Die zwölf Regionalverbände in Baden-Württemberg können künftig Raumordnungspläne schneller und mit mehr Rechtssicherheit aufstellen. Entsprechende Verbesserungen im Landesplanungsgesetz (PDF) wurden am 12. März 2025 vom Landtag in zweiter Lesung verabschiedet. Sie treten nach Verkündung im Gesetzblatt in den nächsten Wochen in Kraft.
Frischzellenkur für die Landes- und Regionalplanung
„Die Landes- und Regionalplanung in Baden-Württemberg erhält mit dieser Reform eine Frischzellenkur“, erklärte die Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen, Nicole Razavi. „Wir gestalten die Planungsverfahren effizienter und flexibler, treiben die Digitalisierung voran und machen die Pläne robuster. Das ist echter Bürokratieabbau. Vereinfachungen und Beschleunigungen im Planungsrecht bedeuten mehr Tempo für alle: Kommunen, Unternehmerinnen und Unternehmer und letztlich auch die Bürgerinnen und Bürger können ihre Vorhaben schneller umsetzen. Wir helfen den Regionalverbänden, die Herausforderungen der Landes- und Regionalplanung in den kommenden Jahren besser zu bewältigen, um beispielsweise beim Ausbau der erneuerbaren Energien noch schneller voranzukommen.“
Die Hauptadressaten der Novellierung, die zwölf Regionalverbände im Land, begrüßen die neuen Regelungen. Dr. Christoph Schnaudigel, Vorsitzender des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein sowie Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der zwölf Regionalverbände, meinte: „Von den öffentlichen Planungsträgern wird erwartet, dass sie schneller werden. Gleichzeitig sollte jedoch die Qualität der Planung nicht unter die Räder kommen. Diesen schwierigen Spagat zu meistern, wird uns mit dem neuen Gesetz deutlich einfacher gemacht.“
Die wichtigsten Änderungen im Landesplanungsgesetz im Überblick
- An die Stelle der Genehmigung der Regionalpläne tritt künftig ein Anzeigeverfahren. Damit wird das Verfahren für die abschließende Genehmigung der Pläne verschlankt und deutlich verkürzt. Lange Wartezeiten auf einen neuen Plan werden vermieden und damit rascher Planungssicherheit vor Ort geschaffen. Wenn das zuständige Ministerium nicht innerhalb der gesetzlich vorgegeben Frist reagiert, kann der Plan künftig sogar ohne Weiteres in Kraft treten.
- Die bisherige Regelung, wonach privaten Absendern von Stellungnahmen das Ergebnis der Prüfung jeweils einzeln mitzuteilen ist, entfällt zugunsten einer pauschalen Information: Jede Bürgerin und jeder Bürger kann am Ende des Prozesses künftig im Internet nachlesen, ob seine Einwendung aufgegriffen wurde oder mit welchen Argumenten sie abgelehnt wurde.
- Auch die Regelung für so genannte Masseneingaben entfällt. Bislang musste die Behörde, die einen Plan aufstellt, zunächst prüfen, ob es sich tatsächlich um mehr als 50 Eingaben mit „im Wesentlichen gleichen Inhalt“ handelt. Nur dann durfte die Behörde auf individuelle Antworten an alle Eingebenden – also bis zu 50 verschiedene Briefe oder E-Mails – verzichten. Das Streichen dieser Regelung bedeutet eine deutliche Erleichterung beim Umgang mit einer großen Anzahl gleichlautender Eingaben
- Die Fristen für Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange werden deutlich verkürzt und verbindlich vorgegeben.
- Bestimmte formale Fehler im Planungsverfahren werden in Zukunft nicht mehr dazu führen, dass der gesamte Plan ungültig wird. Es wird mehr Möglichkeiten geben, diese Fehler nachträglich zu korrigieren. Unwirksame Teile eines Plans können abgetrennt werden, sodass der Rest gültig bleibt. Diese Änderungen sorgen dafür, dass Planungen schneller und verlässlicher werden, was sowohl den Planungsverantwortlichen als auch den Betroffenen zugutekommt.
