Rettungswesen

Online-Kommentierung

Mit dem Gesetzentwurf soll das Rettungsdienstgesetz grundlegend überarbeitet werden. Insbesondere geht es darum, die bisherige gesetzliche Regelung zur Hilfsfrist klarer zu fassen. Die Planungsfrist beträgt nach dem Gesetzentwurf maximal zwölf Minuten in 95 Prozent der Fälle von der Alarmierung bis zum Eintreffen des Rettungswagens.

Berechne Lesezeit
  • Teilen

Details dazu und zu weiteren Planungen beispielsweise des Notarzteinsatzfahrzeuges werden im Rettungsdienstplan durch Rechtsverordnung geregelt. Daneben sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung im Rettungsdienst nutzbar gemacht werden. Dies betrifft zum Beispiel den Einsatz sogenannter Telenotärzte zur Ferndiagnostik und Behandlung oder die digitale Einweisung und Voranmeldung im Krankenhaus. Als weitere Neuerung soll auch die Erprobung neuer Versorgungskonzepte auf der Grundlage einer sogenannten Experimentierklausel ermöglicht werden.

Außerdem sieht der Entwurf eine Stärkung der Rolle der bereits vor über elf Jahren eingerichteten „Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg“ (SQR-BW) vor.

Schließlich wurden auch die Vorschriften zur Datenverarbeitung überarbeitet.

Kommentare : zur Neufassung des Rettungsdienstgesetzes

Sie konnten den Gesetzentwurf bis zum 17. Januar 2024 kommentieren. Vielen Dank für Ihre Kommentare!

82. Kommentar von :Name

§10 Zusammensetzung Bereichsausschuss

der Bereichsausschuss sollte zukünftig paritätisch zusätzlich mit Vertretern aus der Bevölkerung vertreten sein. Sowohl Fachkräfte und Patientenvertretungen, gerne auch in Form eines Bürgerrates/Bürgerforums.

92. Kommentar von :CHertweck

Stellungnahme zur Neufassung des Rettungsdienstgesetzes

Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für die Gelegenheit zur Beteiligung am Gesetzgebungsprozess zur Neufassung des Rettungsdienstgesetzes. Als Notfallsanitäter in Baden-Württemberg bin ich in meinem Berufsleben stark von diesem Gesetz betroffen. Dagegen sehe ich als Diplom-Jurist und Doktorand der Rechtswissenschaften auch die

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Gelegenheit zur Beteiligung am Gesetzgebungsprozess zur Neufassung des Rettungsdienstgesetzes.

Als Notfallsanitäter in Baden-Württemberg bin ich in meinem Berufsleben stark von diesem Gesetz betroffen. Dagegen sehe ich als Diplom-Jurist und Doktorand der Rechtswissenschaften auch die juristischen Aspekte der hochsensiblen Thematik des Rettungsdienstes als Teil der Daseinsfürsorge. Schließlich habe ich als freier Dozent einer Rettungsdienstschule für die Ausbildung von Notfallsanitätern in den rechtlichen Fragestellungen auch diverse Diskussionspunkte im Kopf, welche von Auszubildenden regelmäßig hinterfragt werden.

Daher möchte ich gerne mit meinem Beitrag folgende Stellungnahme abgeben:

Zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzesentwurfs:
- Zu § 1 Abs. 2: Es wäre sinnvoll, eine Unterscheidung von Rettungseinsätzen und Notarzteinsätzen vorzunehmen. Dabei sollte festgelegt werden, dass der Notarzt für besonders kritische Einsätze gedacht ist. Als Hilfsmittel für die Entscheidung ob ein Notarzteinsatz vorliegt sollte untergesetzlich eine Vorgabe im Sinne eines Notarztindikationskatalogs gemacht werden. Vgl. beispielhaft DBRD, „Notarztindikationskatalog des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst e. V. (DBRD) als Handlungsempfehlung für Disponenten in Rettungsleitstellen“, 13.01.2024).

