„Die Rahmenbedingungen für den Weinbau sind weltweit derzeit schwierig, insbesondere in Europa, der größten Anbauregion. Die Klimaveränderung, mit zunehmend langanhaltenden Trocken- oder Regenphasen, macht den Winzern ebenso zu schaffen, wie die stark gestiegenen Preisen für Betriebsmittel und Arbeitskräfte. Zudem verändert sich europaweit das Weinkonsumverhalten, was an sinkenden Absatzzahlen spürbar wird. Die wirtschaftliche Situation der meisten Weinbaubaubetriebe ist sehr angespannt. Im Wirtschaftsjahr 2023/2024 sank das Betriebsergebnis im Vergleich zum Vorjahr um 68 Prozent! Europäische Maßnahmen, wie die Krisendestillation oder die Verlängerung der Genehmigungsdauer von Pflanzrechten wirken nur kurzfristig und verschaffen den Winzern lediglich eine Verschnaufpause. Daher unterstützt das Land die Branche mit einem ‚Sofortprogramm Weinbau‘, um die Kosten- und Vermarktungssituation zu verbessern und den Strukturwandel aktiv zu begleiten“, sagte der Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, Peter Hauk, am 15. Januar 2024 im Nachgang der Verabschiedung des Sofortprogramms Weinbau im Kabinett am 14. Januar 2025.
„Sofortprogramm Weinbau“ bündelt verschiedene Maßnahmen
Das „Sofortprogramm Weinbau“ bündelt europäische und Maßnahmen des Bundes, deren Umsetzung im jeweiligen Ermessen der Mitgliedsländer liegt, mit vielen zusätzlichen eigenen Maßnahmen des Landes, deren rechtliche und technische Umsetzung in Teilen schon bei den ersten erkennbaren Anzeichen der jetzt bestehenden Krise begonnen wurde, um die Branche handlungsfähig zu halten.
So wurde die Erhöhung der Förderung des Handarbeitsweinbaus oder die Wiederzulassungsforderung von Kaliumphosphonat im ökologischen Weinbau aufgrund der Weinbaukrise bereits frühzeitig initiiert und auf den Weg gebracht.
Weitere Maßnahmen des Sofortprogramms, wie beispielsweise neue Weintourismusprojekte oder auch kommunale, integrierte ländliche Entwicklungskonzepte (ILEK) sind aufgrund der aktuellen Dynamik der Rebflächenaufgabe dringlich, damit eine wirtschaftliche und touristisch nutzbare weinbauliche Kultur erhalten bleibt.
Weinbaukrise direkt angehen
„Mit den Maßnahmen des ‚Sofortprogramm Weinbau‘ nutzen wir alle Möglichkeiten, die uns die Europäische Union und der Bund bereitstellen, und gehen mit einem breiten Bündel landeseigener Ansätze die aktuelle Weinbaukrise direkt an. Wir beschränken uns nicht nur auf die Weinbranche, sondern beziehen die vor- und nachgelagerten Bereiche mit ein, weil sich jeder Betriebsverlust negativ auf unser Landschaftsbild und das Sozialgefüge in den Weinbaugemeinden auswirkt“, sagte Minister Hauk. Klar sei aber auch, dass Baden-Württemberg mehr Unterstützung aus Berlin und Brüssel benötige, beispielsweise durch die Unterstützung von Rotationsbrachen im Rahmen der Öko-Regelungen.
Maßnahmen des „Sofortprogramm Weinbau“
Der Schutz von Trauben durch die Verwirrung der Traubenwickler über Pheromone hat sich sowohl im integrierten als auch im ökologischen Weinbau bewährt. Dabei ist es wichtig, geschlossene Reblagen in Gänze mit Pheromondispensern zu schützen. Da die Kosten für diese Maßnahme in den letzten Jahren gestiegen sind, wird die Förderung für diese Maßnahme in diesem Jahr auf 200 Euro je Hektar erhöht.
Baden-Württemberg hat sich dazu verpflichtet, den Anteil der ökologischen Bewirtschaftung zu erhöhen. Um dieses Ziel auch im Weinbau umzusetzen, ist es erforderlich, den ökologisch wirtschaftenden Betrieben Möglichkeiten zu geben, auch in regenreichen Jahren sicher Weintrauben zu produzieren und die Pflanzen vor Pilzerkrankungen wie den Mehltau wirksam zu schützen. Mit den aktuell im ökologischen Weinbau zugelassenen Pflanzenschutzmitteln ist das leider nur sehr eingeschränkt und unzureichend möglich.
