Studierende verfolgen eine Vorlesung im Hörsaal. (Bild: © dpa)

Digitalisierung Wissenschaft und Kultur

Stellungnahme des Ministeriums

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Die Digitalisierung von Wissenschaft, Forschung und Kunst ist auf dem Beteiligungsportal auf großes Interesse gestoßen. Zahlreiche Akteure haben in ihren Kommentaren den aktuellen Stand reflektiert und anhand ihres Arbeitsalltags Verbesserungsvorschläge eingebracht. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst hat zu den Beiträgen, die für die einzelnen Themenbereiche eingingen, Stellung genommen.

Infrastrukturen der digitalen Forschung

Der langjährigen Kooperation der baden-württembergischen Landesuniversitäten im Bereich der IT-Infrastrukturen verdanken Hochschulen und Kultureinrichtungen Baden-Württembergs sowie deren Nutzer die folgenden sichtbaren Mehrwerte:

  • schnelles Internet über das Landeshochschulnetz Baden-Württembergs extended LAN (BelWü),
  • landesweit Zugang zu Höchstleistungsrechnern und
  • dank konsortialer Verhandlungen und Lizenzverträge einen umfassenden Online-Zugriff auf digitale Ressourcen und Werkzeuge.

Ausgehend von diesen guten Rahmenbedingungen wurden im Workshop „Infrastrukturen der digitalen Forschung“ Fragen der Weiterentwicklung von und des Forschungsbedarfs zu Datenbeständen und Datenmanagement sowie der Organisation und der Finanzierung des Datenmanagements thematisiert. Dabei wurden im Workshop und im Beteiligungsportal folgende Herausforderungen identifiziert:

  • Die Beschaffung von Daten für die Forschung (zum Beispiel Echtzeitdaten zu Energie, Mobilität oder Verbraucherverhalten) ist oft teuer, aufwändig oder aus datenschutzrechtlichen Gründen schwierig.
  • Der Forschung sollten mehr Daten in digitaler Form und auch die für die Analyse erforderlichen Ressourcen frei zugänglich sein.
  • Forschungsdaten müssen sorgfältig dokumentiert werden, damit sie von anderen Forschern, auch aus anderen Fachgebieten, nachgenutzt werden können. Diese Dokumentation ist mit hohem Aufwand verbunden.
  • Die verlässliche Aufbewahrung der Daten (Archivierung) ist ein zentrales Problem. Kooperationen zwischen den Hochschulen werden als zwingend erforderlich angesehen, damit die Kosten nicht zu hoch werden.
  • In der digitalen Welt verursachen papierbasierte Verwaltungsverfahren erhebliche Mehrarbeit und beeinträchtigen die Qualität der Leistungen. Gute Forschung, gute Lehre und gute Studierendenbetreuung benötigen effiziente und komfortable digitale Verwaltungsprozesse.
  • Der Umgang mit großen digitalen Datenmengen muss aus Sicht der Experten dringend fachspezifisch in der Hochschullehre verankert und den aktiven Forschern nachträglich vermittelt werden. Dies gilt insbesondere für die personalisierte Medizin oder die kleinen Fächer.

Wir sehen diese Anregungen als sehr wertvoll an und werden sie im weiteren Gestaltungsprozess aufgreifen. Wir werden insbesondere die Vorreiterrolle Baden-Württembergs für High Performance Computing und Big Scientific Data in Deutschland ausbauen. Durch die Verbindung von High Performance Computing (HPC) mit Data Intensive Computing (DIC) werden Synergien geschaffen, die eine neue Qualität von wissenschaftlichem Arbeiten auf höchstem Niveau ermöglichen. Darüber hinaus soll das Potential von HPC und DIC für Gesellschaft und Politik verstärkt in den Blick genommen werden, sodass Gesellschaft und Politik gleichermaßen von HPC und DIC profitieren können wie Wissenschaft und Wirtschaft. Im Bereich Data Science sollen der Auf und Ausbau des Forschungsdatenmanagements sowie von virtuellen Forschungsumgebungen vorangetrieben werden.

Teaching4Future – Lehre digital

Zum Bereich der digitalen Lehre wurde im Beteiligungsportal eine Vielzahl von zum Teil sehr ausführlichen Kommentaren abgegeben. Dabei haben sich unterschiedliche Akteure (unter anderem Studierende und Dozierende verschiedener Hochschularten, Mitglieder von Hochschulleitungen, Pädagoginnen und Pädagogen) zu Wort gemeldet. Dies dokumentiert das große Interesse am Thema und die hohe Bereitschaft, sich motiviert und engagiert mit Vorschlägen zielorientiert in den Prozess einzubringen.

In den Kommentaren wurde deutlich, dass bei Softwarelösungen und Online-Lizenzen bereits viel erreicht ist und bereits zahlreiche digitale Lehr-/Lernumgebungen zur Verfügung stehen. Als zentrale Herausforderungen, die bisweilen eine erfolgreiche Implementierung digitaler Lehr-/Lernumgebungen erschweren, wurden benannt: die zu verbessernden infrastrukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen (zum Beispiel nicht mehr zeitgemäße Medienausstattung, urheberrechtliche Fragestellungen, fehlende Möglichkeit der Durchführung digitaler Prüfungen) und ein noch größerer Bedarf an Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrende an den Hochschulen (digitaler Kompetenzaufbau, hochschuldidaktische Themen).

