Die Entlastungsallianz für Baden-Württemberg beschleunigt den Abbau bürokratischer Hürden mit einem weiteren Entlastungspaket (PDF).
Überregulierung im Land abbauen und Verwaltungsprozesse verschlanken
„Der Druck auf unsere Wirtschaft und unsere Kommunen ist enorm, unser Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit stehen auf dem Spiel. Deshalb haben wir als Landesregierung bereits früh eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Überregulierung im Land abzubauen und Verwaltungsprozesse zu verschlanken“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Dienstag, 3. Dezember 2024, in Stuttgart. Mit der Entlastungsallianz für Baden-Württemberg, den Strategiedialogen mit der Automobilwirtschaft und weiteren Schlüsselbranchen, der Task Force zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien oder auch dem Masterplan für die Transformation der Verwaltung und der Einführung von Praxischecks hat die Landesregierung bereits verschiedenste Formate aufs Gleis gesetzt, um den Bürokratieabbau wirksam voranzutreiben.
Der stellvertretende Ministerpräsident Thomas Strobl erklärte zur Entlastungsallianz: „Bürokratieabbau ist ein mühsames Geschäft, das sich freilich lohnt. Wir scheuen die Mühe deshalb nicht und drehen an allen Stellschrauben. Genau das ist der Grundgedanke unserer Entlastungsallianz. Das Ziel ist dabei glasklar: Wir wollen unnötige Bürokratie abbauen, Regelungen auf das Nötigste begrenzen und Bürgern, Kommunen und Unternehmern möglichst viel Freiheit geben. Da sind wir jetzt einen großen Schritt weitergekommen – auch wenn wir noch lange nicht am Ziel sind.“
Weiterhin ergänzte Strobl zum geplanten Gesetz zur Erprobung neuer Lösungen bei der kommunalen Aufgabenerledigung: „Unseren Städten, Gemeinden und Landkreisen wollen wir gestalterische Spielräume geben. Wir haben Vertrauen in die kommunal Verantwortlichen, dass sie die neue Freiheit verantwortungsvoll nutzen. Die kommunale Familie fordert ja seit Längerem – und das zu Recht –, überflüssige Standards abzubauen. Und da treffen die Kommunen bei der Landesregierung auf offene Ohren. Vor Ort kann und soll getestet werden, ob Verwaltungsverfahren beschleunigt, vereinfacht und kostengünstiger für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verwaltungen gestaltet werden können. In der Praxis gefundene, erfolgreiche Verbesserungen können dann landesweit und dauerhaft für alle Kommunen umgesetzt werden. Auf diese Weise nutzen wir aktiv die Sachkompetenz auf kommunaler Ebene für den Bürokratieabbau. Das Gesetz ist ein weiterer, ganz wichtiger Schritt beim Bürokratieabbau und gibt den Kommunen mehr Raum für Eigenverantwortung und Selbstregulierung.“
Staatsminister Dr. Florian Stegmann, der zugleich Koordinator der Landesregierung für Verwaltungsmodernisierung, Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung ist, ergänzte: „Mit dem nun vorliegenden dritten Entlastungspaket der Entlastungsallianz mit über 50 Einzelmaßnahmen bringen wir weitere substantielle Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger, die Verwaltung und vor allem die Wirtschaft auf den Weg.“ Damit habe man seit dem Start der Allianz im letzten Herbst bereits über 170 Problemanzeigen aus Wirtschaft und Kommunen erfolgreich lösen können, zudem wurden diverse Vorschläge zum Abbau oder zur Reform von Berichts- und Dokumentationspflichten erarbeitet. „Das zeigt: Wir haben das richtige Werkzeug gewählt. Mit der Entlastungsallianz gewinnt der Bürokratieabbau deutlich an Tempo“, so Stegmann. Dabei sei man noch nicht am Ende mit den Bemühungen. Um den festen Willen zum Bürokratieabbau zu unterstreichen, werde man im Ministerrat noch vor Weihnachten auch eine Selbstverpflichtung beschließen, um zukünftige Vorgaben der EU oder des Bundes so belastungsarm wie möglich umsetzen. „Wir werden also für den Rest der Legislaturperiode bei der Umsetzung höherrangigen Rechts, von begründeten Ausnahmen abgesehen, nicht noch etwas draufsatteln“, so Stegmann. „Wir gehen zudem die komplexen, sehr grundsätzlichen Probleme an. Hierzu gehört beispielsweise das Thema Haftungsrecht, das zu immer höheren Standards und übervorsichtigem Verwaltungshandeln führt. Und wir werden in den kommenden Wochen weitere politische Vorhaben beschließen, um dem Bürokratieabbau einen noch stärkeren Schub zu verleihen.“