- Alle Verfahrensschritte werden weitestgehend digital: Veröffentlichungen und Bekanntmachungen der zuständigen Stellen erfolgen künftig vorrangig über das Internet und nur ergänzend in anderer Form wie etwa der Einsichtnahme in den Räumen einer Behörde. Für Behörden wird die digitale Kommunikation verbindlich vorgeschrieben. Für Stellungnahmen der Öffentlichkeit sollen Online-Formulare zum Standard werden. Ein inhaltlich vorstrukturiertes Online-Formular erleichtert es den Bürgerinnen und Bürgern, ihre Einwendungen abzugeben. Aber auch eine einfache Mail ist weiterhin möglich. Für Landesbehörden wie die Regierungspräsidien, die für die Raumverträglichkeitsprüfungen zuständig sind, wird das Anbieten eines Online-Formulars verpflichtend.
- Einwendungen per Brief sind künftig nicht mehr möglich, sie sind auch nicht mehr nötig. Für Menschen, die elektronische Kommunikation nicht nutzen können oder wollen, gibt es weiterhin die Möglichkeit, Ihre Stellungnahme direkt bei der Stelle vorzubringen, die den Planentwurf veröffentlicht hat. Bürgerinnen und Bürger können während der Sprechzeiten zur Planungsbehörde kommen und ihr Anliegen mündlich vortragen. Dies wird dort verschriftet und dann in den Planungsprozess eingespeist. In der Sprache der Verwaltung heißt das „Vorbringen zur Niederschrift“. Auf diese Weise bleibt ein analoger Zugangsweg erhalten. Die Reform des Landesplanungsgesetzes folgt hier der Änderung der Landesbauordnung im vergangenen Jahr, bei der bereits die schriftliche Nachbareinwendung auf Papier im Baugenehmigungsverfahren abgeschafft wurde. Diese konsequente Digitalisierung erleichtert und beschleunigt auch die Auswertung der Einwendungen.
- Satzungen der Regionalverbände werden künftig ausschließlich online bekannt gemacht, so wie dies im kommunalen Bereich schon seit einigen Jahren üblich ist.
- Für die Bereitstellung der Bauleitpläne im automatisierten Raumordnungskataster wird ein einheitliches Datenformat vorgeschrieben. Damit wird die Grundlage für eine medienbruchfreie digitale Übermittlung der dort enthaltenen relevanten Planinhalte gelegt.
- Zur Förderung von Innovation im Bereich der Regionalplanung, und um auf nicht vorhersehbare Entwicklungen reagieren zu können, ermöglicht eine Flexibilisierungs- und Experimentierklausel fallbezogene Abweichungen von Standardverfahren. Zudem wird die Rolle der Regionalverbände bei der Umsetzung der Planung gestärkt.
- Es werden notwendige Anpassungen an die Änderungen des Raumordnungsgesetzes vorgenommen, die im vergangenen Jahr in Kraft getreten sind. Etliche Doppelregelungen werden gestrichen. Das macht die Anwendung des Gesetzes einfacher.
Der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Regionalverbände, Dr. Matthias Proske, erklärt die Beschleunigung: „Insbesondere die Anzeigepflicht, die an die Stelle der langwierigen Genehmigungsverfahren für Regionalpläne tritt, ist der neue Fünffach-Turbo. Haben wir zum Teil auf den Genehmigungsbescheid bis zu zweieinhalb Jahre warten müssen, ist ein neuer Plan binnen Halbjahresfrist rechtskräftig, bei Änderungen geht es sogar noch schneller.“ Auch die Tatsache, dass Formfehler leichter geheilt werden können, wirkt sich nach seiner Auffassung beschleunigend aus: „Wenn irgendwo ein Stempel fehlt, ist eine Planung deshalb ja trotzdem nicht falsch,“ so Proske. Eine Wiederholung von Verfahrensschritten oder gar der kompletten Planung ist künftig nur noch bei groben Fehlern notwendig. Auch die umfassende Digitalisierung der Beteiligungsverfahren bedeutet mehr Tempo, da das aufwändige Einscannen von Dokumenten nun der Vergangenheit angehört.