Das Vorhaben der Errichtung einer Pflegekammer in Baden-Württemberg geht zurück auf die Enquetekommission Pflege des Landtags Baden-Württemberg, die der Landesregierung 2016 bei entsprechender Zustimmung unter den Pflegekräften die Errichtung einer Landespflegekammer in Baden-Württemberg empfahl. Bei der Befragung im Jahre 2018 sprachen sich 68 Prozent der teilnehmenden Pflegekräfte und Auszubildenden für die Errichtung einer Pflegekammer aus. Dem Wunsch der Mehrzahl der Teilnehmenden an der Befragung entsprechend, wurde eine entsprechende Änderung des Heilberufe-Kammergesetzes im Winter 2019/2020 vorbereitet.
Auf Grund der Corona-Pandemie wurde der Gesetzgebungs- und Gründungsprozess im Herbst 2020 jedoch ruhend gestellt. Insbesondere war eine – auch auf Grund zahlreicher Vorbehalte – notwendige Öffentlichkeitsarbeit Corona-bedingt nicht mehr möglich. Mit der Unterbrechung sollte das Ziel verfolgt werden, eine angemessene Phase der Einführung mit breiter Unterstützung durch Regierung und Parlament vorzuschalten und eine fachlich gute Begleitung sicherzustellen. Nunmehr soll der Vorbereitungs- und Gründungsprozess, auch entsprechend der Aufforderung aus dem Koalitionsvertrag für die 17. Legislaturperiode (2021 bis 2026), wiederaufgenommen und mit dem neuen Entwurf des Gesetzes zur Errichtung einer Landespflegekammer in Baden-Württemberg umgesetzt werden.
Mit der Gründung einer Landespflegekammer wird das Ziel verfolgt, die Attraktivität des Berufsstandes zu erhöhen und damit auch einen Beitrag zur Sicherung des Fachkräftebedarfs zu leisten. Gleichzeitig soll die Qualität der pflegerischen Leistungen im Land durch die selbstbestimmte Gestaltung der Fort- und Weiterbildung weiter verbessert werden. Die Landespflegekammer dient der beruflichen Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Politik und Gesellschaft. Durch eine schrittweise Übertragung von Kompetenzen auf die Landespflegekammer erhalten die Pflegefachkräfte eine größere berufliche Selbstbestimmung. Sie können ihr Berufsbild aktiv gestalten und weiterentwickeln. Durch die Gleichbehandlung mit den bereits bestehenden Heilberufe-Kammern wird die gewünschte Augenhöhe der Pflegefachberufe mit den approbierten Heilberufen hergestellt.
Das Gesetz enthält in Artikel 1 die notwendigen rechtlichen, strukturellen und organisatorischen Grundlagen zur Gründung einer Landespflegekammer in Baden-Württemberg. Diese soll im Dezember 2024 errichtet werden. Die Landespflegekammer wird, wie die bereits bestehenden Heilberufe-Kammern, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts sein und sich durch die Beiträge ihrer Mitglieder selbst finanzieren. Pflichtmitglieder werden alle Pflegefachkräfte sein, die in Baden-Württemberg ihren Beruf ausüben. Dies sind aktuell rund 110.000 Personen. Anders als bei den bestehenden Heilberufe-Kammern sind Personen, die ihren Beruf nicht ausüben, aber in Baden-Württemberg ihren Wohnsitz haben, keine Pflichtmitglieder.
Das die Pflegekammer vorbereitende Gremium ist der Gründungsausschuss, der seine Arbeit im Mai 2023 aufnehmen soll. Einer seiner Aufgaben ist die Vorbereitung der Wahl zur ersten Vertreterversammlung. Mit dem Zusammentreten der ersten gewählten Vertreterversammlung, welches im Dezember 2024 vorgesehen ist, wird die Pflegekammer gegründet und der Gründungsausschuss löst sich auf. Um der Landespflegekammer Baden-Württemberg von Beginn an eine starke demokratisch legitimierte Grundlage zu geben, sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Wahl zur ersten Vertreterversammlung nur stattfinden darf, wenn mindestens 60 Prozent der zukünftigen Pflichtmitglieder sich während der Gründungsphase haben registrieren lassen. Bemessungsgrundlage ist die dann aktuelle Pflege- und Krankenhausstatistik des Statistischen Landesamtes. Wird dieses Registrierungsquorum nicht erreicht, wird keine Pflegekammer errichtet und der Gründungsausschuss aufgelöst.