Die Wichtigkeit der steilen Handarbeitslagen für Natur, Tourismus, Landschaftsbild und Kultur ist in Baden-Württemberg gesellschaftlich anerkannt. Deshalb können diese einzigartigen Reblagen ab dem Antragsjahr 2024 mit einem Bewirtschaftungszuschuss von 5.000 Euro je Hektar und Jahr gefördert werden.
Im Land werden drei Weintourismusprojekte umgesetzt. Eines wurde in der Region Zabergäu schon begonnen und zwei weitere Pilotprojekte im Anbaugebiet Baden und im Anbaugebiet Württemberg werden ab diesem Jahr durchgeführt. Der Weintourismus hat das Potenzial, den Weinbau und mit ihm verbundene Gewerke zu beleben und neue Wertschöpfung zu generieren.
Der aktuelle Nachfragerückgang führt zunehmend zur Aufgabe der Bewirtschaftung von Rebflächen. Ziel ist es, die Reblagen geschlossen und die Kulturlandschaft attraktiv zu erhalten. Hierzu wird das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in jedem Anbaugebiet ein Modellprojekt zum aktiven Rebflächenmanagement machen, um modellhaft Lösungsansätze zu entwickeln.
Die Rotationsbrache im Weinbau ist geeignet, um die Artenvielfalt und Bodenruhe zu fördern und die Weinbaulandschaft nachhaltig zu sichern. Der Aufwand ist mit einer Förderung von 2.500 Euro je Hektar und Jahr auszugleichen. Daher fordert Baden-Württemberg den Bund auf, den Prüfauftrag für die Einführung der Rotationsbrache über die Ökoregelung zügig positiv abzuschließen und umzusetzen.
Aufgelassene Rebflächen, die ohne jegliche Pflege sich selbst überlassen werden, beeinträchtigen das Landschaftsbild nachhaltig und können benachbarte Rebflächen durch ungebremste Vermehrung von Schaderregern in Mitleidenschaft ziehen. Daher prüft das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz gemeinsam mit der Branche, ob es über die im Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG) geregelte Mindestpflege hinaus Möglichkeiten gibt, der Entwicklung und Zunahme von Brachen zu begrenzen. Hierzu ist eine Anpassung im Landesweinrecht vorgesehen.
Die baden-württembergische Weinbranche muss sich stärker auf den Export ihrer Produkte fokussieren, um sich den aktuellen Marktentwicklungen anzupassen und neue Absatzkanäle zu erschließen, sowohl innerhalb Europas als auch international.
Die Exportbemühungen werden auf Landesebene durch Vernetzungsinitiativen unterstützt, beispielsweise durch Delegationsreisen sowie in Form des regelmäßig stattfindenden „Schmeck den Süden“-Erfahrungstausches Export.
Eine Stärkung der Weinwirtschaft soll künftig auch stärker durch Maßnahmen des Gemeinschaftsmarketings erfolgen.
Die Nutzung der Qualitätsprogramme des Landes (Qualitätszeichen Baden-Württemberg, Biozeichen Baden-Württemberg) oder der Europäischen Union (geschützte geografische Angabe und geschützte Ursprungsbezeichnung) kann dazu beitragen, Alleinstellungsmerkmale für Produkte zu identifizieren und diese entsprechend zu kommunizieren, um die Besonderheiten der baden-württembergischen Weine herauszustellen.
Mit dem Projekt „OPG Zukunftsweinbau Baden“ soll die Transformation des Weinbaus, zur flächendeckenden Umstrukturierung auf Piwis und Bio, einer eigenen Hefe und der Implementierung von Nachhaltigkeitskriterien für die geschützte Ursprungsregion Baden, über die Europäische Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-AGRI) unterstützt werden. Das geplante EIP-Projekt fokussiert auf die Region Baden, die als geschützte Ursprungsregion als nachhaltiges Anbaugebiet anerkannt werden möchte.
Das Projekt geht in diesem Jahr an den Start und wird bis Ende 2027 mit voraussichtlich rund 700.000 Euro unterstützt.
Deutschland erhält aus der Agrarreserve der Europäischen Union (EU) insgesamt 46,5 Millionen Euro, um Obst- und Weinbaubetriebe, die durch das Frostereignis im April 2024 Ertragsverluste hinnehmen mussten, zu unterstützen. Auch frostgeschädigte Betriebe, die am Förderprogramm Ertragsversicherung Obst- und Weinbau des Landes teilnehmen und bereits eine Versicherungsentschädigung erhalten haben, können zusätzlich die von der EU bereitgestellten Frostbeihilfen in Anspruch nehmen. Die Auszahlung der Frostbeihilfen erfolgt bis Ende April 2025.