Wichtiger und richtiger Schritt in Richtung einer spürbaren Entlastung von Wirtschaft und Verwaltung
Für die acht Verbände erklärten Präsident Steffen Jäger (Gemeindetag Baden-Württemberg), Präsident Dr. Frank Mentrup (Städtetag Baden-Württemberg), Präsident Joachim Walter (Landkreistag Baden-Württemberg), Präsident Dr. Jan Stefan Roell (Baden-Württembergischer Industrie- und Handelskammertag), Präsident Rainer Reichhold (Handwerk Baden-Württemberg), Hauptgeschäftsführer Oliver Barta (Unternehmer Baden-Württemberg), Präsident Dr. Matthias Neth (Sparkassenverband Baden-Württemberg), Präsident Dr. Ulrich Theileis (Genossenschaftsverband Baden-Württemberg) gemeinsam:
„Das nun beschlossene Entlastungspaket ist ein wichtiger und richtiger Schritt in Richtung einer spürbaren Entlastung von Wirtschaft und Verwaltung. Gerade die Selbstverpflichtung der Landesregierung, grundsätzlich auf die Übererfüllung der EU- und Bundesstandards im Landesrecht – das sogenannte Goldplating – zu verzichten, macht deutlich, dass es über Einzelmaßnahmen hinaus auch eine Neuausrichtung der Rechtssetzung als Ganzes geben soll. Aus der Perspektive der Wirtschaftsverbände sind darüber hinaus vor allem die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren mit dem Projekt ‚Eigenverantwortlicher Vorhabenträger‘, der Abbau von Berichts- und Dokumentationspflichten im Landesrecht, die Sensibilisierung und Vereinheitlichung bei Vergabeverfahren, die zugesagten Vereinfachungen im Gaststättenrecht, die Vereinfachung bei Prüfaufwänden und bei Verwendungsnachweisen von Projektförderungen, die angestrebte Verbreitung der automatisierten Erfüllung von Statistikpflichten und die Entlastung der Ausländerbehörden hervorzuheben. Mit Blick auf die Bundesebene würden vor allem die geeinten Vorschläge zur Vereinfachung im Steuerrecht eine spürbare Erleichterung bringen.“
Die Verbände erklärten weiter: „Aus kommunaler Sicht sind das angekündigte Standarderprobungsgesetz, die nochmalige Erhöhung der Wertgrenzen im Vergaberecht, die Überprüfung der Freistellungsregelungen nach dem Landespersonalvertretungsgesetz, die Erleichterungen und Flexibilisierungen beim Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz (WTPG) sowie die Bundesratsinitiative zum Bundesteilhabegesetz von zentraler Bedeutung. Perspektivisch können die Gutachten zur Reichweite von Informationsfreiheitsrechten und der Haftungsbegrenzung der öffentlichen Hand zudem wichtige Impulse liefern, um weiteres Entlastungspotenzial aufzuzeigen. Mit diesem Maßnahmenpaket hat die Entlastungsallianz belegt, dass sie substanzielle Ergebnisse liefern kann. Dies muss auch der Anspruch für die nächsten Monate sein. Gerade im Hinblick auf die vorgezogene Bundestagswahl sollte der Fokus darauf gerichtet werden, über gezielte Bundesratsinitiativen auch Entlastungen und Deregulierungen im Bundesrecht zu forcieren. Klar ist, dass die nun vereinbarten Inhalte nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn bei künftigen Bundes- und Landesgesetzen ganz bewusst weitere Belastungen für Wirtschaft und Kommunen vermieden werden.“
Um es den Kommunen in Baden-Württemberg zu ermöglichen, neue Lösungen bei der kommunalen Aufgabenerledigung und der kommunalen Zusammenarbeit zu erproben, wird ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Hiermit werden Abweichungen von landesrechtlichen Regelungen zugelassen, um so in der kommunalen Praxis innovative Verwaltungslösungen testen zu können. Die hier gemachten Erfahrungen werden helfen, Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und kostengünstiger zu gestalten.