Die Änderungen weiterer Gesetze und Verordnungen in den Artikeln 2 bis 9 sind erforderlich, um die Landespflegekammer an den bestehenden Strukturen des Gesundheitswesens in Baden-Württemberg zu beteiligen und um die Übertragung der Zuständigkeit über die Weiterbildung auf die Landespflegekammer ab 2029 zu regeln.
Kommentare : zur Errichtung einer Landespflegekammer
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JA ZUR KAMMER
Die Professionalisierung des Pflegeberufes wurde im historischen Rückblick immer wieder von Pflegenden selbst blockiert. Die Abhängigkeit von ökonomischen und politischen Zwängen besteht heute nach wie vor. Die aktuelle Situation der Pflegenden resultiert aus dem Bevormunden und Ignorieren der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen. Ändern
Die Professionalisierung des Pflegeberufes wurde im historischen Rückblick immer wieder von Pflegenden selbst blockiert. Die Abhängigkeit von ökonomischen und politischen Zwängen besteht heute nach wie vor.
Die aktuelle Situation der Pflegenden resultiert aus dem Bevormunden und Ignorieren der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen.
Ändern daran können nur die Pflegenden selbst etwas, indem sie mit einer starken Stimme wesentlichen Einfluss in gesundheitspolitische Entscheidungen nehmen.
Die Verantwortung für die Professionalisierung und die Gestaltung ihres Berufes gehört in die Verantwortung der Pflegenden selbst.
Eine selbstbewusste, einflußreiche Berufsgruppe mag manche Player ängstigen, das Ansehen in der Gesellschaft und folglich die Attraktivität des Berufes aber steigern.
In meiner Auslandstätigkeit habe ich genau das erlebt.
Eine echte Perspektive für die Berufsgruppe der Pflegenden gibt es meiner Meinung nach nur mit einer Pflegekammer.
Wohin es ohne geführt hat erleben wir aktuell.
Ein klares JA ZUR KAMMER!
Ein "Ja" zur Pflegekammer
Mit der Pflegekammer machen wir einen Schritt in die richtige Richtung! Nur mit der Pflegekammer, werden wir auf politischer Ebene adäquat vertreten und können den Beruf voranbringen und ihn für neue junge Menschen attraktiv gestalten und auch die Professionalisierung vorantreiben.
Pflegekammer, ja bitte!
Es reicht einfach nicht, nur über die Missstände in der Pflege zu schimpfen. Wir müssen ein Gremium schaffen, dass für die Pflegenden als Sprachrohr in der Politik dient. Auch wenn nicht alle Inhalte des Gesetzesentwurfs perfekt sind, ist es doch ein erster Schritt in die richtige Richtung! Ich möchte alle Kollegen*innen bitten, sich stark zu
Es reicht einfach nicht, nur über die Missstände in der Pflege zu schimpfen.
Wir müssen ein Gremium schaffen, dass für die Pflegenden als Sprachrohr in der Politik dient.
Auch wenn nicht alle Inhalte des Gesetzesentwurfs perfekt sind, ist es doch ein erster Schritt in die richtige Richtung!
Ich möchte alle Kollegen*innen bitten, sich stark zu machen, für die Errichtung einer Pflegekammer.
Ja! zur Pflegekammer
Für mich ist die Pflegekammer eine Möglichkeit, dass sich auf lange Sicht etwas ändert. Vor allem, dass wir politisch bei Themen wie PPUG, PPR 2.0 , bei Krisen im Gesundheitssystem wie Personalmangel oder Covid mitsprechen können. Dass die Meinung der Pflege überhaupt Einfluss in die Politik findet. Durch die Pflegekammer kann die Pflege selbst
Für mich ist die Pflegekammer eine Möglichkeit, dass sich auf lange Sicht etwas ändert.
Vor allem, dass wir politisch bei Themen wie PPUG, PPR 2.0 , bei Krisen im Gesundheitssystem wie Personalmangel oder Covid mitsprechen können. Dass die Meinung der Pflege überhaupt Einfluss in die Politik findet.
