Das Innenministerium nimmt zu den eingegangenen Kommentaren wie folgt Stellung:
Die Kommentare im Beteiligungsportal setzen sich kritisch mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG) auseinander. Dabei stehen die Einführung einer zeitlichen Obergrenze von 20 Jahren zur Festsetzung von Anschluss- und Erschließungsbeiträgen anknüpfend an die jeweilige Vorteilslage sowie die Verständlichkeit des Gesetzentwurfs im Fokus. Nachfolgend wird zu den wesentlichen Einwendungen Stellung genommen.
Verständlichkeit des Gesetzentwurfs
Die Erstellung von Gesetzentwürfen folgt bestimmten Regeln, die in der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (VwV Regelungen) vom 27. Juli 2010 mit ihrer Anlage, den Regelungsrichtlinien, für alle Regelungsentwürfe festgelegt sind. Dabei wird im Wesentlichen mit sogenannten Änderungsbefehlen und in bestimmten Fällen mit der Neufassung eines Paragraphen gearbeitet. Ein Gesetzentwurf darf nicht im Änderungsmodus erstellt werden.
Auch Synopsen sind nicht vorgesehen. Die Gesetzestechnik ist in Bund und Ländern weitgehend einheitlich. Die Einhaltung der VwV Regelungen wird jeweils vom Normenprüfungsausschuss beim Justizministerium geprüft.
Abgaben- und Steuergesetze sind keine leicht verständliche Materie. So auch die Abgabenordnung des Bundes, auf die im Kommunalabgabengesetz häufig verwiesen werden muss, da das Kommunalabgabengesetz, wie in den meisten anderen Ländern, kein eigenes Verfahrensrecht vorsieht. Stattdessen wird in den Paragrafen 3 und 3 a KAG mit Modifikationen – wie bereits bisher – auf die für eine Vielzahl von Abgaben geltende Abgabenordnung verwiesen. Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, da auch für die von den Gemeinden zu erhebenden Realsteuern (Grund- und Gewerbesteuern) die Abgabenordnung unmittelbar durch Bundesrecht gilt.
Kritik, die Änderungen des Kommunalabgabengesetzes lösten nicht alle abgabenrechtlichen Problemstellungen
In einigen Kommentaren werden Formulierungsvorschläge gemacht beziehungsweise zusätzliche oder andere Regelungen angeregt.
Die Änderungen des Kommunalabgabengesetzes wurden in einer Arbeitsgruppe mit Praktikern der Kommunalen Landesverbände und der Gemeindeprüfungsanstalt erarbeitet. Dabei wurden die wesentlichen aus der Praxis an das Innenministerium herangetragenen Problemstellungen aufgegriffen und einer Lösung zugeführt.
Soweit angemerkt wird, die gesetzliche Klarstellung, dass auch Kosten für Kreisverkehre zu den beitragsfähigen Erschließungskosten zählen (Paragraf 35 Absatz 1 KAG), greife das Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg vom 10. Juli 2014 – 2S 2228/13 nicht auf, so wird darauf hingewiesen, dass gerade diesem Urteil mit der Gesetzesänderung Rechnung getragen wird. Näheres kann der Gesetzesbegründung entnommen werden.
Regelung der zeitlichen Obergrenze in Paragraf 20 Absatz 5 KAG
a) Abgaben zum Vorteilsausgleich
Nach der Anhörung wurde in Paragraf 20 Absatz 5 – neu – die im Anhörungsentwurf vorgesehene Ausschlussfrist für die Festsetzung von Beiträgen im Hinblick auf die Regelungen in anderen Ländern auf alle Abgaben zum Vorteilsausgleich erstreckt.
