Wir haben die wichtigsten Fakten, Fragen und Antworten zum Änderungsentwurf der Kommunalverfassung zusammengestellt.
Mit den Änderungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden sollen direktdemokratische Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürgern auf kommunaler Ebene, auch außerhalb von regelmäßigen Wahlen, erleichtert werden. Die Zahl der notwendigen Unterschriften für ein Bürgerbegehren wird von zehn Prozent der Wahlberechtigten auf sieben Prozent gesenkt. Die nach Gemeindegrößen gestaffelte Regelung wird aufgegeben. Die bislang gültige maximale Obergrenze von 20.000 Unterschriften bleibt bestehen.
Die Frist für Bürgerbegehren gegen Beschlüsse des Gemeinderats wird von sechs Wochen auf drei Monate verlängert. Weiterhin sind bestimmte Themen vom Bürgerentscheid und Bürgerbegehren ausgenommen. Dazu zählt zum Beispiel die Bauleitplanung, also etwa die Aufstellung eines Bebauungsplans. Von diesem sogenannten Negativkatalog wird der verfahrenseinleitende Beschluss im Bauleitplanverfahren (in der Regel der Aufstellungsbeschluss) künftig ausgenommen.
Die Gesetzesänderung sieht weiterhin vor, die Rechte der Vertrauenspersonen zu stärken. Der Gemeinderat hört sie an, bevor er über ein Bürgerbegehren entscheidet. Die Gemeinde muss zur Erstellung des Kostendeckungsvorschlages den Vertrauensleuten Auskünfte zur Sach- und Rechtslage geben. Es gibt Fristen für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens und für die Durchführung des Bürgerentscheids. Das soll Verzögerungen vermeiden.
Kommt es zum Bürgerentscheid, gilt bisher ein sogenanntes Zustimmungsquorum von 25 Prozent. Dieses soll durch die Gesetzesänderung auf 20 Prozent gesenkt werden, das heißt der Bürgerentscheid ist gültig, wenn die Mehrheit der Abstimmenden mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten entspricht. Im Einvernehmen mit den Vertrauensleuten kann ein Bürgerentscheid später durchgeführt werden. Vor dem Bürgerentscheid informiert die Gemeinde die Stimmberechtigen über den Inhalt des Bürgerentscheids und über die Auffassung der Gemeindeorgane. Die Position der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens muss im gleichen Umfang dargestellt werden.
Auch Einwohnerinnen und Einwohner ab 16 Jahren, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzen oder die mit Zweitwohnsitz in der Gemeinde gemeldet sind, dürfen in Zukunft eine Versammlung beantragen. Sie erhalten damit die Möglichkeit, kommunale Themen zu beeinflussen. Deshalb wird die Bürgerversammlung in Einwohnerversammlung umbenannt.
Die Gesetzesänderung sieht zudem Neuerungen im Hinblick auf Fristen und Quoren vor. Der Versammlungsantrag darf nach noch geltender Rechtslage nur Themen betreffen, die nicht innerhalb des letzten Jahres bereits Gegenstand einer Einwohnerversammlung waren; dieser Zeitraum wird auf sechs Monate verkürzt. Des Weiteren wird die bisherige Unterschriftenhürde von zehn Prozent abgesenkt.
Der Antrag für eine Einwohnerversammlung in Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern muss in Zukunft noch von mindestens fünf Prozent, jedoch höchstens 350 Einwohnerinnen und Einwohnern unterschrieben werden. Für Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern müssen 2,5 Prozent unterzeichnen. Dabei gelten ergänzend absolute Grenzen. So müssen mindestens 350 und höchstens 2.500 Einwohner den Antrag unterzeichnen.
Die Berechtigung, einen Antrag auf Behandlung einer bestimmten Angelegenheit im Gemeinderat zu stellen, ist bisher wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern vorbehalten. Künftig dürfen auch Einwohnerinnen und Einwohner ab 16 Jahren, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates besitzen oder die mit Zweitwohnsitz in der Gemeinde gemeldet sind, einen entsprechenden Antrag unterstützen. Sie erhalten damit die Möglichkeit auf kommunale Themen Einfluss zu nehmen. Deshalb wird der Bürgerantrag in Einwohnerantrag umbenannt.
Auch die Fristenregelungen beim Einwohnerantrag werden angepasst. Ein Einwohnerantrag ist nur zulässig, wenn zu seinem Gegenstand nicht in den letzten sechs Monaten (statt bisher ein Jahr) bereits ein Einwohnerantrag gestellt wurde. Die Frist zwischen Bekanntwerden eines Beschluss und dagegen gerichtetem Einwohnerantrag wird verlängert. Statt nur zwei Wochen beträgt die Frist künftig drei Monate.
Ferner ist eine Staffelung des Unterschriftenquorums nach Einwohnerzahl vorgesehen. So muss der Antrag in Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern von mindestens drei Prozent, jedoch höchstens 200 Einwohnerinnen und Einwohnern unterschrieben werden. In Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern sind hierfür 1,5 Prozent, aber mindestens 200 und höchstens 2.500 Unterschriften erforderlich.