Durch die Pflegekammer kann die Pflege selbst bestimmen, welche Inhalte und Prüfungen in Fort- und Weiterbildungen nötig sind. Sie kann auch entscheiden, wie ein System für Fort- und Weiterbildungen gestaltet sein soll. Aktuell wird dieses fremdbestimmt.
Das Quorum von 60% ist fragwürdig. Reicht die repräsentative Befragung von 2018 mit 68% Zustimmung als Mehrheitsbeschluss für eine Landespflegekammer nicht aus?
Meiner Meinung nach, ist die Aufstellung mit Kammer, Gewerkschaft und Berufsverband sinnvoll. Vom Mitgliedsbeitrag her bezahlen Mitglieder in Rheinland-Pfalz gestaffelt ca. 8 Euro im Monat. Während andere Vereinigungen 1% vom Lohn (in meinem Fall ca. 33 Euro, bei Vollzeit) bzw. 20 Euro (bei Vollzeit) im Monat erhalten. Für eine gute politische Aufstellung und Mitsprache in der Politik sollte sich ein Anteil von ca. 60 Euro (bei Vollzeit) vom Lohn erübrigen lassen.
Pflege ist vielfältig. Zusammen organisiert ergibt sie eine starke Stimme!
Pflegekammer - Eine für Alle, Alle für Eine
Förderung und Erhaltung der Gesundheit, Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheiten, Prävention, ... alles bisher staatliche Aufgaben. Jetzt, wo das Gesundheitswesen jahrzehntelang nur auf Profit ausgelegt war (staatlich gefördert durch Privatisierung; DRGs; bisher keine staatliche Aufstockung und somit Deckelung der Bewohnerkosten in Pflegeheimen;
Förderung und Erhaltung der Gesundheit, Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheiten, Prävention, ... alles bisher staatliche Aufgaben. Jetzt, wo das Gesundheitswesen jahrzehntelang nur auf Profit ausgelegt war (staatlich gefördert durch Privatisierung; DRGs; bisher keine staatliche Aufstockung und somit Deckelung der Bewohnerkosten in Pflegeheimen; Einrichtingsindividuelle zeitintensive, unsinnige Pflegesatzverhandlungen mit Krankenkassen, obwohl die Qualität der pflegerischen Versorgung überhaupt erstmal grundsätzlich überall sicher-/herzustellen ist, etc.), fragt sich die Politik, wie man sich Pflege zukünftig noch leisten kann und wer den Beruf der Pflegefachkraft noch ausführen will oder kann. Die Pflegekammer kann diese Entwicklung nicht umkehren oder beheben, aber sie kann endlich diejenigen bei Entscheidungen in der Politik hörbar zu Wort bringen, die am Ende den dazugehörigen Beruf ausführen und durch ihre Fachexpertise, wissenschaftliche Fundierung und den direkten Kontakt zu den Pflegenden wertvolle Ideen haben, was sich in Zukunft ändern muss. Politik mit und durch professionell Pflegende bietet die Chance diesem Gesundheitswesen eine neue (Zukunfts-) Perspektive zu bringen. Für Pflegende bedeutet eine Pflegekammer gemeinsames Mitspracherecht und Gehör in politischen Entscheidungen: Ja, ich will die Pflegekammer. Sonst sehe ich keine gute Perspektive für diesen Beruf und den bisher staatlichen Auftrag: Förderung und Erhaltung der Gesundheit, Vorbeugung und Bekämpfung von Krankheiten, Prävention, etc., wenn die die es ausführen, künftig nicht zwingend von der Politik in die Entwicklungen einbezogen werden. Und an alle Skeptiker der Pflegekammer: Wie wollen Sie als einzelne Person zur Verbesserung der Situation beitragen, wenn wir nicht zusammen organisiert sind? Der Organisationsgrad in Gewerkschaft und Berufsverband von Pflegenden ist zu gering und zu zersplittert, als dass wir auf dieser Ebene politisch auf Augenhöhe einbezogen werden. Und an alle Arbeitgeber und das Land BaWü: Vielleicht sind künftig diejenigen attraktiv, die einen Zuschuss zum Kammerbeitrag für den Arbeitnehmer bieten, denn damit kann man als Pflegefachperson Gewiss sein, dass Interesse an der beruflichen und individuellen (Weiter-)Entwicklung, an einer guten Fachlichkeit gegenüber den zu Pflegenden und an der Förderung der Attraktivität des Pflegeberufs, besteht.
