Seit dem 1. Dezember 2015 gelten in der Gemeindeordnung neue Regeln im Bereich Bürgerbeteiligung, direkte Demokratie sowie im Verhältnis Verwaltung und Gemeinderat. Die Regeln sollen grundsätzlich die Beteiligungs- und Entscheidungsmöglichkeiten der Bevölkerung (insbesondere auch der Jugendlichen) in den Kommunen erweitern oder vereinfachen, sowie die Gremienarbeit für kommunale Mandatsträgerinnen und –träger verbessern.
In den folgenden Abschnitten werden die neuen Regelungen zusammenfassend dargestellt. Im Abschnitt „Gesetz” finden Sie Links zu dem Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie zur aktuell gültigen Gemeindeordnung. Bitte haben Sie Verständnis, dass die neue Gesetzeslage nicht vollumfänglich an dieser Stelle wieder gegeben werden kann.
Das Unterschriftenquorum für Bürgerbegehren und das Abstimmungsquorum bei Bürgerentscheiden wurden gesenkt. Für ein gültiges Bürgerbegehren müssen seit dem 1. Dezember 2015 sieben statt zehn Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben. Die Obergrenze von maximal 20.000 Unterschriften bleibt bestehen. Die bisherige Staffelung nach der Gemeindegröße entfällt. Die weiteren Formalia für ein Bürgerbegehren erfahren Sie im nächsten Abschnitt.
Damit ein Bürgerentscheid gültig und für die Verwaltung verbindlich ist, muss die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Ja-Stimmen oder Nein-Stimmen) ein Zustimmungsquorum, eine bestimmte Stimmenhöhe bezogen auf alle Stimmberechtigten, erreichen. Dieses Quorum lag bislang bei 25 Prozent und wurde nunmehr auf 20 Prozent abgesenkt. Stimmen zum Beispiel 60 Prozent der Abstimmenden im Bürgerentscheid gegen die Vorlage, so ist der Entscheid nur dann gültig, wenn diese 60 Prozent mindestens 20 Prozent ALLER Stimmberechtigten entsprechen.
Mittels eines Bürgerbegehrens kann erreicht werden, dass alle Bürgerinnen und Bürger über eine Sachfrage abstimmen können. Die Vertrauensleute müssen dem Bürgerbegehren neben den Unterschriften und einer Begründung auch weiterhin in bestimmten Fällen einen Kostendeckungsvorschlag beifügen. Neu dabei ist, dass sich die Vertrauensleute bei der Gemeindeverwaltung zur Sach- und Rechtslage bezüglich eines Kostendeckungsvorschlags beraten lassen können. Damit wird gewährleistet, dass die Vertrauenspersonen auch in der Lage sind, einen Kostendeckungsvorschlag erstellen zu können. Bis zu drei Personen können als Vertrauenspersonen auf dem Unterschriftenblatt mit Namen und Anschrift benannt werden. Sind keine Vertrauenspersonen benannt, gelten die beiden ersten Unterzeichner als Vertrauenspersonen. Nur die Vertrauenspersonen sind - jede für sich - berechtigt, verbindliche Erklärungen zum Antrag abzugeben und entgegenzunehmen.
Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen konkreten Gemeinderatsbeschluss, muss es innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Beschlusses eingereicht werden. Diese Frist wurde von sechs Wochen auf drei Monate verlängert.
Neu ist auch, dass der Gemeinderat innerhalb von zwei Monaten über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens zu entscheiden hat. Die Vertrauensleute sind dabei anzuhören. Wie bisher muss der Bürgerentscheid nicht stattfinden, wenn der Gemeinderat das Bürgerbegehren übernimmt und die darin geforderte(n) Maßnahme(n) beschließt.
Der Bürgerentscheid muss nunmehr innerhalb von vier Monaten durchgeführt werden, nachdem der Gemeinderat ihn für zulässig erklärt hat. Diese Frist kann verlängert werden, wenn die Vertrauenspersonen zustimmen. Das kann zum Beispiel dazu dienen, mehr Zeit für einen Faktencheck oder für Verhandlungen zwischen Vertrauensleuten und Verwaltung zu haben.
Findet ein Bürgerentscheid statt, muss den Bürgerinnen und Bürgern die Auffassung der Gemeindeorgane spätestens bis 20 Tage vor der Abstimmung dargestellt werden. Neu ist, dass die Vertrauenspersonen dabei ihre Auffassung im gleichen Umfang darstellen dürfen, wie die Gemeindeorgane.
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, wurden mit der aktuellen Gesetzesänderung ausgebaut. Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche zukünftig in angemessener Weise beteiligen. Wie dies ausgestaltet wird, ist abhängig von dem jeweiligen Vorhaben und liegt im Ermessen der Gemeinde. Sie soll geeignete Maßnahmen entwickeln.
Die Gemeinde kann dafür zum Beispiel einen Jugendgemeinderat oder eine andere Form der Jugendvertretung einführen. Jugendliche können dies seit dem 1. Dezember 2015 auch beantragen. In Gemeinden mit bis zu 20.000 Einwohnern muss dieser Antrag von 20 Jugendlichen unterzeichnet werden, in Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern von 50 Jugendlichen, mit bis zu 200.000 Einwohnern von 150 und in Gemeinden mit über 200.000 Einwohnern von 250 Jugendlichen.
