Im Zuge der Liberalisierung und Deregulierung im europäischen Binnenmarkt wurden im Jahr 1994 in der Bundesrepublik Deutschland die zwölf mit der Brandschutz- und teilweise auch Elementarschadenversicherung befassten Pflicht- und Monopolanstalten (PMA) abgeschafft. Bei diesen PMA handelte es sich um bewährte, landesrechtlich geregelte und hoheitlich handelnde öffentlich-rechtliche Versicherungsträger, bei denen aufgrund Teilnahmepflicht nahezu alle Gebäudeeigentümer versichert waren.
Als PMA waren in Baden-Württemberg die Badische Gebäudeversicherungsanstalt und die Württembergische Gebäudebrandversicherungsanstalt betroffen. Bei diesen Anstalten waren die Gebäudeeigentümer gegen Feuer- und Elementarschäden versichert. Die Anstalten wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt, deren Aktien das Land erhielt. Bis 1997 sollte das Land die Aktien bei einem Kaufpreis von 1,1 Milliarden DM an die Sparkassen vollständig veräußert haben. Die bestehenden gesetzlichen Versicherungsverhältnisse wurden in vertragliche Versicherungsverhältnisse überführt. Die Pflichtversicherung wich damit der Versicherung auf freiwilliger und vertraglicher Basis.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 41, 205) waren die PMA Bestandteil einer dem Gemeinwohl in besonderer Weise dienenden Verwaltung, die ihre Entstehung dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Gebäudebestandes und von Wohnungen und Arbeitsplätzen verdankt. Mit Blick auf ihren öffentlich-rechtlichen Aufgabenkreis und wegen ihrer traditionellen landesrechtlichen Einbindung waren sie als grundgesetzlich anerkannte staatliche Institutionen der Länder anzusehen, deren Beseitigung essentiell in die Länderhoheitsrechte eingegriffen und ihnen einen wesentlichen Bereich staatlicher Aufgabenwahrnehmung entzogen hat.
Die Abschaffung der PMA hat insbesondere bei den Kleinkunden, insbesondere den Eigenheimbesitzern und Kleingewerbetreibenden, zu einer starken Erhöhung der Versicherungsbeiträge geführt. Profiteure der Privatisierung der Gebäudeversicherungswirtschaft waren hingegen die Großkunden. Der Klimawandel und die damit verbundenen zunehmenden Starkwetterereignisse stellen eine wachsende Bedrohung des Gebäudebestandes auch in Baden-Württemberg dar. Die steigenden klimabedingten Risiken drohen den ohnehin schon hohen Kostendruck auf die Kleinkunden, die weniger leistungsfähigen Versicherungsnehmer und die versicherten Träger hoher Risiken weiter zu erhöhen. Angesichts dieser Entwicklung ist es fraglich, ob der in Baden-Württemberg sehr hohe Anteil der gegen Elementarschäden versicherten Immobilieneigentümer gehalten werden kann.
Ziel einer angemessenen Klimafolgen-, Sozial- und Wirtschaftspolitik im Land muss es deshalb sein, dass die steigenden Kosten des Erhalts des Gebäudebestands solidarisch von allen Gebäudeeigentümern getragen werden. Diese Zielsetzung ist nur zu erreichen, wenn das System der öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherung wiedereingeführt wird.
Die angeschriebenen Verbände haben bis zum 31. Januar 2022 Gelegenheit, gegenüber dem zuständigen Ministerium Stellung zum Entwurf zu nehmen. Nach Ende der Anhörung finden Sie in der Parlamentsdokumentation die Mitteilung der Landtagspräsidentin an die jeweilige Fraktion, die das Ergebnis der Anhörung beinhaltet.
Landtag Baden-Württemberg: Gesetzentwurf der AfD-Fraktion zur Neuordnung der Gebäudeversicherung und zur Einrichtung einer Gebäudeversicherungsanstalt (PDF)
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