- Zu § 3: Es sollte Haftungsregelung für Rettungsdienstpersonal im Sinne einer Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB aufgenommen werden. Durch den fortschreitenden Kompetenzaufbau des nichtärztlichen Personals (heilkundliche Tätigkeiten durch Notfallsanitäter) entsteht ein Haftungsrisiko, welches über die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses nicht mehr gerecht gedeckt werden kann. Hier besteht eine nicht zu rechtfertigende Singularität Baden-Württembergs; in allen anderen Bundesländern besteht eine Amtshaftung für Rettungsdienstpersonal. Auch der Bundesgesetzgeber geht davon aus, dass Notfallsanitäter durch die Amtshaftung geschützt werden (vgl. BT-Drs. Drucksache 19/24447, S. 84).

- Zu § 5 Abs. 3 und § 20 Abs. 1: Der vorliegende Entwurf greift einer ausgewogenen Entscheidung vor und verfestigt sich auf die sog. „Standardarbeitsanweisungen und Behandlungspfade im Rettungsdienst“ der 6-Länder-Arbeitsgruppe. Diese stehen fachlich in einigen Bereichen hinter den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften zurück, obwohl nach § 630a Abs. 2 BGB der behandelnde Notfallsanitäter regelmäßig entsprechend den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards, d.h. entsprechend den aktuellen Leitlinien der Fachgesellschaften arbeiten muss. In seiner Ausbildung wird der Notfallsanitäter auch befähigt, sein Wissen diesbezüglich aktuell zu halten und eine mögliche Verkürzung der Leitlinien durch die 6-Länder-Arbeitsgruppe sollte sich nicht negativ auf die Behandlung durch Notfallsanitäter auswirken. Als Alternative hierzu sei auf Folgendes hingewiesen: Mit Einführung des NotSanG wurde der sog. Pyramidenprozess durchgeführt, in dem konsensbasiert mit allen Beteiligten die vom Notfallsanitäter standardmäßig zu beherrschenden und zu verantwortenden Maßnahmen festgeschrieben wurden (Lechleuthner A., Der Pyramidenprozess, Notarzt 2014; 30: 112–117). Die hieraus resultierenden Ergebnisse werden jährlich aktualisiert vom Deutschen Berufsverband Rettungsdienst in Musteralgorithmen herausgegeben und erfüllen alle Voraussetzungen, um als standardmäßig vorgegebene Maßnahmen im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 lit. c NotSanG herangezogen zu werden. Lediglich die Vorgabe und Verantwortung durch einen ärztlich Verantwortlichen fehlt diesen Musteralgorithmen (DBRD, Musteralgorithmen 2023 zur Umsetzung des Pyramidenprozesses im Rahmen des NotSanG). Im Übrigen wäre eine Regelung wie in § 16a Abs. 1 Thüringisches Rettungsdienstgesetz wünschenswert für Maßnahmen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. c i.V.m. § 2a NotSanG.

- Zu § 5 Abs. 5: Sofern Einsicht in die Einsatzdokumentation genommen wird, sollten zusätzlich auch die Autoren der Einsatzdokumentation in geeigneter Weise über die Einsichtnahme informiert werden.

- Zu § 6 Abs. 1: Grundsätzlich ist die Begründung, warum die Hilfsfrist für arztbesetzte Rettungsmittel abgeschafft wird, nachvollziehbar. Dennoch muss klar benannt werden, dass sich die Situation für die Patienten im Vergleich zum status quo verschlechtert. Wie in der Begründung aufgeführt, können mit Notfallsanitätern besetzte Rettungswagen zwar eine weitgehende Versorgung leisten. Für den Fall, dass diese auch heilkundliche Behandlung durch Notfallsanitäter nicht ausreicht, sollte aber auch planerisch vorgesehen werden, dass der Notarzt jedenfalls bei einer Nachforderung durch einen Rettungswagen innerhalb einer bestimmten Zeit am Notfallort eintrifft. Hierbei handelt es sich um Situationen, in denen die begrenzte Heilkunde des Notfallsanitäters nicht mehr ausreicht und im Sinne des Patienten eine schnellstmögliche über dieses Niveau hinausgehende ärztliche Versorgung eingeleitet wird. Sollte es bei der vorliegenden Entwurfsfassung bleiben, müssten eigentlich nicht transportfähige Patienten, um schnellstmöglich eine ärztliche Versorgung einleiten zu können trotz Bedarfs ohne Notarzt transportiert werden oder ein Transport würde aufgrund einer Wartezeit vor Ort verzögert werden, im schlimmsten Fall, wenn die umliegenden Notärzte durch andere Einsätze gebunden sind, deutlich länger als medizinisch vertretbar wäre.

