Der Suchlauf nach dem Standort für ein neues Gefängnis im südlichen Landesteil schreitet weiter voran. Der Standort Esch bei Rottweil sowie das Gelände der ehemaligen Zollernalb-Kaserne bei Meßstetten standen zuletzt im Fokus. Wie es dazu kam und wie das Verfahren dann weiter ging, finden Sie in unseren Fragen und Antworten.
Die Situation in den vielen alten Vollzugseinrichtungen im Süden Baden-Württembergs ist angespannt. Die Hafträume sind klein und eng. Um den Insassen Behandlung und Arbeit anbieten zu können, fehlt regelmäßig der Platz. Deshalb sollen die vielen kleinen, veralteten Vollzugseinrichtungen im südlichen Landesteil zu einer großen, modernen Einrichtung zusammengelegt werden, die dann auch wirtschaftlich wäre. Der Landesrechnungshof hat bereits in seiner Denkschrift 2006 die Schließung kleinerer Vollzugseinrichtungen insbesondere aus personalwirtschaftlichen Gründen dringend empfohlen und zugleich die Schaffung größerer Einheiten gefordert.
Die Matrix wird in einer anderen Darstellungsform fortgeführt. Sie geht in umfassenden Standorterläuterungen auf. Alle bislang verwendeten Kriterien bleiben erhalten. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse werden übernommen. Kurz zusammengefasst: Die Landesregierung gibt die Form auf, aber nicht die Inhalte.
Diese Entscheidung beruht auf den Erfahrungen aus dem Beteiligungsverfahren in Tuningen: Die Landesregierung kam zu dem Schluss, dass sich die Matrix nur unzureichend dafür eignete, die Abwägung darzustellen. Sie wurde von den Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer Komplexität und Darstellung teilweise nur schwer nachvollzogen oder sogar missverstanden. Die Matrix erweckte den Anschein, dass man nur die Punkte zusammenzählen musste, um zu einer zwingenden Entscheidung zu kommen. So einfach ist es aber nicht: Bei der Standortsuche müssen zunächst Kriterien erarbeitet, dann bewertet und zum Schluss gewichtet werden. Der letzte Schritt — die Gewichtung und Abwägung der bewerteten Kriterien — obliegt der Landesregierung.
Im Rahmen des Dialogverfahrens mit den Kommunen fand Mitte April ein weiteres Gespräch mit dem Oberbürgermeister von Rottweil und dem Bürgermeister von Meßstetten statt. Im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Juni haben die Kommunen Meßstetten und Rottweil nun Zeit, sich gegenüber dem Land zum jeweils im Suchlauf verbliebenen Standort zu äußern und Rückmeldung zu den Standorterläuterungen zu geben. Die Kommunen können die Kriterien ergänzen und Bewertungsvorschläge machen. Die Kommunen können eine Bürgerbeteiligung durchführen, wobei das Staatsministerium gerne beratend tätig wird. Über das Ob und Wie der Bürgerbeteiligung entscheiden die beiden Kommunen selbst. Danach werden die Standorterläuterungen aktualisiert. Eine abschließende Standortentscheidung soll im Sommer 2015 getroffen werden.
2006: Der Landesrechnungshof prüft die Wirtschaftlichkeit der Vollzugseinrichtungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass kleine JVAs unwirtschaftlich sind. Er fordert, größere Einheiten zu schaffen.
2007: Das Haftplatzentwicklungsprogramm des Landes sieht vor, die bestehende Kleinteiligkeit der baden-württembergischen Vollzugslandschaft aufzulösen und zentrale Vollzugsschwerpunkte zu bilden. Neben der Nachverdichtung bestehender Einrichtungen (Justizvollzugsanstalten Heilbronn und Stuttgart) und der schließlich im Jahr 2009 in Betrieb gegangenen Justizvollzugsanstalt Offenburg ist zentraler Bestandteil dieses Konzepts die Bildung eines bislang fehlenden Vollzugsschwerpunkts im südlichen Landesteil.
2011: Nach der Landtagswahl wird ein neuer Standortsuchlauf für den Neubau einer JVA gestartet.