Offizielle Pressemitteilung des BochumerBund zu dieser Thematik:
Mehr Schein als Sein – wir fordern eine echte Landespflegekammer in Baden-Württemberg Bochum, 28.01.2023 Grundsätzlich befürworten wir als BochumerBund die Etablierung von Landespflegekammern. Folgende Argumente führen dazu, dass wir uns dennoch gegen den aktuellen Gesetzesentwurf zur Landespflegekammergründung in Baden-Württemberg
Mehr Schein als Sein – wir fordern eine echte Landespflegekammer in Baden-Württemberg
Bochum, 28.01.2023 Grundsätzlich befürworten wir als BochumerBund die Etablierung von Landespflegekammern. Folgende Argumente führen dazu, dass wir uns dennoch gegen den aktuellen Gesetzesentwurf zur Landespflegekammergründung in Baden-Württemberg positionieren, ohne hier auf einzelne Paragraphen näher eingehen zu wollen:
1. Auch wenn der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei der Landespflegekammer Baden-Württemberg um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit verpflichtender Mitgliedschaft bei zu
entrichtenden Mitgliedsbeiträgen und damit um eine Selbstverwaltung handelt, ist es nach den Landespflegekammern in Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein weiterer Schlag ins Gesicht aller Pflegefachpersonen. Denn die zukünftige (Schein-)kammer befindet sich nicht mit den anderen Gesundheitsberufen in der Heilberufekammer Baden-Württemberg und damit nicht auf Augenhöhe
mit den anderen Berufen im Gesundheitswesen.
2. Das im Gesetzentwurf formulierte Quorum lehnen wir ab, zumal es bereits im Jahr 2018 ein eindeutiges Befragungsergebnis gegeben hat. Außerdem handelt es sich generell um ein für Deutschland untypisches sowie verfassungsrechtlich fragwürdiges Vorgehen (Parlamentshoheit).
Zumal die Hürde eben nur für die Etablierung der Rechte und nicht für die Pflichten zu scheinen gilt. Der Entwurf wirkt auf uns wie die Verwirklichung eines reinen Lippenbekenntnis, das nach außen politischen Willen zur Unterstützung der Pflegenden simuliert und die wahrhaftige Selbstverwaltung einer eigenständigen Profession gleichzeitig zu verhindern versucht, was sich auch in der deutlich zu geringen Anschubfinanzierung zur Etablierung der nötigen Verwaltungsstrukturen zeigt.
3. Das Beteiligungsportal auf der Internetseite des Landespflegerates bildet die unterschiedlichen Meinungen zu dem Entwurf zwar ab, kanalisiert diese jedoch nicht effektiv. Relevante Institutionen – namentlich wir als BochumerBund, welche in der Thematik rund um die
Etablierung einer Pflegekammer große Expertise aufweisen, können diesen Entwurf fundiert beurteilen und stellen fest, dass dieser weit entfernt von den tatsächlichen Anforderungen und Belangen einer echten Pflegekammer ist. Nach unserer Mitwirkung an erfolgreichen Gründungen wie in Nordrhein-Westfahlen und in Rheinland-Pfalz sowie dem Prophezeien des kläglichen Scheiterns in Schleswig-Holstein und Niedersachsen, bieten wir dem Landespflegerat sowie dem Gesetzgeber
gerne eine Beratung an.
Unterdessen fordern wir:
1. Eine politisch eindeutige Entscheidung und klare Positionierung für die Etablierung einer Landespflegekammer in Baden-Württemberg, welche diesen Namen verdient.
2. Die Landespflegekammer wird auf Grundlage des Kammergesetzes den anderen Heilberufen
in Form und Funktionalität gleichgestellt und erhält mit der Gründung neben sofortigen Pflichten auch alle erforderlichen Rechte.
3. Der Gründungsausschuss kann nur mit einer adäquaten Anschubfinanzierung (Vgl. NRW) direkt nach der gesetzlichen Verabschiedung seine Arbeit aufnehmen und eine tatsächliche
Selbstverwaltung der Profession anstreben, ohne mühsam sehr viel Energie und Zeitressourcen in den Kampf um den eigentlichen Gründungsprozess zu verlieren.
4. Eine Absprache aller relevanten Verbände und Akteure darüber, wie der Druck auf das Sozialministerium so erhöht werden kann, dass eine Änderung dieses Entwurfes analog den oben aufgeführten Punkten erfolgt. Wir als BochumerBund stehen hierzu gerne bereit.