Insgesamt zeigt sich, dass mit Blick auf die bestehenden Herausforderungen auf Vorhandenem aufgebaut werden kann. Dabei ist die Nutzung von Synergien von zentraler Bedeutung, auch um den Aufwand bei der Bereitstellung digitaler Lehrmaterialien für die einzelnen Lehrenden zu reduzieren – nicht jeder muss das Rad neu erfinden. Wir begrüßen daher die Bildung von Netzwerken (zum Beispiel das Hochschulnetzwerk Digitalisierung der Lehre Baden-Württemberg (HND BW)) mit dem Ziel einer stärkeren Verbreitung von Best-Practice-Beispielen und zur Verbesserung hochschulischer Unterstützungsstrukturen.

Die Digitalisierung verändert die Anforderungen an Lehre und Unterricht, an Bildungsinhalte und -methoden sowie an die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie wollen wir die Hochschulen mit spezifischen Angeboten bei der Gestaltung der Maßnahmen zur Wissensvermittlung im digitalen Zeitalter unterstützen. Hochschulische Maßnahmen der Qualifizierung von Hochschullehrenden können so ausgebaut werden. Außerdem wollen wir die Hochschulen bei der Entwicklung eigener Strategien für die erfolgreiche Implementierung digitaler Lehr-/Lernumgebungen in allen hochschulischen Fachbereichen begleiten. Zudem fördern wir das landesweite Repositorium für Open Educational Resources (OER) der Universität Tübingen als digitalen Aufbewahrungsort für freie Lern- und Lehrmaterialien.

Schlüsseltechnologie Intelligente Systeme

Die rasante Entwicklung auf dem Feld des maschinellen Lernens stellt disruptive Technologien in Aussicht. Es wird für den Wirtschaftsstandort und das High-Tech-Land Baden-Württemberg von entscheidender Bedeutung sein, mit eigenen Beiträgen Technologieführerschaft anzustreben. Intelligente Systeme sind ein bedeutendes Zukunftsfeld mit einem Forschungsbedarf sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Anwendung. Eine einseitige Priorisierung von Grund- oder Anwendungsforschung würde langfristig Zukunftschancen verbauen. Große Anwendungspotentiale bestehen in den Bereichen Mobilität (autonomes Fahren), Robotik, Gesundheitsforschung (personalisierte Medizin), Medizintechnik, Industrie 4.0 und allgemein für Assistenzsysteme. Die Offenheit für weitere neue Ideen darüber hinaus muss unterstützt werden.

Baden-Württemberg verfügt über eine leistungsstarke Forschung im Bereich Intelligente Systeme. Die Aktivitäten sind jedoch verteilt und erzeugen deshalb zu wenig internationale Sichtbarkeit und Anziehungskraft für Forschende. Gemeinsame Forschung von Wirtschaft und Wissenschaft im Grundlagen- und Anwendungsbereich sollte gefördert werden. Die von Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam getragene Initiative Cyber Valley ist vor diesem Hintergrund eine viel versprechende Aktivität. 

Der qualifizierte Nachwuchs sollte möglichst gute Forschungs- und Arbeitsbedingungen vorfinden. Hierzu gehören transparente Karrierewege in Academia und Wirtschaft, aber auch Gründungsunterstützung und Bereitstellung von Risikokapital.

Juristische Hürden für den Transfer von Grundlagenforschung sind von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern klar zu benennen. Die rechtlichen Bedingungen des Zugriffs auf große Datensammlungen zum Beispiel in der Medizin müssen rasch geklärt werden, damit neue, digitale Nutzungen dieser Daten methodisch verfeinert und erprobt werden können.

Ethische Implikationen beim Einsatz intelligenter Systeme müssen in einem Diskurs mit der Öffentlichkeit transparent gemacht werden, so dass eine reflektierte Haltung dazu entwickelt werden kann.

Mit dem Start des „Cyber Valley“ im Raum Stuttgart-Tübingen haben wir einen Ort geschaffen, an dem interdisziplinär und in gemeinsamer Kraftanstrengung von Wissenschaft und Wirtschaft geforscht wird. Das „Cyber Valley“ soll gleichzeitig internationales Zentrum für Grundlagenforschung und Gründerplattform für marktfähige Anwendungen werden und die Forschungsaktivitäten von internationalen Key-Playern aus Wissenschaft und Industrie in der Region bündeln. Abgeleitet aus den Erkenntnissen des Workshops und den Kommentaren wollen wir das „Cyber Valley“ weiter ausbauen. Hierfür sollen insbesondere in einem wettbewerblichen Verfahren Nachwuchsgruppen eingerichtet und mit einem Ideenwettbewerb innovative Projekte im Bereich Künstliche Intelligenz angestoßen werden.

Kultur digital erleben

Die Kommentare bekräftigen die großen Chancen der Digitalisierung für den Kunst- und Kulturbereich ebenso wie die bestehenden Herausforderungen bezüglich der notwendigen Infrastruktur, personeller und finanzieller Ressourcen, rechtlicher Fragen wie zum Beispiel Urheberrecht sowie die Frage der Langzeitarchivierung, insbesondere auch im Hinblick auf digital erschaffene Kunst.

All diese Fragen wurden auch im Workshop angesprochen und sind Teil der weiteren Überlegungen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die Exzellenz und Dynamik des Virtual-Reality-Standorts Baden-Württemberg sollen genutzt werden, um eine neue Dimension der Start up-Kultur und des Technologietransfers zu etablieren. Dazu gehört der Ausbau von Qualifizierungs- und Unterstützungsmaßnahmen bereits im Studium, um potentielle Gründerinnen und Gründer anzusprechen. Im Fokus der digitalen Strategie für den Museumsbereich stehen Vermittlungsarbeit und Publikumsorientierung. In beispielhaften Projekten sollen die staatlichen Museen sowie das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) neuartige Anwendungen entwickeln und erproben, um dem Publikum den Zugang zu erleichtern und es aktiver einzubeziehen.