Das derzeitige Gaststättenrecht in Baden-Württemberg sieht ein vorgeschaltetes Erlaubnisverfahren vor: Um eine Gaststätte eröffnen zu können, müssen mehrere Nachweise und Dokumente eingereicht werden. Wie in anderen Ländern reicht es zukünftig aus, die Behörde auf die Eröffnung hinzuweisen. Auch die Gestattungspflicht für reisegewerbliche Gaststätten – wie etwa ein temporärer Bierausschank auf einem Volksfest – entfällt. Gleichzeitig bleiben die fachrechtlichen Eingriffsmöglichkeiten der Bau- und Immissionsschutzbehörden erhalten. Weiteres Element der Modernisierung ist die umfassende Überarbeitung der Unterrichtung durch die Industrie- und Handelskammern für Betreiberinnen und Betreiber von Gaststätten. Ziel ist eine zeitgemäße Vermittlung von lebensmittelrechtlichen Belangen und weiteren Aspekten des gaststättengewerblichen Handelns. Hiermit wird die Eigenverantwortung der Gaststätteninhaber gestärkt.
Das Justizministerium hat Abläufe in ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren verschlankt. So muss zum Beispiel nicht mehr die Zustimmung der Regierungspräsidien zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf Grundlage der Beschäftigungsverordnung eingeholt werden. Diese Änderung ist seit dem 1. November 2024 in Kraft. Durch diese Maßnahme hat die Entlastungallianz den unteren Ausländerbehörden mehr selbsttätige Entscheidungen zugesprochen und eine wirksame Entlastung der Ausländerbehörden und der Regierungspräsidien erzielt, da hierdurch die Fertigung zeitaufwändiger Vorlageberichte durch die Ausländerbehörden und eine intensive nochmalige Prüfung durch die Regierungspräsidien entfällt. Die Verwaltungsverfahren werden somit insgesamt beschleunigt.
Neben dem Wohn-, Teilhabe- und Pflegegesetz in einer stark reduzierten Form soll zukünftig nur noch eine Rechtsverordnung bestehen bleiben. In dieser sollen Mindestanforderungen der Landesheimbauverordnung und Landespersonalverordnung zusammengeführt werden. Diese geplanten Änderungen sollen zu spürbaren Entlastungen der Einrichtungsträger und Heimaufsichtsbehörden führen: Insbesondere Nachweis- und Dokumentationspflichten – wie beispielsweise die Anzeige der vorgesehenen Zahl der Stellen der Beschäftigten, aufgeschlüsselt nach Funktionsbereich sowie Qualifikationsniveau – sollen deutlich reduziert und die Regelprüfungen der stationären Einrichtungen auf Stichprobenprüfungen umgestellt werden.
Erforderliche Genehmigungen verursachen sowohl bei den Vorhabenträgern als auch den Behörden regelmäßig erheblichen Aufwand. Mit Blick darauf wurde in der Entlastungsallianz ein innovatives Prüfschema erarbeitet. Anhand dessen können jetzt Fälle identifiziert werden, in denen gesetzliche Genehmigungen ganz entfallen oder durch alternative, einfachere Verfahren ersetzt werden können. Die dafür notwendigen gesetzlichen Änderungen stärken am Ende die Eigenverantwortung von Vorhabenträgern und entlasten gleichzeitig die Verwaltungsbehörden deutlich. Vor allem aber können Verwaltungsverfahren so deutlich beschleunigt werden.