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Änderung Kommunalverfassung

Stellungnahme des Innenministeriums

Zwischen dem 18. Februar und dem 27. März 2015 konnte die Bevölkerung auf dem Beteiligungsportal Kommentare zum Gesetz zur Änderung kommunalverfassungs- rechtlicher Vorschriften abgeben. Im Kommentierungszeitraum sind 57 textliche Kommentare eingegangen, die insgesamt 1.169 Mal bewertet wurden (Unterstützung oder Ablehnung). Das Innenministerium hat die Hinweise dieser Kommentare ausgewertet.

Zu dem eingegangenen Kommentaren im Beteiligungsportal zum Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften nimmt das Innenministerium wie folgt Stellung:

a) Äußerungsrecht der Fraktionen im Amtsblatt (Artikel 1 Nr. 2)

In mehreren Kommentaren wurde das Äußerungsrecht für Fraktionen auch für den Fall gefordert, dass die Gemeinde kein Amtsblatt herausgibt, sondern Veröffentlichungen in einer Zeitung vornimmt.

Bewertung Innenministerium:
Mit der Gesetzesänderung sollen die Rechte der Fraktionen und Minderheiten im Gemeinderat gestärkt werden. Das Äußerungsrecht im Amtsblatt dient der Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben der Fraktionen (vgl. § 32 a Absatz 2 GemO). Zugleich sollen aber die Gemeinden nicht durch erhöhten (finanziellen) Aufwand belastet werden. Daher erfolgt keine Verpflichtung der Gemeinden, den Fraktionen Veröffentlichungen in der Zeitung zu ermöglichen.

b) Einwohnerversammlung und Einwohnerantrag (Artikel 1 Nr. 3 und 4)

In mehreren Kommentaren wurde die Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten bei Einwohnerversammlung und Einwohnerantrag auf Einwohnerinnen und Einwohner, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaates haben, abgelehnt.

Bewertung Innenministerium:
Auch nach der Erweiterung der Antragsberechtigung für Einwohnerversammlung und Einwohnerantrag bleiben Wahlen und Sachentscheidungen den Bürgerinnen und Bürgern bzw. den von ihnen gewählten Gemeindeorganen vorbehalten. Eine Übertragung von Entscheidungsbefugnissen ist daher mit der Erweiterung nicht verbunden.

c) Bürgerbegehren und Bürgerentscheid (Artikel 1 Nr. 5)

1. Ratsbegehren (§ 21 Absatz 1 GemO)
In mehreren Kommentaren wurde gefordert, die bisher erforderliche 2/3-Mehrheit für den Beschluss des Gemeinderats zur Durchführung eines Bürgerentscheids durch die einfache Mehrheit zu ersetzen.

Bewertung Innenministerium:
Die Absenkung auf die einfache Mehrheit wäre eine sehr weitgehende Änderung. Wenn der Gemeinderat seine Zuständigkeit und das ihm von den Wählerinnen und Wählern übertragene Mandat zur Entscheidung einer Sache an die Bürgerinnen und Bürger abgibt, sollte dies durch eine breite Gemeinderatsmehrheit mitgetragen werden. Die einfache Mehrheit erscheint hierfür nicht angemessen.

2. Zulassung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden über den verfahrenseinleitenden Beschluss im Bauleitplanverfahren (§ 21 Absatz 2 Nr. 6 GemO)
In mehreren Kommentaren wird angeregt, Bürgerentscheide nicht nur über den Aufstellungsbeschluss, sondern auch über den Auslegungsbeschluss zu ermöglichen. Zur Begründung wird insbesondere angeführt, dass der Aufstellungsbeschluss häufig noch nicht konkret genug sei und daher erst in einem späteren Verfahrensstadium ein Bürgerentscheid sinnvoll sei.

Bewertung Innenministerium:
Die Gesetzesänderung trägt sowohl dem Anliegen, den thematischen Anwendungsbereich für Bürgerentscheide zu erweitern und so die direkte Demokratie zu stärken, als auch dem Wunsch nach Planungs- und Rechtssicherheit für die Kommunen im Bereich der Bauleitplanung Rechnung. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass auch Bürgerentscheide über die Bauleitplanung praktikabel sind und die erforderliche Entscheidung von den Bürgerinnen und Bürgern verantwortungsvoll getroffen wird. Zugleich wird aber durch die Beschränkung auf den verfahrenseinleitenden Beschluss verhindert, dass das gesamte Bauleitplanverfahren von der Unsicherheit über einen möglichen Bürgerentscheid überlagert wird.

3. Einführung von Alternativvorlage und Stichfrage
Mehrere Kommentatoren verlangen die gesetzliche Möglichkeit für den Gemeinderat, zu einem Bürgerbegehren eine eigene Fragestellung zu beschließen und den Bürgern im Wege eines Bürgerentscheids vorzulegen. Für den Fall, dass mehrere Bürgerentscheide zu einem Thema gleichzeitig stattfinden, soll der Gemeinderat eine Stichfrage beschließen.

