Der Landesfamilienrat Baden-Württemberg hat eine Stellungnahme abgegeben und stimmte zu, es hier zu veröffentlichen.
Der Landesfamilienrat Baden-Württemberg ist ein Zusammenschluss von Verbänden und Organisationen, die landesweit für und mit Familien arbeiten. Er begrüße das vorgelegte Papier als Ergebnis eines ressortübergreifenden Entwicklungsprozesses, in den sowohl die beteiligten Ministerien, als auch weitere zentrale Akteure einbezogen wurden.
Die wichtigen Themen seien nach seiner Auffassung angesprochen. Zu einzelnen Punkten äußert sich der Landesfamilienrat wie folgt:
1. Aufbau von Medienkompetenz als Schlüssel zur Teilhabe
Medienkompetenz wird im Papier noch zu oft als informationstechnische Kompetenz verstanden. Für den Landesfamilienrat steht eher eine allgemein kritische Kompetenz und weniger eine technische Kompetenz im Vordergrund. Nicht das Verständnis von Programmen, sondern der kritische Umgang mit ‚Fake und Hate‘ beispielsweise halten unsere Gesellschaft zusammen.
Dieser Kompetenzaufbau muss schon bei Kindern und Jugendlichen, vor allem aber auch bei Eltern stattfinden. Eltern werden im Allgemeinen in Technik und Fertigkeiten mit den sich ständig ändernden Medienwelten ihrer Kinder und Jugendlichen nicht mithalten können, aber sie müssen die Medienwelten ihrer Kinder noch nachvollziehen können.
2. Frühkindliche Medienbildung
Im Beitrag zur frühkindlichen Medienbildung vermissen wir den Verzichts-Aspekt. Neben dem Erlernen von Medienkompetenz brauchen kleinere Kinder aber auch geschützte Räume und medienfreie Zeit-Räume. Erfahrungen und Erlebnisse „draußen“ sind für Kinder mindestens genauso wichtig wie Medienkompetenz.
3. Familien und Kinder in Benachteiligungslagen besser erreichen
Alle Anbieter von medienpädagogischen Bildungsangeboten machen die Erfahrung, dass mit medienpädagogischen Angeboten tendenziell diejenigen am besten erreicht werden, bei denen es am wenigsten nötig ist. Vor allem die Schule aber auch Jugendhilfeeinrichtungen sind deshalb für die Medienbildung als Eingangstor unverzichtbar. Sie müssen ihre Möglichkeiten, mit Angeboten auch andere Familien zu erreichen, stärker nutzen und in den Dienst der gemeinsamen Sache stelle. Sie sollten Kooperationen unterstützen und die Zusammenarbeit mit freien Trägern ausbauen.
4. Ausbau von Infrastruktur
Nicht zuletzt geht es um Geräte und Zugänge als Voraussetzung für Mediennutzung. Vernünftige und bezahlbare Zugänge müssen für alle geschaffen bzw. ermöglicht und ggf. unterstützt werden. Die Erfahrungen mit Homeschooling in der Coronazeit haben gezeigt, dass einige Schülerinnen und Schüler aus sog. Multiproblemfamilien digital nicht erreicht werden konnten. Dabei mangelte es nicht nur an Geräten, sondern vielfach auch am Zugang bzw. Anschluss. Die Schaffung der technischen Voraussetzungen ist eine grundlegende Aufgabe der öffentlichen Hand. Der Landesfamilienrat hat dazu eine landesweite Offensive vorgeschlagen.