- Zu § 6 Abs. 4 und § 10 Abs. 3: Trotz einem freien Markt im Krankentransport sollte im Sinne einer bedarfsgerechten Sicherstellung eine Mindestvorhaltung auch für den Krankentransport im Bedarfsplan vorgesehen werden. Für den Fall, dass aufgrund fehlender wirtschaftlicher Anreize diese nicht durch den freien Markt gedeckt werden kann, müssen hier die Träger der Notfallrettung oder hilfsweise die Kommunen einspringen (§ 3 Abs. 4). Die derzeitige Situation zeigt deutlich auf, dass zu wenig Krankentransportwagen vorgehalten werden und jedenfalls faktisch Krankentransporte durch Rettungswagen durchgeführt werden.
- Zu § 6 Abs. 4: Es sollte festgehalten werden, dass der Bereichsplan als allgemeinverbindlicher Verwaltungsakt öffentlich ist und ortsüblich bekannt zu machen ist.

- Zu § 7: Die Experimentierklausel ist ausdrücklich zu begrüßen. Wie das Bundesgesundheitsministerium in mehreren Veröffentlichungen verlauten ließ und wie es im Land Niedersachsen seit geraumer Zeit erfolgreich praktiziert wird, sollte hier aber zusätzlich explizit das Konzept des Gemeindenotfallsanitäters zur Entlastung des Rettungsdienstes mit aufgenommen werden.

- Zu § 10 Abs. 1: Da im Bereichsausschuss essentiell wichtige Inhalte für den jeweiligen Rettungsdienstbereich beschlossen werden, sollte die Fachexpertise derjenigen, die die dort getroffenen Beschlüsse als erstes betreffen, auch in den Ausschuss mit einbezogen werden. Daher sollte dem Bereichsausschuss einen Vertreter des lokal tätigen Rettungsdienstpersonals mit beratender Stimme angehören.

- Zu § 13: Die Bestimmung zur Zusammenarbeit der ILS mit anderen Stellen sollte ausdrücklich auch vorsehen, dass die Disposition des KV-Dienstes (ärztlicher Bereitschaftsdienst) wieder wie bis vor einigen Jahren üblich durch die ILS übernommen wird. Dies ist auch erklärtes Ziel des Bundesgesundheitsministeriums und kann in dieser Novelle des Rettungsdienstgesetzes bereits antizipiert werden (vgl. BMG, „Eckpunkte Reform der Notfallversorgung“, 16.01.2024). Erfahrungswerte diesbezüglich müssten aus der langjährigen Praxis in früheren Jahren vorliegen.

- Zu § 16 Abs. 3: Hier sollte explizit festgehalten werden, dass die Fortbildungspflicht für Notärzte nicht über die im SGB V bzw. in den berufsrechtlichen Regelwerken vorgesehenen Fortbildungspflichten abgedeckt ist. Die dortige Fortbildungspflicht betrifft den Arzt in seiner originären Funktion und die Thematik der jeweiligen Fortbildung kann von jedem Arzt selbst festgelegt werden. Im Sinne eines aktiven Kompetenzerhalts sollten auch Notärzte, genauso wie das übrige Rettungsdienstpersonal auch, spezifische notfallmedizinische Fortbildungen verpflichtend besuchen müssen. Der Umfang von 30 Stunden erscheint hierfür auch nicht übermäßig.

- Zu § 19 Abs. 1: Die Einführung des Telenotarztes ist zu begrüßen. Grundsätzlich sollten aber die Voraussetzungen, um als solcher fungieren zu können nicht der Landesärztekammer überlassen werden, sondern vom Gesetzgeber festgeschrieben werden. Ein Telenotarzt sollte mindestens 5 Jahre Erfahrung als regulärer Notarzt haben.

