbar angrenzende Nachbarbebauung auf der anderen Straßenseite (großer Aussiedlerhof) spricht in der Gesamtabwägung gegen den Standort Meßstetten.
Das kommunalpolitische Einvernehmen beider Gemeinden liegt vor. Die Kriterien Bebaubarkeit, Erschließung und Grundstück spielen bei der Entscheidung eine untergeordnete Rolle, da sie für beide Standorte in etwa vergleichbar sind.