2012/2013: Standortsuchlauf im Raum Rottweil, Donaueschingen und Tuttlingen. Nach der Bewertungsmatrix erreichen die landwirtschaftlich genutzten Standorte bei Tuningen und Weigheim sowie der Standort „Liapor“ die vorderen Plätze und werden näher untersucht.
2013: Baugrunduntersuchungen dieser Standorte ergeben Vorteile für den Standort „Liapor“ in Tuningen.
6. Juli 2014: Bürgerentscheid in Tuningen. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden sich gegen eine JVA in Tuningen. Die verbliebenen Standorte in Villingen-Schwenningen (Weigheim), Rottweil und Meßstetten werden vertiefend geprüft und weiter untersucht.
30. Januar 2015: Nach geologischen und liegenschaftlichen sowie baulichen Untersuchungen verbleiben die Standortvorschläge in Rottweil (Bitzwäldle, Hochwald und Esch) und bei Meßstetten.
13. April 2015: Der weitere Suchlauf konzentriert sich auf die beiden Standorte Esch bei Rottweil und das Gelände der ehemaligen Zollernalb-Kaserne bei Meßstetten.
In Tuningen hat der Gemeinderat die Durchführung eines Bürgerentscheids beschlossen. Es handelte sich um eine förmliche Abstimmung. Diesen Weg kann eine Gemeinde auf Grund ihres Selbstverwaltungsrechts gehen.
Die Landesregierung einigte sich bereits vor dem Bürgerentscheid darauf, den Ausgang des Bürgervotums zu akzeptieren. Dies geschah auf freiwilliger Basis.
Es standen weitere Standorte in den Kommunen Rottweil, Meßstetten und Villingen-Schwenningen zur Auswahl. Ergänzende und vertiefte Untersuchungen wurden durchgeführt. Da sich gezeigt hat, dass die Standorte Weigheim (Villingen-Schwenningen) und Stallberg (Rottweil) für den Bau einer JVA nicht geeignet sind, wurde der Suchlauf zunächst auf vier Standorte beschränkt, nämlich Esch, Bitzwäldle und Hochwald in Rottweil sowie Meßstetten. Nachfolgend wurde der Suchlauf auf die Standorte Rottweil-Esch und Meßstetten konzentriert. Beide Kommunen wünschen die Ansiedlung einer JVA auf ihrer Gemarkung. Aufgabe der Landesregierung ist es, im Dialog mit den beteiligten Kommunen und den Menschen vor Ort, den am besten geeigneten Standort zu ermitteln.
Für den Standort Weigheim bei Villingen-Schwenningen ergab die im Jahr 2013 durchgeführte Baugrunduntersuchung einen sehr hohen, teilweise bis an die Geländeoberkante heranreichenden Grundwasserstand sowie quellfähiges Material (Pyrit) im Untergrund. Beide Umstände bewirken erhebliche Probleme bei einer Bebauung. Hinzukommt, dass das bei Weigheim angebotene Grundstück von seiner Form her (längliches Handtuchgrundstück) nicht für eine Überbauung mit einer Haftanstalt mit bis zu 500 Haftplätzen geeignet ist.
Das vom Land in Auftrag gegebene geotechnische Gutachten der Universität Stuttgart für den Standort Stallberg in Rottweil schließt mit der Schlussfolgerung, dass sich auf Grund der geologischen Situation an diesem Standort für großflächige Gebäude mit größeren Geländeeinschnitten überdurchschnittliche geologische Risiken ergeben. Um diese Risiken zu minimieren, müsste zunächst eine Vorplanung für den Stallberg erstellt werden. Auf der Grundlage dieser Planung wäre dann für die konkreten Gebäudestandorte ein weiteres Baugrund- und Gründungsgutachten zu erstellen, das Aufschluss über die zusätzlich zu ergreifenden baulichen Sicherungsvorkehrungen gibt. Die Kosten für eine solche Vorplanung, abgeleitet von den voraussichtlichen Gesamtbaukosten, bewegen sich, nach Schätzung von Vermögen und Bau Amt Konstanz, allerdings bereits in der Größenordnung von rund 2,2 Millionen Euro. Selbst bei Inkaufnahme aller Mehrkosten und Minimierung aller Risiken verbleibt angesichts der Bodenbeschaffenheit selbst dann noch ein nicht ausschließbares, erhebliches Restrisiko. Danach bestehen also gewichtige Restrisiken, die nicht ausgeschlossen werden können.