b) Festsetzungsfrist
Die Erwägungen, die zu einer Festsetzungsfrist von 20 Jahren geführt haben, sind in der Gesetzesbegründung zu Paragraf 20 Absatz 5 dargelegt. Auf diese wird daher verwiesen. Es ist richtig, dass einige andere Länder kürzere Festsetzungsfristen statuiert haben. Nicht erwähnt wird in dem Kommentar jedoch, dass andere Länder ebenfalls eine Frist von 20 Jahren geregelt haben (zum Beispiel Bayern, Mecklenburg-Vorpommern). Die Verfassungsmäßigkeit einer 20-Jahres-Frist wurde von der Rechtsprechung bestätigt.
c) Erfordernis der „Vorteilslage“ in der Regelung des Paragraf 20 Absatz 5 KAG zur zeitlichen Obergrenze
Einerseits wird in einem Kommentar die Verhinderung des Eintritts der Vorteilslage durch den Bürger zu Lasten der Gemeinde befürchtet. Hierzu wird zunächst darauf hingewiesen, dass im Anschlussbeitragsrecht die Vorteilslage bereits mit der Anschlussmöglichkeit entsteht; im Erschließungsbeitragsrecht erfolgt die Erschließung durch den Erschließungsträger.
Andererseits wird gefordert, auf die „tatsächliche“ Vorteilslage abzustellen, die mit dem Erschließungsvorteil gleichgesetzt wird. Andere Vorschläge gehen dahin, den Beginn der Frist zum Beispiel an den Beginn der Bauarbeiten oder schon das Datum der genehmigten Planung zu knüpfen. Ersterschließungsbeiträge seien an für den Bürger nicht nachvollziehbare Voraussetzungen geknüpft.
Die Arbeitsgruppe zum Kommunalabgabenrecht hat sich dafür entschieden – wie in den Regelungen anderer Bundesländern auch und durch die Rechtsprechung bestätigt – als maßgeblichen Bezugszeitpunkt für die zeitliche Obergrenze für die Festsetzung von Beiträgen die „Vorteilslage“ vorzusehen. Anders als ein Kommentar im Beteiligungsportal meint, entspricht dies gerade der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08. Das Bundesverfassungsgericht nennt den Begriff „Vorteilslage“ und führt dazu aus: „Es bleibt ihm (Anmerkung: dem Gesetzgeber) überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen [...]“. Der Begriff der Vorteilslage knüpft nach dem Verständnis Bundesverfassungsgerichts an für den Bürger ohne weiteres bestimmbare, rein tatsächliche Gegebenheiten an und lässt rechtliche Entstehungsvoraussetzungen für die Beitragsschuld wie die formelle Widmung oder auch die Wirksamkeit der Beitragssatzung außer Betracht.
Dem entspricht auch das im Beteiligungsportal kritisierte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. September 2018 – 2 S 1116/18. Dieses knüpft die Vorteilslage im Erschließungsbeitragsrecht nicht an die sachliche Beitragspflicht, die rechtliche und tatsächliche Voraussetzungen hat, insgesamt an, sondern vielmehr nur an die äußerlich erkennbaren, tatsächlichen Voraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht. Es kommt somit auf die erstmalige endgültige Herstellung im Sinne einer technischen Fertigstellung an (siehe auch VGH vom 29. Oktober 2019 – 2 S 465/18, BVerwG, Beschluss vom 6. September 2018 – BVerwG 9 C 5.17, OVG Münster, Beschluss vom 24.10.2019, 15 B 1090/19, ZKF 2020 Seite 22).
Zu berücksichtigen ist bei der Diskussion über die zeitliche Obergrenze zur Festsetzung von Erschließungsbeiträge auch, dass nicht alle Bürgerinnen und Bürger die Kosten des Ausbaus von Erschließungsanlagen, wie zum Beispiel Wohnstraßen, tragen sollen, während die Maßnahme, die sich letztlich auch in einer Wertsteigerung des Grundstückes niederschlägt, nur den Anliegern zugutekommt.
d) Übergangsregelung (Paragraf 49 Absatz 9 Satz 2)
Nach der Verbandsanhörung wurde Paragraf 49 Absatz 9 Satz 2 – neu – im Anhörungsentwurf gestrichen.