Die Kommentare auf dem Beteiligungsportal setzen sich kritisch mit dem Gesetzentwurf zur Stärkung der Realschulen auseinander. Es werden insbesondere Befürchtungen geäußert, dass durch die rechtlichen Veränderungen für die Realschule Doppelstrukturen geschaffen würden, durch welche die Gemeinschaftsschule geschwächt werde. Weiter wird die Ausgestaltung des Differenzierungskonzeptes kritisiert. Einige Kommentare begrüßen die durch den Entwurf erfolgte Anpassung der Realschule an geänderte Rahmenbedingungen.
Kritik mit dem Argument der Schaffung von Doppelstrukturen und der Schwächung der Gemeinschaftsschulen
Die Realschule ist eine der tragenden Säulen des Schulsystems. Sie ist eine Schulart, die mit dem ihr eigenen, besonderen Profil insbesondere auf einen gelingenden Übergang in die Berufswelt bzw. auf das Berufliche Gymnasium vorbereitet. Sie ermöglicht ihren Schülerinnen und Schülern sowohl den Weg in die duale Ausbildung als auch zu höheren Bildungsabschlüssen. Die große Akzeptanz der Realschule zeigt sich im entsprechenden Schulwahlverhalten. Den Herausforderungen an der Realschule trägt das neue Konzept vor dem Hintergrund veränderter Rahmenbedingungen Rechnung: es unterstützt die Realschule, sich auch für die Zukunft stark aufzustellen.
Während das Ziel einer starken Realschule ist, Schülerinnen und Schüler vorrangig zum Realschulabschluss zu führen, steht die Gemeinschaftsschule für eine Förderung unterschiedlichster Begabungen auf allen drei Niveaustufen.
Gerade die Vielfalt an Profilen in der Schullandschaft Baden-Württembergs bietet eine wichtige Voraussetzung für eine bestmögliche individuelle Entwicklung und somit eine erfolgreiche Bildungsbiographie der Schülerinnen und Schüler. Vor dem Hintergrund begrenzter Haushaltsmittel wird dabei auf eine sachgerechte Balance der Ressourcenausstattung geachtet.
Kritik an der Ausgestaltung des Differenzierungskonzeptes
Die Kritik bezieht sich insbesondere auf die Befürchtung einer möglichen Stigmatisierung leistungsschwächerer Kinder, eine frühzeitige Festlegung auf den Abschluss und unzureichende pädagogische Konzepte.
Durch das neue Konzept können Realschulen flexibler als bisher auf die Herausforderungen einer zunehmend heterogenen Schülerschaft reagieren. Die bisherige Beschränkung wird aufgehoben und den Realschulen werden mehr Möglichkeiten zur äußeren Leistungsdifferenzierung geben. Die Realschulen können zukünftig in eigener Verantwortung entscheiden, in welcher Art und in welchem Umfang sie differenzieren, um eine bestmögliche Förderung anbieten zu können. Damit können sie ohne starre Vorgabe flexibel auf die Zusammensetzung der Schülerschaft vor Ort reagieren und die Schülerinnen und Schüler gemäß ihrer Leistungsfähigkeit adäquat unterrichten.
Dabei beschränkt sich die äußere Differenzierung gerade nicht auf eine Differenzierung nach dem Abschlussziel und somit einer frühzeitigen Festlegung auf den Hauptschulabschluss oder Realschulabschluss. Vielmehr bietet das Konzept die Möglichkeit, sich noch stärker an den individuellen Stärken und Schwächen der Schülerinnen und Schüler zu orientieren.
Durch eine optimale individuelle Förderung sollen möglichst viele Schülerinnen und Schüler die Anforderungen des mittleren Niveaus – das heißt eine erweiterte allgemeine Bildung – erreichen können und gleichzeitig soll keine Schülerin und kein Schüler zurück gelassen werden. Leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler können begabungsgerecht gefördert und individuell an das mittlere Niveau herangeführt werden. In der Orientierungsstufe haben sie Zeit, ihr Potenzial zu entwickeln und zu zeigen, dass sie den Anforderungen des mittleren Niveaus gewachsen sind. Sie können leistungsdifferenzierte Förderangebote – auch auf dem grundlegenden Niveau – wahrnehmen. Am Ende von Klasse 5 gibt es kein Sitzenbleiben. Erst am Ende von Klasse 6 wird anhand der Noten entschieden, ob der Schüler ab Klasse 7 auf dem zum Realschulabschluss führenden Niveau lernt oder in Richtung Hauptschulabschluss weiter lernt. Mit dieser echten Orientierungsstufe ohne eine frühzeitige Herabstufung auf das grundlegende Niveau haben die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit in den beiden ersten Schuljahren an der Realschule voll zu entfalten. Dabei erkennen sie, ob sie den Anforderungen hin zum Realschulabschluss gewachsen sind, ohne fürchten zu müssen, gleich sitzen zu bleiben. Sollte das mittlere Niveau nicht erreicht werden, kann in Klasse 7 erfolgreich auf dem grundlegenden Niveau gestartet werden ohne dass ein einschneidender Schulwechsel erforderlich wird. Die Schülerinnen und Schüler, die in Klasse 7 oder 8 aufgrund ihrer Noten dem grundlegenden Niveau zugeordnet werden, können jeweils zum Halbjahr bzw. am Ende dieser Klassenstufen durch entsprechende Noten auf das mittlere Niveau wechseln. Somit wird eine hohe, für die Schülerinnen und Schüler greifbare Durchlässigkeit gewährleistet, die gerade auch Leistungsschwächere zur Ausschöpfung ihrer Potentiale motivieren kann. Das neue Realschulkonzept befähigt damit alle Kinder, den für sie bestmöglichen Schulabschluss zu erreichen und fördert damit die Chancengerechtigkeit.
Zur Unterstützung einer qualitätsvollen und gelingenden individuelle Förderung an den Realschulen – gerade auch von leistungsschwächeren Schülern – sind zusätzliche Poolstunden und spezielle Fortbildungsangebote für die Lehrkräfte vorgesehen.