Die Gutachten zu beiden Standorten können Sie herunterladen.
Das vom Land in Auftrag gegebene Gutachten hebt insbesondere zwei wesentliche geotechnische Risiken hervor: Danach besteht der Baugrund am Stallberg in hohem Maße aus quellfähigem Gipskeuper in Verbindung mit großen Karsthohlräumen. Diese beiden geologischen Phänomene sind die risikoreichsten beim Bauen in Baden-Württemberg. Die Wahrscheinlichkeit, dass es bei einer Überbauung mit großen JVA-Baukörpern zu Hebungsschäden aufgrund der Quellkräfte und zu Verbruchschäden aufgrund der Hohlräume kommen könnte, ist äußerst hoch.
Die zweifelsohne bestehenden Risiken könnten zwar durch bauliche Sicherungsvorkehrungen unter Umständen minimiert, aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Angesichts der Bodenbeschaffenheit würde danach selbst bei Inkaufnahme aller Mehrkosten und Minimierung aller Risiken dennoch ein nicht ausschließbares, gewichtiges Restrisiko verbleiben.
Die Landesregierung kann und will beim Umgang mit Steuergeldern ein solches Restrisiko jedoch nicht in Kauf nehmen, zumindest solange der Bau an einem anderen Standort – und zwar ohne die oben beschriebenen Risiken – grundsätzlich möglich ist. Das Land hält deshalb an seiner Entscheidung, den Standort Stallberg aus dem Suchlauf auszuscheiden, fest.
Neben den Standorten in Rottweil (Bitzwäldle, Hochwald, Esch und Stallberg), in Villingen-Schwenningen (Weigheim), Dietingen und Tuningen (angrenzend an Weigheim sowie Liapor-Gelände) befanden sich bereits 2012 Standorte in Meßstetten, Hechingen und Rottenburg im Suchlauf.
Da die Bundeswehr Stützpunkte in Baden-Württemberg aufgegeben hat, hat das Kabinett am 24. Juli 2012 ausdrücklich beschlossen zu prüfen, ob die betroffenen Kommunen bei anstehenden Projekten des Landes berücksichtigt werden können.
Die Landesregierung hat sich darauf verständigt, dass in einem ersten Schritt zunächst die Festlegung der Kriterien für die Entscheidungsfindung erfolgt. Die den Erläuterungen zu den Standorten zu entnehmenden Kriterien sind dabei momentan Grundstück, Nachbarbebauung, Bebaubarkeit, Erschließung, Recht (Natur, Forst, Wasser), Kommunalpolitik, vollzugliche Belange, Strukturpolitik und gesellschaftliche Akzeptanz. Die beiden Kommunen haben nun im Rahmen des Dialogverfahrens bis Mitte Juni Gelegenheit, zu diesen Erläuterungen Stellung zu nehmen und sie um eigene Erwägungen zu ergänzen.
Auf Basis der Rückmeldung wird die Landesregierung dann in den weiteren Schritten eine Bewertung und Gewichtung vornehmen. Die Gespräche mit Rottweil und Meßstetten werden dabei im engen Miteinander natürlich fortgesetzt. Erst danach wird die Landesregierung im Einvernehmen eine abschließende Entscheidung über den Standort treffen. Weil sich die Standorte von der Bebaubarkeit in liegenschaftlicher und baulicher Sicht nahezu als gleichwertig darstellen, wird dabei einigen Punkten (kommunales Einvernehmen, gesellschaftliche Akzeptanz, vollzugliche Belange, Belange des Naturschutzes oder strukturpolitische Gesichtspunkte, die auch das Thema Konversion umfassen) ein besonderes Gewicht zukommen.