- Zur Begründung zu § 20: Es fällt auf, dass in der Begründung zu § 20 ein Postulat enthalten ist, dass es einen Vorrang von Maßnahmen nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 lit. c NotSanG vor solchen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. c i.V.m. § 2a NotSanG gäbe. Die wäre dann der Fall, wenn sich die Formulierung des Entwurfs zu § 2a Abs. 1 Nr. 3, 4 NotSanG durchgesetzt hätte (vgl. BT-Drs. 19/24447, S. 86). Dieser Vorschlag ist aber gerade nicht Gesetz geworden. Im Gegenteil, als eigenverantwortlich handelnder, heilkundliche Teil der Rettungskette (BayVGH, Beschl. v. 21.04.2021, Az. 12 CS 21.702, Rn. 69), steht den Notfallsanitätern ausdrücklich eine eigenverantwortliche Entscheidung über das heilkundliche Tätigwerden und in diesem Zusammenhang auch eine Einschätzungsprärogative zu (a.a.o., Rn. 58/59). Insofern steht es dem NotSan frei zu wählen, ob er eigenverantwortlich oder im Rahmen der Mitwirkung tätig wird und somit nur die Durchführungsverantwortung trägt, während der vorab delegierende Arzt die Anordnungsverantwortung trägt. Das oben ausgeführte soll aber ausdrücklich nicht für die Gabe von BtM gelten (vgl. § 13 Abs. 1b BtMG)

- Zu § 28: Es sollte hier zusätzlich klarstellend eingefügt werden, dass für die Einsatzkräfte im grenzüberschreitenden Rettungsdienst stets diejenigen Rahmenbedingungen gelten, die in ihrem Heimatland gelten. Nur so ist eine Rechtssicherheit für das beteiligte Rettungsdienstpersonal gewährleistet (vgl. als Beispiel Art. 5 der Vereinbarung über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Rettungsdienste in Frankreich und Baden-Württemberg vom 03.12.2021 und analog § 123 Abs. 2 PolG BW). Eine Regelung wie diejenige in § 9 Abs. 2 Saarländisches Rettungsdienstgesetz wäre ebenfalls wünschenswert.

Zu allgemeinen Fragestellungen und Problemen:
- Grundsätzlich sollte darüber nachgedacht werden, ausdrücklich die Möglichkeit für Notfallsanitäter, Transporte im Rettungswagen abzulehnen, an Krankentransportwagen zu verweisen oder in die Praxis zu niedergelassenen Ärzten durchzuführen, eruiert und normiert werden.

- Schließlich sollte ein häufiges Problem im Rettungsdienst adressiert werden: Es sollte eine klare Verpflichtung von Kliniken normiert werden, Patienten, welche vom Rettungsdienst eingeliefert werden, aufzunehmen (vgl. § 28 Abs. 3 LKHG). Die Entscheidung darüber, in welchem Rettungsmittel der Transport erfolgen soll und welches die geeignete Klinik ist, ist originäre und eigenverantwortliche Aufgabe des Notfallsanitäters (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. f NotSanG).

- Weiterhin wird angeregt, Sekundäreinsätze näher zu regeln (vgl. Regelung in Rheinland-Pfalz mit dem dortigen „Notfall- und Intensivtransportsystem“ mit Zentraler Koordinierungsstelle). Ziel sollte es hierzu sein, dass nicht Notärzte sondern Klinikärzte einen arztbegleiteten Transport begleiten sollen, um Notärzte für ihre eigentliche Aufgabe freizuhalten.

- Außerdem sollte darüber nachgedacht werden, eine ausdrückliche Einschränkung von Grundrechten im Rahmen von Rettungseinsätzen vorzusehen, um in entsprechenden Situationen die rettungsdienstliche Arbeit rechtssicher aufzustellen. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes), das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) und das Recht auf Fernmelde- und Kommunikationsgeheimnis (Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes). Eine entsprechende Regelung findet sich in diversen Rettungsdienstgesetzen anderer Länder (Beispielhaft: § 25 Bremisches Rettungsdienstgesetz, § 36 Thüringisches Rettungsdienstgesetz, § 23 Rettungsdienstgesetz Berlin, Art. 63 Bayerisches Rettungsdienstgesetz, § 36 Schleswig-Holsteinisches Rettungsdienstgesetz, § 74 Sächsisches Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz).

- Redaktionell sollte der Träger des Wasserrettungsdienstes wie folgt geschrieben werden: Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (vgl. die Vereinsregistereintragungen der DLRG Landesverband Baden e.V., AG Mannheim VR 100647 und der DLRG Landesverband Württemberg e.V., AG Stuttgart VR 2399).

Mit freundlichen Grüßen,

Dipl.-Jur. Christoph Hertweck, LL.M.
Notfallsanitäter