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Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz

Menschen sitzen in einem Park

Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten

Zusammenfassende Stellungnahme des Sozialministeriums

Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz wurde parallel zum formellen Anhörungsverfahren der Körperschaften und Verbände in das „Beteiligungsportal Baden-Württemberg“ zur Kommentierung eingestellt, um auf diese Weise auch den Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit zu eröffnen, sich zum Referentenentwurf des Gesetzes zu äußern.

Die Resonanz der Öffentlichkeit war überwiegend positiv. In den Stellungnahmen der Bürgerinnen und Bürger wurde insbesondere zustimmend hervorgehoben, dass durch die gesetzliche Regelung von Hilfen für psychisch kranke Menschen die Rechte dieses Personenkreises gestärkt werden.

Die konstruktiven Anregungen und Hinweise der Bürgerinnen und Bürger wurden im Einzelnen vom Sozialministerium geprüft. Es konnten teilweise auch Anregungen in den Regierungsentwurf des Gesetzes übernommen werden. Im Wesentlichen sind folgende Anregungen in den Regierungsentwurf eingegangen:

a) Stärkere Hervorhebung des Präventionsgedankens

Es wurde angemerkt, dass das Gesetz dem Präventionsgedanken nicht im ausreichenden Maße gerecht werde. Dieser Hinweis wurde vom Sozialministerium aufgenommen und in einem neuen Absatz 5 des § 3 der Stellenwert der Prävention explizit betont.

b) Einbeziehung der Pflege in die Besuchskommissionen

Des Weiteren wurde angeregt, eine Vertretung aus dem Bereich der Pflege in die - der Qualitätskontrolle in den anerkannten Einrichtungen dienenden - Besuchskommissionen aufzunehmen. Auch dieser Vorschlag hat im Gesetz Eingang gefunden. Bei der Pflege handelt es sich um die größte Berufsgruppe in den anerkannten Einrichtungen. Sie steht in unmittelbarem Kontakt mit der untergebrachten Person. Darüber hinaus entspricht dieser Gleichlauf von ärztlicher und pflegerischer Vertretung auch der „dualen Führungsstruktur“, wonach in baden-württembergischen anerkannten Einrichtungen in der Regel neben der ärztlichen Leitung die Pflegedienstleitung als gleichrangigen Partner vorgesehen ist.

c) Ständige, unmittelbare persönliche Begleitung im Rahmen der Fixierung

Schließlich wurde die Vorgabe in § 25 Absatz 3 Satz 4 des Gesetzesentwurfs zu streng erachtet, wonach bei Fixierungen eine ständige, unmittelbare und persönliche Begleitung der untergebrachten Person im Wege des Sicht- und Sprechkontaktes sicher zu stellen ist. Mit dem derzeitigen Personalschlüssel sei eine solche enge Begleitung jedenfalls nicht zu bewerkstelligen. Ein entsprechender Hinweis wurde auch im Rahmen des formellen Anhörungsverfahrens an das Sozialministerium herangetragen. So werde insbesondere in gerontopsychiatrischen Kliniken das Fachpersonal – so die Ausführungen in den entsprechenden Stellungnahmen der formellen Anhörung - hierdurch vor kaum lösbare Aufgaben gestellt, wenn nicht die Behandlungsqualität eine massive Verschlechterung erfahren solle. Wenngleich langfristig angewendete freiheitsentziehende Maßnahmen zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Verletzungen führen könnten, so könne jedoch auch die Fixierung bei einer unmittelbar zu Stürzen neigenden Person dazu dienen, erhebliche Verletzungen zu vermeiden.

Des Weiteren werde auch im somatischen Bereich, z.B. nach einer Operation (postoperatives Delir), fixiert, jedoch würden dort keine derart strengen Voraussetzungen geschaffen. Es sei daher hinsichtlich der Betreuungsintensität zu wünschen, dass zumindest im gerontopsychiatrischen Bereich ein indikationsbezogener (Sturzgefährdung, Infusionspflichtigkeit) Ermessensspielraum für die Intensität der Betreuung gelassen werde, der eine Betreuungsintensität zulasse, die mit der Betreuung auf Intensivstationen in der somatischen Medizin bei dort ebenfalls nicht selten durchgeführte Fixierungen vergleichbar sei. Die Regelung sei jedenfalls mit einem personellen Mehraufwand verbunden. Ein diesbezüglicher Hinweis im Gesetz sei daher dringend wünschenswert. Diesen vorgebrachten Kritikpunkten wurde im Gesetz wie folgt Rechnung getragen: Zwar nimmt der gerontopsychiatrische Bereich hinsichtlich der Notwendigkeit, ggf. verletzungsgefährdende Stürze zu unterbinden, eine gewisse Sonderstellung in der Psychiatrie ein. Der Gesetzgeber ist jedoch dazu verpflichtet, auch im Bereich der psychiatrischen Versorgung älterer Menschen den Eingriff in die Patientenrechte durch Fixierung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken, um keine „Zwei-Klassen-Medizin“ zu etablieren. Richtig ist, dass eine Fixierung, die lediglich dazu dient, etwa bei Menschen mit Demenz Stürze mit erheblichem Verletzungspotential (insbesondere bei einer gebrechlichen, alten Person) zu vermeiden oder das selbständige Ziehen einer notwendigen Infusion zu verhindern, im Einzelfall eine andere Eingriffsintensität haben kann, als eine Fixierung bei einer Person, die sich z.B. in einem Zustand akuter psychotischer Dekompensation befindet.

Der Grundsatz der ständigen, unmittelbaren und persönlichen Begleitung sollte im Ergebnis allerdings für alle Psychiatriebereiche (auch die Gerontopsychiatrie) gleichsam gelten. Durch die Formulierung des Tatbestandsmerkmals „ständige“ als Regeltatbestand im überarbeiteten Regierungsentwurf wurde allerdings dem behandelnden Arzt für besondere Fallkonstellationen betreffend die Eingriffsintensität der Fixierungsmaßnahme im Einzelfall ein Entscheidungsspielraum einräumt. Befindet sich beispielsweise eine Person in einem zwar verwirrten, jedoch insgesamt eher stabilen seelischen Zustand und soll die Fixierung eine lediglich sturzprophylaktische oder infusionssichernde Funktion erfüllen, kann im Einzelfall anstatt einer „ständigen“, eine engmaschige Begleitung ausreichend sein.

Eine „unmittelbare“ und „persönliche Begleitung“ ist in jedem Falle zwingend, so dass weder eine „Überwachung“ im Wege der Ton- oder Videoaufnahme erfolgen darf, noch Fixierungen in „Fixierungssälen“ möglich sind. Was die mit der gesetzlichen Festschreibung einer unmittelbaren, persönlichen und in der Regel ständigen Begleitung der untergebrachten Person im Rahmen von Fixierungsmaßnahmen (§ 25 Absatz 3 Satz 4 des Gesetzentwurfs) voraussichtlich verbundenen personellen Mehrkosten in anerkannten Einrichtungen angeht, wurde ein entsprechender Hinweis in den allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung aufgenommen.

Das baden-württembergische Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren in Stuttgart.

Ministerium : Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg

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