5. Familienbildung ist ein wichtiger Ort für Medienbildung
Medienkompetenz ist zum Bestandteil von Eltern- und Erziehungskompetenz geworden, die nicht selbstverständlich vorhanden ist, sondern in Lernprozessen erworben werden muss. Eltern sollten auch als Vorbilder mit ihrer eigenen Mediennutzung eine zentrale Orientierung bieten. Für die Information von Eltern, ihr Wissen und ihre Fähigkeiten im Umgang mit Kindern und Jugendlichen als „Mediennutzende“ kommt v.a. der Eltern- und Familienbildung eine Schlüsselfunktion zu. Damit diese ihre Aufgaben gut erfüllen kann, braucht es ihre systematische Stärkung in der kommunalen Jugendhilfe- oder Sozial-Planung. Hier kann das Land durch Rahmensetzung und Förderung systematisch
unterstützen. Im vorliegenden Papier ist uns der Verweis auf nur wenige Träger, welche Angebote für Eltern bereithalten
(s. 25 und 26) etwas zu kurz gedacht. Die reale Vielfalt der Bildungsakteure im Bereich der Familienbildung spiegelt auch das Thema Mediennutzung und Medienkompetenz wider. Bei der Familien-Medien-Bildung sollte es verstärkt auch Angebote für die (ganze) Familie geben zum gemeinsamen Erleben und Austauschen einladen und nicht nur jeweils an Eltern, Jugendliche oder Kinder adressierte Angebote.
6. Medienpädagogik als Pflichtfach in der Ausbildung für erziehenden Berufe
Erzieher*innen. Lehrer*innen oder in anderen erziehenden Berufen müssen sich in ihrer Ausbildung verpflichtend mit medienpädagogischen Themen beschäftigen. Nur wenn sie Wissen und Sensibilität für das Themenfeld haben, kann erwartet werden, dass es in Erziehungs- und Bildungsprozessen auch eine Rolle spielt. Diese wichtige Forderung sehen wir im vorliegenden Papier gut aufgenommen.
7. Medienpädagogik verbindlich in die Lehrer*innenfortbildung aufnehmen
Medienbildung und Medienpädagogik gehören dabei nicht nur verstärkt in die grundständige Ausbildung / Studium, sondern auch in die Fort- und Weiterbildung bspw. von Lehrkräften an (allgemeinbildenden) Schulen. Wir regen daher an, unter TOP 5.2.3 auch die Fort- und Weiterbildung aufzunehmen und diese verbindlich zu machen. Um möglichst alle Lehrer*innen eines Kollegiums zu erreichen, bietet es sich an, Medienbildung (inklusive Anwendung) zum Gegenstand von sogenannten schulinternen Lehrerfortbildungen zu machen. Nur so werden auch die Lehrkräfte erreicht, die dem
Einsatz digitaler Medien (noch) distanzierter gegenüberstehen. Wir regen konkret an, dass jede Schule für sich – vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Gegebenheiten – ein sog. Medienbildungscurriculum entwickelt. Damit wird gewährleistet, dass medienpädagogische Inhalte verbindlich in den schulischen Konzepten verankert sind. Auch die Aufstellung von Mindeststandards für LehrerInnen und Lehrer wäre sinnvoll. So sollte zum Beispiel die Möglichkeit der Nutzung der Plattformen moodle oder itslearning oder die Durchführung von Fernunterricht in Videokonferenzen zum grundlegenden technischen Repertoire einer Lehrkraft gehören, welches auch gewährleistet werden muss.
8. Medienbildung ist lebenslange Aufgabe
Für lebenslanges Lernen und die gesellschaftliche Teilhabe unabhängig vom Alter ist ein "Schritt halten" mit der Entwicklung der Medien und ihrer Nutzung notwendig. Das Internet eröffnet insbesondere für die ältere Generation ungeahnte Möglichkeiten der Information und Kommunikation vom eigenen Wohnzimmer aus, unabhängig von gesundheitlichen Einschränkungen oder finanziellen Mitteln. So können auch ältere und weniger mobile Menschen von der virtuellen Vernetzung profitieren bspw. über Online-Sprechstunden u.v.a.m. Das setzt nicht nur schnellere Fortschritte bei der Digitalisierung voraus, sondern auch die Bildung von Kompetenzen bei Seniorinnen und Senioren. Hier wünschen wir uns mehr regelhafte Angebote.
Gleichzeitig sind Senior*innen als Großmütter und Großväter auch zunehmend als Mit-Erziehende und nicht nur als Einzuführende in die Medienwelt wie Internetzugang, E-Mail-Programm, Nutzung von Apps zu verstehen. Ältere Menschen sollten deshalb auch in ihrer Rolle als Mit-Erziehende im Hinblick auf eine kritische Medienkompetenz gestärkt und unterstützt werden.
(übermittelt am 11. September 2023)