Die Priorisierung des Standorts Esch bei Rottweil ist eine Entscheidung der Landesregierung, die diese im Dialog mit der Stadt Rottweil getroffen hat. Im Gespräch am 13. April 2015 hat die Landesregierung mit den Vertretern der Stadt Rottweil ergebnisoffen die Vor- und Nachteile der verbliebenen Rottweiler Standorte (Bitzwäldle, Hochwald und Esch) intensiv erörtert. Dabei hat sich gezeigt, dass der Standort Esch gewichtige Vorteile aufweist. Hierüber bestand zwischen allen Beteiligten Einigkeit. Das Land ist mit dieser Festlegung auf den Esch dem Wunsch der Stadt Rottweil nach Priorisierung unter den dortigen drei Standorten nachgekommen.
Im Vergleich zu den Standorten Hochwald und Bitzwäldle in Rottweil hat der Standort Esch gewichtige Vorteile.
Der Hochwald grenzt unmittelbar an den Weiler Hochwald, wo etwa 50 Menschen leben. Eine Justizvollzugsanstalt in der unmittelbaren Nachbarschaft würde sich nachteilig auf diese dörfliche Struktur auswirken. Angesichts der exponierten Lage würde ein solcher Bau außerdem das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Des Weiteren bestand wegen der planerischen Vorbelastung von Konzentrationsflächen für Windenergieanlagen eine nicht unerhebliche Ungewissheit im Hinblick auf Konkurrenz zum Neubau eines Gefängnisses. Das Bitzwäldle wiederum liegt mitten in einem Waldgebiet mit Nasswiesen und Auenwaldfragmenten und ist daher ökologisch deutlich höher einzustufen.
Der Standort Esch dagegen befindet sich zwar in der Nähe zu einem Natur- und einem Landschaftsschutzgebiet, es handelt sich aber um intensiv genutzte Ackerflächen von geringer naturschutzfachlicher Wertigkeit. Eine Wohnbebauung gibt es in der unmittelbar angrenzenden Umgebung nicht. Zudem bieten sich darüber hinaus neue Entwicklungsmöglichkeiten: Im Zuge des Neubaus der Justizvollzugsanstalt könnte eine Talverbindung für Wanderer und Radfahrer zum nahe gelegenen Naturschutzgebiet Neckarburg geschaffen werden, wodurch der Tourismus vor Ort gestärkt würde.
Das Land ist mit der Festlegung auf den Standort Esch dem Wunsch der Stadt Rottweil nach Priorisierung der dortigen Standorte nachgekommen.
„Ruhen“ in diesem Sinne bedeutet, dass die Standorte Hochwald und Bitzwäldle in Rottweil erst dann wieder in den Suchlauf einbezogen werden, wenn die beiden verbliebenen Standorte (Rottweil-Esch und Meßstetten) aus nicht vorhersehbaren Gründen früher oder später aus dem Suchlauf ausscheiden würden. Nur wenn dies der Fall sein sollte, kommen die momentan ruhenden Standorte wieder ins Spiel. Die Entscheidung wird nun also zwischen Rottweil-Esch und Meßstetten fallen.
Wenn das neue Gefängnis eröffnet ist, sollen die JVAs in Rottweil, Hechingen, Oberndorf, Villingen-Schwenningen, Waldshut-Tiengen und Tübingen geschlossen werden.
Zwei Drittel der vom Land betriebenen Gefängnisse wurden noch vor dem Ersten Weltkrieg gebaut. Manche Gebäude sind teilweise marode und müssen saniert werden. Die kleinen Einrichtungen bieten nicht immer genügend Platz für moderne Resozialisierungsprogramme, z. B. Arbeitsplätze. Manche liegen mitten in Städten und können nicht erweitert werden. Deshalb sollen sechs Vollzugseinrichtungen geschlossen werden. Die kleinen Anstalten sind auch teuer im Unterhalt: In großen Gefängnissen liegen die Personalkosten für einen Häftling bei 70 Euro pro Tag, in den kleineren hingegen bei rund 90 Euro.