Bislang sieht die Gemeindeordnung keine Regelung für Fraktionen vor. Im Hinblick auf ihre Bedeutung sollen für die Bildung sowie die Rechte und Pflichten der Fraktionen im Gemeinderat, im Ortschaftsrat, im Kreistag und in der Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart nun gesetzliche Grundlagen geschaffen werden.
In (kleinen) Gemeinden mit einem kleineren Gemeinderat werden durch die Gesetzesänderung auch einzelne, fraktionslose Gemeinderäte den Fraktionen gleichgestellt werden, da sie auch als Einzelne einen erheblichen Anteil der Wählerschaft repräsentieren. Hiervon ausgenommen sind solche Rechte, für die gesetzlich ein bestimmtes Quorum von Gremiumsmitgliedern vorgeschrieben ist.
Um die Rechte von Minderheiten im Gemeinderat und im Kreistag zu stärken, werden die gesetzlichen Minderheitsquoren in den Gesamtgremien abgesenkt. Das gilt für Anträge auf die Einberufung einer Sitzung, Aufnahme eines Tagesordnungspunktes, Vorberatung oder Unterrichtung beziehungsweise Akteneinsicht. Das Quorum sinkt von einem Viertel auf ein Sechstel der Gremiumsmitglieder. Fraktionen erhalten diese Rechte unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder.
Die Bereitstellung von Informationen im Zusammenhang mit Sitzungen der kommunalen Gremien soll transparenter werden. Tagesordnungen, Sitzungsunterlagen und Beschlüsse kommunaler Gremien sind im Internet zu veröffentlichen. Eine Veröffentlichung in klassischen Medien bleibt optional bestehen. Die Belange des Datenschutzes müssen dabei berücksichtigt werden.
Für Sitzungen des Gemeinderats und des Kreistags gilt der Öffentlichkeitsgrundsatz. Allerdings sind bisher Vorberatungen in den Ausschüssen nichtöffentlich. Künftig müssen auch die Vorberatungen in der Regel öffentlich erfolgen. Lediglich wenn es das öffentliche Wohl oder die berechtigten Interessen Einzelner erfordern, muss die Vorberatung weiterhin nichtöffentlich bleiben. Diese Regelung gilt auch für die Ausschüsse der Regionalversammlung des Verbands Region Stuttgart und für Ausschüsse von Verbandsversammlungen der Zweckverbände.
Des Weiteren stellt die Gesetzesänderung klar, dass die Beschlusstexte aus nichtöffentlichen Sitzungen im Regelfall im Wortlaut bekannt gegeben werden müssen.
Damit sich die Mitglieder des Gemeinderats und des Kreistags ausreichend vorbereiten können, müssen die Verhandlungsgegenstände und Sitzungsunterlagen mindestens sieben Tage vor dem Sitzungstag an die Mitglieder übermittelt werden.
Gemeinderäte können künftig an den Sitzungen aller Ortschaftsräte teilnehmen. Bisher ist dies nur in der Ortschaft möglich, in der sie wohnen.
Des Weiteren erhalten Ehrenamtliche einen Anspruch auf gesonderte Erstattung der Aufwendungen, die ihnen zur Sicherstellung der Betreuung von minderjährigen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen während der Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit entstehen. Damit soll diesen die Übernahme und Ausübung eines kommunalen Ehrenamts erleichtert werden.
Kinder- und Jugendpolitik darf nicht nur Politik für junge Menschen, sie muss auch Politik mit jungen Menschen sein. Die Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen sollen deshalb verbindlich in der Gemeindeordnung verankert und erweitert werden.
Künftig müssen Jugendliche bei allen Planungen und Vorhaben der Gemeinde, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligt werden. Für Kinder wird die Beteiligungspflicht als Soll-Regelung ausgestaltet. Die Gemeinde hat angemessene Beteiligungsverfahren zu entwickeln, zum Beispiel, in dem eine Jugendvertretung eingerichtet wird.
Die bisherigen Erfahrungen mit Jugendvertretungen zeigen, dass Jugendliche an kommunalpolitischen Themen interessiert sind. Die Mitspracherechte sollen daher in der Gemeindeordnung verankert werden. Jugendliche erhalten künftig die Möglichkeit, selbst die Einrichtung einer Jugendvertretung zu beantragen. Für einen erfolgreichen Antrag ist eine bestimmte Anzahl von Unterschriften notwendig, die abhängig ist von der Einwohnerzahl der Gemeinde.
Ist eine Jugendvertretung eingerichtet, ist ihren Mitgliedern in Jugendangelegenheiten auch ein Rede-, Vorschlags- und Anhörungsrecht im Gemeinderat einzuräumen. Außerdem sind der Jugendvertretung angemessene finanzielle Mittel zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zur Verfügung zu stellen.
Alle Stadtkreise und Großen Kreisstädte erhalten die Möglichkeit auch ohne räumlich getrennte Ortsteile die Bezirksverfassung einzuführen.
Es wird zudem klargestellt, dass nach dem Ende der Amtszeit ein geschäftsführendes Kollegialorgan (Gemeinderat, Kreistag, Regionalversammlung) keine wesentlichen Entscheidungen treffen darf, die bis zum Zusammentritt des neugewählten Organs aufgeschoben werden können.