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Beteiligung erklärt

Demokratie lebt von den Bürgerinnen und Bürgern

Abstimmung beim Filderdialog.

Die Auseinandersetzung um Stuttgart 21, die Proteste gegen die Atomkraft, die Occupy-Bewegung: alle diese Beispiele machen deutlich, dass das Interesse an Politik groß ist und die Menschen sie nicht mehr den Politikern allein überlassen wollen. Die Bürgerinnen und Bürger wollen sich direkt an der Politik beteiligen, sie selbst gestalten, sich persönlich engagieren. Sie fordern mehr Bürgerbeteiligung.

Der Begriff Bürgerbeteiligung zielt auf die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an den politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen ab. Der Begriff wird für eine Vielzahl unterschiedlichster Verfahren verwendet. Dabei unterscheidet man zwei grundsätzliche Wege der politischen Beteiligung:

1. Der „formale“ Weg

Bei ihm handelt es sich um Verfahren der direkten Demokratie und gesetzlich verankerte Beteiligungsprozesse. Beispiele für diesen Weg sind Wahlen, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide beziehungsweise Volksbegehren und Volksabstimmungen sowie Stellungnahmen, Einwände und Anregungen im Rahmen von Planungsverfahren.

2. Der „informelle“ Weg

Er umfasst verschiedene dialogorientierte, beratende Verfahren, bei denen Bürgerinnen und Bürger zur Meinungsbildung oder Entscheidungsfindung zusammenkommen. Es geht dabei darum, dass die Bürgerschaft und Entscheidungsträgerinnen und -träger frühzeitig über einen politischen Prozess ins Gespräch kommen, Argumente austauschen und im Idealfall zu einer gemeinschaftlichen Entscheidung finden. Beispiele für diesen Weg sind BürgerInnenräte, Bürgergutachten oder Mediationsverfahren.

Beide Wege sollen dazu führen, die Zukunft Baden-Württembergs gemeinsam zu gestalten. Allerdings sollen die Verfahren der Bürgerbeteiligung nicht die repräsentative Demokratie ersetzen. Vielmehr sollen sie diese konstruktiv ergänzen und bei allen Beteiligten das demokratische Bewusstsein schärfen.

Bürgerbeteiligung erweitert Expertenwissen

Immer öfter geben sich aktive Bürgerinnen und Bürger in ihrem Engagement nicht mehr mit dem zufrieden, was sie vorfinden. Sie fordern bei den Gemeinden, dem Land oder dem Bund Unterstützung, Vernetzung und Beratung ein und sie äußern ihre Meinungen zu politischen Themen. Gefragt ist die Einbindung derer, die selten sprechen, sowie die Verwendung neuer Formate der Beteiligung, wie World-Cafés oder Planungszellen mit repräsentativ ausgewählten Bewohnern, statt der bloßen Gegenüberstellung von festen Expertenmeinungen. Heute zeigt sich, dass sowohl Expertinnen und Experten als auch Parlamente nicht zwingend über die „richtigen“ Erkenntnisse verfügen. Wichtige Aspekte aus den Erfahrungswelten und dem Meinungsspektrum von Bürgerinnen und Bürgern müssen in Zukunft stärker „Gehör finden“.

Direkte Demokratie ergänzt repräsentative Demokratie

Informelle Beteiligungsverfahren und direkte Demokratie unterstützen und ergänzen die repräsentative Demokratie. Sie stehen somit keineswegs der repräsentativen Demokratie gegenüber. Vielmehr bergen die Methoden der informellen Beteiligung die Möglichkeit, neue Blickwinkel auf bestehende Probleme zu erlangen und bei neuen Vorhaben von Anfang an alle Betroffenen einzubinden. Die Methoden bedienen sich hierfür sozusagen der „Schwarmintelligenz“ der Bürgerinnen und Bürger. Sie bereichern politische Entscheidungen, schaffen Transparenz und erhöhen die Akzeptanz politischer Prozesse und Entscheidungen. Damit informelle Bürgerbeteiligung praktiziert wird, brauchen die Bürgerinnen und Bürger aber ein verbindliches Instrument an die Hand, um notfalls selbst entscheiden zu können. Direkte Demokratie – also Bürgerentscheide und Volksabstimmungen – erfüllt diese Funktion.

Bürgerbeteiligung erfordert neue politische Kompetenz

Beteiligungsprojekte wie der Filder-Dialog zu Stuttgart 21 haben gezeigt, dass Bürgerbeteiligung kein Wunschkonzert ist. Was Bürgerbeteiligung leisten kann, hängt immer von den Rahmenbedingungen ab. Je weiter die Planungen eines Projekts vorangeschritten sind und je weiter bereits wesentliche Eckpunkte beschlossen wurden, desto eingeschränkter ist eine Mitwirkung. Die Debatten um Stuttgart 21 haben deutlich gemacht, dass es zu den künftigen Aufgaben der Politik gehört, rechtzeitig zu erkennen, wann und welche Form der Beteiligung in einem konkreten Fall angemessen ist. Der repräsentative Wählerauftrag gilt weiterhin, aber Veränderungen sind zwingend gefragt und bedeuten eine hohe Anforderung an Politik und die Menschen, die dort tätig sind.

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