Bewertung Innenministerium:
Alternativvorlage und Stichfrage sind sinnvolle Instrumente. Die Alternativvorlage ermöglicht die Kompromissfindung und erweitert die demokratischen Entscheidungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, indem ein zusätzlicher Vorschlag zur Abstimmung steht. Die Stichfrage ist die logische Lösung für den Fall, dass zugleich mehrere Bürgerentscheide zu einem Thema stattfinden und in nicht miteinander zu vereinbarender Weise entschieden werden. Alternativvorlage und Stichfrage haben sich in der Praxis bewährt. Gesetzliche Regelungen gibt es inzwischen in Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Eine solche Regelung wurde von den Landtagsfraktionen in ihrer Vereinbarung über ein Paket zur Reform landesrechtlicher Regelungen betreffend der direkten Demokratie im Land Baden-Württemberg und seiner Kommunen nicht vereinbart und ist daher in der Gesetzesänderung nicht enthalten.

d) Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (Artikel 1 Nr. 14)

1. Zwingende Beteiligung von Kindern
Mehrere Kommentare fordern, nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Kinder eine verpflichtende Beteiligung ins Gesetz aufzunehmen.

Bewertung Innenministerium:
Durch die Änderung wird die Beteiligung von Kindern gesetzlich in der Gemeindeordnung verankert und damit ihre Bedeutung unterstrichen. Da bei der Beteiligung von Kindern auch Fallkonstellationen denkbar sind, in denen eine sachgerechte Beteiligung, insbesondere aufgrund des Alters der Kinder, nicht möglich ist, ist eine Soll-Regelung zur Beteiligung von Kindern sinnvoll.

2. Verbandsklagerecht für Träger der freien Jugendhilfe bezüglich der Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen
Ein Kommentator fordert die Einführung eines Verbandsklagerechts für die Träger der freien Jugendhilfe, wenn Kinder und Jugendliche in ihren Beteiligungsrechten verletzt worden sind.

Bewertung Innenministerium:
Es besteht keine Notwendigkeit, ein Verbandsklagerecht einzuführen. Die Kinder und Jugendlichen haben in ihren Eltern gesetzliche Vertreter, die deren Rechte wahrnehmen können. Es ist davon auszugehen, dass die Gemeinden die Beteiligung der Kinder und Jugendlichen sinnvoll ausgestalten und wahrnehmen. Ein Verbandsklagerecht bringt in diesem Zusammenhang keine Verbesserung.

e) Veröffentlichung von Informationen (Artikel 1 Nr. 15)

Mehrere Kommentatoren fordern, die Veröffentlichungspflichten noch detaillierter auszugestalten, z. B. Fristen für die Veröffentlichung aufzunehmen.

Bewertung Innenministerium:
Die Neuregelung trägt dem Informationsbedürfnis der Einwohnerinnen und Einwohner Rechnung. Die konkrete Ausgestaltung der Informationen soll der jeweiligen Gemeinde überlassen bleiben. Diese kann für die besonderen Bedürfnisse bestimmter Personengruppen, z. B. von Kindern und Jugendlichen, vor Ort die beste Lösung finden.

f) Einführung von direktdemokratischen Entscheidungen auf Landkreisebene

Mehrere Kommentare fordern für die Landkreisebene die Einführung von direktdemokratischen Instrumenten, insbesondere von Bürgerbegehren, Bürgerentscheid und Einwohnerantrag.

Bewertung Innenministerium:
In fast allen anderen Bundesländern gibt es Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf Landkreisebene. Die Einführung wäre eine Möglichkeit zur Erweiterung der direkten Demokratie. Allerdings erscheint die Umsetzung im Vergleich zur Bedeutung der direktdemokratischen Instrumente auf Gemeindeebene nicht vordringlich. Die Einführung wurde von den Landtagsfraktionen in ihrer Vereinbarung über ein Paket zur Reform landesrechtlicher Regelungen betreffend der direkten Demokratie im Land Baden-Württemberg und seiner Kommunen nicht vereinbart.

g) Bekanntmachung im Internet (Artikel 5 und 6)

Mehrere Kommentatoren fordern die Einführung der Internetbekanntmachung. Danach sollen Gemeinden und Landkreise ihre öffentlichen Bekanntmachungen künftig rechtswirksam über das Internet vornehmen können.

Bewertung Innenministerium:
Die Internetbekanntmachung wurde durch einen Änderungsantrag der Regierungsfraktionen in das Gesetz aufgenommen (Artikel 5 und 6 des Gesetzes).

h) Verpflichtung zur Veröffentlichung des Ortsrechts im Internet

Mehrere Kommentatoren fordern eine Verpflichtung der Kommunen, ihr jeweiliges Ortsrecht im Internet zu veröffentlichen.

Bewertung Innenministerium:
Viele Gemeinden haben ihr Ortsrecht bereits jetzt auf ihrer Homepage veröffentlicht. Die Veröffentlichung des Ortsrechts im Internet bedarf keiner zwingenden gesetzlichen Vorgabe, sondern darüber kann von den Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung selbst entschieden werden.

i) Übergangsvorschriften

Die Hinweise in Kommentar 26 zur Übergangsvorschrift in Artikel 8 des Entwurfs (Artikel 10 § 1 des Gesetzes) und der zugehörigen Einzelbegründung wurden insoweit berücksichtigt, als die Ausnahme von der Anwendung des neuen § 41b Gemeindeordnung und des neuen § 36a Landkreisordnung auf die jeweiligen Absätze 1, 2 und 5 beschränkt wurde.

Das baden-württembergische Innenministerium in Stuttgart.

Ministerium : Innenministerium Baden-Württemberg

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