Um die Anrainer vor einer möglichen Zunahme von Großwild und den daraus folgenden, wirtschaftlichen Schäden zu schützen, wird in Deutschland auch in den Großschutzgebieten gejagt. Damit der eigentliche Prozessschutzgedanke („Natur Natur sein lassen“) schrittweise und unter Beachtung der Belange der Anrainer umgesetzt werden kann, wurde im Nationalpark Schwarzwald das Modul Wildtiermanagement entwickelt. Nach einer breit angelegten Online-Beteiligung im Sommer 2018 konnte das Modul Wildtiermanagement im Oktober 2018 im Nationalparkrat beschlossen werden.
Worum geht es?
Gegenstand des Moduls sind die großen Wildtiere: Hirsch, Reh und Wildschwein, sowie ihre möglichen Beutegreifer Luchs und Wolf. Drei Zwischenziele und die wissenschaftliche Begleitung der Maßnahmen sind im Modul Wildtiermanagement formuliert. Die Planung und Umsetzung erfolgt in enger Abstimmung sowohl mit den betroffenen Anrainern, als auch mit Jagdverbänden, Naturschutz, Tierschutz, Tourismus und Gemeinden. Gegenstand des Beteiligungsprozesses 2018 war das erste Zwischenziel – 3.000 Hektar jagdfreie Fläche ab dem Jagdjahr 2020.
Wer war wie beteiligt?
Von 2014 bis 2017 erläuterten Nationalparkmitarbeitende die Ideen zur Gestaltung des Wildtiermanagements in mehr als 100 Vorträgen, Führungen, Exkursionen, Seminaren und Workshops (vor allem bei Vertreterinnen und Vertretern aus Jägerschaft und Forstwirtschaft). Im Winter 2017 fanden Gespräche mit den politischen Vertretern statt. Ab 2018 wurden die Ideen zum Wildtiermanagement bei Exkursionen im Gelände mit Fachexpertinnen und -experten aus Forst, Naturschutz sowie mit Jagd-Vertretern diskutiert. Weiterhin wurden die Ideen den politischen Vertretern der Region, dem Nationalpark-Rat und -beirat vorgestellt. Dieser gab im Mai 2018 grünes Licht für die öffentliche Vorstellung des Konzeptes.
Von einer Konsultation der breiten Öffentlichkeit wurde abgesehen. Grund dafür war ein geringer Gestaltungsspielraum aufgrund politischer und gesetzlicher Vorgaben. So sind die Abschusszahlen politisch vorgegeben. Gleichzeitig gibt es die internationalen Vorgaben für Entwicklungsnationalparks, nach denen ab 2044 auf 75 Prozent der Fläche nicht mehr gejagt werden darf. Der Nationalparkverwaltung war es dennoch wichtig, die Zusammenhänge und Hintergründe beim Wildtiermanagement möglichst breit zu kommunizieren und für Nachfragen zur Verfügung zu stehen. Bei zwei Exkursion sowie online konnten sich Interessierte über das Wildtiermanagement informieren, Fragen stellen sowie die Standpunkte der fachlich betroffenen Akteure kennenlernen.
Was sind Ergebnisse der Beteiligung?
Bei den öffentlichen Exkursionen war reges Interesse und Neugier zu beobachten. Die Online-Information wurde insgesamt 610-mal besucht. Insgesamt gingen 167 Anmerkungen ein.
Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern des Nationalpark-Rates, -Beirates und der Nationalpark-Verwaltung, hat nach Ende der Online-Information alle eingegangenen Anmerkungen und Fragen diskutiert und eine Empfehlung an Nationalpark-Rat und -Beirat abgegeben. Am 15. Oktober 2018 wurde das Modul Wildtiermanagement vom Nationalparkrat beschlossen.
Ziel der öffentlichen Information war es ein Verständnis zu vermitteln, was Wildtiermanagement bedeutet, warum es überhaupt nötig ist in einem Nationalpark zu jagen und welche Zielkonflikte bestehen. Weiterhin war es ein Anliegen, Informationen über die Lebensweise und die Bedeutung des Rotwildes zu vermitteln.
Wie geht es weiter?
Seit dem 1. August 2019 wird auf 30 Prozent der Fläche nicht mehr gejagt. Damit wird das erste Zwischenziel bereits umgesetzt.
Die weiteren Zwischenziele sind:
- bis zum Jahr 2030 wird im überwiegenden Teil, also auf mindestens 51 Prozent der Fläche nicht mehr in die Wildtierpopulation eingegriffen,
- bis zum Jahr 2044 müssen 75 Prozent der Fläche ohne Wildtierregulation auskommen, damit der Nationalpark die internationalen Kriterien für Entwicklungsnationalparks erfüllt.
Diese Ziele können nicht vom Schutzgebiet alleine gelöst werden, sondern nur in enger Zusammenarbeit mit den Anrainern und unter Betrachtung des gesamten Lebensraums der jeweiligen Wildtiere. So muss die weiterhin bestehende Abschusszahl nach der ersten Reduzierung um 30 Prozent der Fläche nun vollständig in den verbleibenden 70 Prozent der Nationalparkfläche erbracht werden. Um ein effektives Wildtiermanagement zu ermöglichen, sind hierfür zum Teil auch entsprechende Maßnahmen in der Fläche von Nöten. Für die nächsten Schritte spielt deshalb die Rotwildkonzeption eine wichtige Rolle. Seit dem Jahr 2016 werden unter der Leitung der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt des Landes die Grundlagen für ein großflächiges revier- und landkreisübergreifendes Management für den Rothirsch im Nordschwarzwald geschaffen. Die Rotwildkonzeption schafft damit die Grundlage für ein Wildtiermanagement mit einem räumlichen Bezugsrahmen über den Nationalpark hinaus.
Unter Einbindung der wichtigsten Interessensgruppen – Naturschutz, Forst- und Landwirtschaft, Grundeigentümer, Tourismus und Jagd – wird gegenwärtig eine Konzeption für das Rotwildgebiet Nordschwarzwald erarbeitet. Der Nationalpark liegt mitten in diesem Gebiet und wird daher Teil dieses Konzeptes sein. Ziel ist es, den unterschiedlichen menschlichen Nutzergruppen und den Ansprüchen des Rothirsches möglichst optimal gerecht zu werden.
Nationalpark Schwarzwald: Wildtiermanagement