BochumerBund – Spartengewerkschaft für die Pflege seit 2020
Rückfragen bitte an: presse@bochumerbund.de
Der BochumerBund ist eine am 12.Mai 2020 gegründete Spartengewerkschaft für professionell Pflegende. Er agiert nach dem Credo von Pflegenden für Pflegende und setzt sich für die
Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Mitglieder ein:
Wir fordern den Dreiklang aus Pflegekammer, Verbänden und Gewerkschaft
Wir fordern ein Einstiegsgehalt von 4500€ brutto für Pflegefachkräfte
Wir fordern die 4 Tage Woche für Pflegekräfte im Schichtdienst
Ja zur Pflegekammer
Wir brauchen ein Gremium das genauso politisch in Entscheidungen eingebunden ist wie die Ärztekammer nur so können wir auf Augenhöhe mitsprechen!
Landespflegekammer
Es muss doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass Pflege endlich eine Selbstverwaltung erhält!
Wir können uns doch nicht damit zufrieden geben, dass andere über uns entscheiden!
Keine Pflegekammer in Baden-Württemberg!
In die Pflegekammer wird von Befürwortern viel Hoffnung gesetzt – bspw. die Pflege spricht dann mit einer Stimme, sie wird beteiligt / bekommt ein Mitspracherecht bei wichtigen Gesetzesentscheidungen, ihr werden die Organisation der Fort- und Weiterbildung übertragen (aber erst ab 2029) usw. Ganz wichtig: Hauptaufgabe einer Pflegekammer ist die
In die Pflegekammer wird von Befürwortern viel Hoffnung gesetzt – bspw. die Pflege spricht dann mit einer Stimme, sie wird beteiligt / bekommt ein Mitspracherecht bei wichtigen Gesetzesentscheidungen, ihr werden die Organisation der Fort- und Weiterbildung übertragen (aber erst ab 2029) usw.
Ganz wichtig: Hauptaufgabe einer Pflegekammer ist die Sicherstellung einer guten Pflegequalität für die Bevölkerung.
Dem gegenüber stehen die Hauptprobleme der Pflege: Zuviel Arbeit muss von zu wenigen Leuten erledigt werden und man trägt sehr hohe Verantwortung bei vergleichsweise schlechter Bezahlung. Dagegen kann die Pflegekammer herzlich wenig ausrichten. Das Heilberufekammer-Gesetz BW und der vorliegende Gesetzentwurf geben schlichtweg nichts her, womit man an diesen Dingen ansetzen könnte.
Die repräsentative Befragung aus dem Jahr 2018, bei der sich ca. 68 % der baden-württembergischen Pflegekräfte für die Pflegekammer ausgesprochen haben, ist keine ausreichende demokratische Legitimation. Es wurden nicht mal 3.000 Pflegekräfte (darunter auch Pflege-Azubis) von mehr als 100.000 tatsächlich befragt. Wenn Befragung, dann eine aller Pflegekräfte.
Beim jetzigen Verfahren soll ein Quorum von 60 % erreicht werden. D.h., wenn sich innerhalb von 18 Monaten mindestens 60 % der Pflegekräfte registrieren und für die Kammer aussprechen, wird die Kammer eingerichtet.
Nach aktuellem Stand aber soll es schon als Registrierung ausreichen, wenn die Arbeitgeber ihre jeweiligen Pflegekräfte an den Errichtungsausschuss melden. Das ist keine demokratische Willensbildung, sondern ein Skandal!
Grundsätzliche Konstruktionsfehler einer Pflegekammer:
- Die Sicherstellung einer guten Pflegequalität muss gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Das kann nicht auf nur eine Berufsgruppe übertragen werden und sie auch noch dafür zahlen lassen (Pflichtmitgliedschaft in der Kammer und pflichtmäßig zu entrichtende Kammerbeiträge). Mitgliedsbeiträge können das sicher nicht leisten.