Die Gemeindeordnung regelt nun auch, dass eine Gemeinde, die eine Jugendvertretung einrichtet, ihr Rede-, Anhörungs- und Antragsrechte im Gemeinderat einräumen muss. Zudem muss der Gemeinderat der Jugendvertretung angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung stellen.
Die Einwohnerinnen und Einwohner können beantragen, dass der Gemeinderat eine kommunale Angelegenheit, für die der Gemeinderat zuständig ist, behandeln soll. Zu dem Anliegen darf es in den sechs Monaten zuvor nicht bereits einen Antrag gegeben haben. Neu ist, dass nicht mehr nur Bürgerinnen und Bürger diesen Antrag unterzeichnen können (sogenannter Bürgerantrag), sondern alle Einwohnerinnen und Einwohner, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und seit mindestens drei Monaten in der Gemeinde gemeldet sind. Auch die Hürden für einen Antrag wurden gesenkt. In Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern müssen drei Prozent aller Einwohnerinnen und Einwohner, aber höchstens 200, den Antrag unterstützen. In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern müssen 1,5 Prozent den Antrag unterstützen, mindestens aber 200 und höchstens 2.500.
Im Einwohnerantrag können – wie beim Bürgerbegehren – bis zu drei Vertrauenspersonen benannt werden, die berechtigt sind, verbindliche Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen.
Ist der Antrag zulässig, muss der Gemeinderat oder der zuständige Ausschuss den Antrag innerhalb von drei Monaten behandeln und dabei die Vertrauenspersonen des Einwohnerantrags anhören.
Kommunen sollen auch weiterhin einmal im Jahr eine Einwohnerversammlung einberufen. Sie soll sich nicht nur an die Bürgerinnen und Bürger, sondern an alle Einwohnerinnen und Einwohner richten. Die Versammlung kann deshalb zukünftig auch von Einwohnerinnen und Einwohnern beantragt oder mit beantragt werden und nicht nur von Wahlberechtigten. Deshalb wird die Bürgerversammlung in Einwohnerversammlung umbenannt und es werden die Hürden für eine Einberufung gesenkt. In Gemeinden mit nicht mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern muss dieser Antrag von fünf Prozent, höchstens aber von 350 Einwohnerinnen und Einwohnern unterzeichnet werden. In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern liegt die Hürde bei 2,5 Prozent, mindestens aber 350 und höchstens 2.500 antragsberechtigten Personen.
Die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung enthalten seit dem 1. Dezember 2015 dafür nun auch eine gesetzliche Grundlage zu Fraktionen in kommunalen Vertretungsorganen und ihre Rechte. Die Kommunen können in ihren Geschäftsordnungen Regelungen über die Bildung der Fraktionen, die Mindestzahl ihrer Mitglieder, die Rechte und Pflichten der Fraktionen sowie eine finanzielle Ausstattung der Fraktionen treffen, Gleichzeitig werden einige Antragshürden gesenkt. So sinkt die Hürde für das Recht auf Unterrichtung und das Recht, einen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, von einem Viertel auf ein Sechstel der Räte. Fraktionen erhalten diese Rechte per Gesetz. Unverändert bleibt, dass ein Viertel der Räte Akteneinsicht oder eine Sondersitzung verlangen können. Fraktionen haben das Recht, ihre Auffassung zu Angelegenheiten der Gemeinde im Amtsblatt zu veröffentlichen.
Die Kommunen müssen eine Erstattungsregelung für die Kosten einführen, die den Gemeinde- oder Kreisräten entstehen, wenn sie pflege- oder betreuungsbedürftigen Angehörigen entgeltlich betreuen lassen, um ihr kommunales Ehrenamt ausüben zu können.
Bislang war für Gemeinden unter 10.000 Einwohnern geregelt, dass Familienangehörige nicht gleichzeitig Angehörige des Gemeinderats sein konnten. Diese „familiären Hinderungsgründe“ werden ab der Kommunalwahl 2019 entfallen.
Die Arbeit der Kommunen (Gemeinden und Landkreise) soll transparenter werden. Insbesondere wird geregelt, dass Beratungsunterlagen in der Regel mindestens sieben Tage vor der Sitzung an die Räte übermittelt werden müssen, damit die Gemeinde- oder Kreisräte ausreichend Gelegenheit haben, sich vorzubereiten. Seit 30. Oktober 2016 besteht für diese Unterlagen und auch die Beschlüsse eine Pflicht zur Veröffentlichung auf der Internetseite der Kommune, wenn diese über ein elektronisches Ratsinformationssystem verfügt. Zudem dürfen Gemeinderäte zukünftig die Inhalte von Beratungsunterlagen für öffentliche Sitzungen mit Ausnahme von personenbezogenen Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Wahrnehmung ihres Amtes bekannt geben. Somit ist gewährleistet, dass Gemeinde- oder Kreisräte zum Beispiel in ihren Wählervereinigungen/Parteien oder öffentlich über die Inhalte diskutieren und sich eine Meinung bilden können.
Vorberatungen in beschließenden Ausschüssen waren bislang nicht-öffentlich. Die Vorberatungen können nunmehr auch öffentlich sein. Näheres hat die Gemeinde zu bestimmen.
Amtliche Bekanntmachungen können zukünftig auch im Internet erfolgen.