- Es wird ein frommer Wunsch bleiben, dass die Pflege mit einer Stimme spricht. Die „eine“ Pflege gibt es nicht. Professionelle Pflege findet dafür viel zu verbreitet in unterschiedlichsten Einrichtungen statt. Hinzu kommt, dass der Gesetzentwurf nur dreijährig ausgebildete Pflegekräfte und solche mit Studium als Kammermitglieder sieht. Die vielen Pflegekräfte, die diese Profilvorgaben nicht aufweisen können, sind außen vor. Spaltung also nicht nur vorprogrammiert, sondern per Satzung vorgegeben.
- Pflegekräfte müssen sich registrieren. Sie können nicht frei entscheiden, ob sie Mitglied in der Pflegekammer werden möchten oder nicht. Austreten aus der Kammer bei Nichtgefallen oder Erfolglosigkeit ist nicht möglich.
- Die Kammer soll eine Berufsordnung erlassen. Mit dieser werden den Pflegekräften – zusätzlich zu den Aufgaben und Pflichten vom Arbeitgeber – weitere aufgelastet.
- Kammern sind normalerweise für Freiberufler gedacht. Wenn es Probleme gibt und sich der Leistungsanbieter Lösungen verweigert, kann man sich an die Kammer (bzw. Innung) als quasi übergeordnete Instanz wenden.
Die allermeisten Pflegekräfte sind aber Angestellte, also abhängig Beschäftigte. Hier sind die Arbeitgeber Ansprechpartner bei Problemen.
- Patient*innen oder Angehörige können sich bei Beschwerden oder bei vermutetem pflegerischen Fehlverhalten an die Kammer wenden. Sie kontrolliert und sanktioniert dann ggf. das Verhalten von Pflegekräften. Die Kammer kontrolliert und sanktioniert nicht die Verhältnisse, in denen man seine Arbeit erbringen muss. Toller Nebeneffekt für die Arbeitgeber, denen die Pflicht für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen also abgenommen wird.
Meine Wertung wird gestützt durch die Pflicht lt. Gesetzentwurf, dass jede Pflegekraft eine ausreichend hohe Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben muss.
- Die gewünschte Selbstverwaltung der Pflege ist im Kern eine doppelte Fremdbestimmung.
Blick in andere Bundesländer:
Leider schauen die baden-württembergischen Kammerbefürworter nicht in die anderen Bundesländer. Lediglich in zwei Bundesländern gibt es Pflegekammern: In Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen.
In RLP besteht sie seit 2016. Bei der Neuwahl der Vertreterversammlung im Jahr 2021 beteiligen sich nicht mal 17 % der Pflegekräfte. Was sagt uns das? Auch ist nicht bekannt, dass die Situation der Pflege dort entscheidend besser wäre.
In NRW wurde erst Ende 2022 gewählt, man wird sich also gerade konstituieren.
Krachend gescheitert sind die Pflegekammern in Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Dort wurden sie zuerst aufgrund „Zustimmung“ lt. repräsentativer Befragungen eingerichtet. Nach heftigen Protesten der Pflegekräfte im Anschluss wurden nochmals Befragungen durchgeführt. Ergebnis: Über 70 % der Pflegenden in Niedersachsen und über 91 % in Schleswig-Holstein sprachen sich gegen die Fortführung der Pflegekammer aus. Die Rückabwicklung der Kammern kostet zweistellige Millionenbeträge.
Von weiteren Bundesländern ist selbst auf der Internet-Seite des DBfK keine Rede. Aber ich weiß, dass bspw. in Hessen bei einer Vollbefragung der Pflegekräfte mehrheitlich gegen eine Kammer abgestimmt wurde. Die Kammer wurde dem Votum folgend auch nicht eingerichtet.
Fazit:
Wenn die Kammer wirklich ein suffizientes und souveränes Mittel wäre, mit dem sich die Missstände der Pflege tatsächlich bekämpfen und beseitigen ließen, dann würde sie die Politik uns nie in die Hände geben!
Stattdessen würde die Kammer ein weiterer teurer und gleichzeitig zahnloser Papiertiger sein … als hätten wir keine anderen Sorgen.
Ich spreche mich aus diesen und weiteren Gründen eindeutig gegen die Errichtung einer Pflegekammer im Ländle aus.
Mit pflegestolzen und pflegesolidarischen Grüßen
Dieter Stoll
Pflegekammer
NEIN zur Pflegekammer!
Wenn ich mit der Stimme, die mich dann vertreten wird, nicht einverstanden bin und mich nicht vertreten fühle, kann ich nicht mal selbstbestimmt austreten.