Fragen und Antworten zum Planungsleitfaden
Wir schaffen Augenhöhe zwischen Verwaltung, Vorhabenträger und Bürgerinnen und Bürger, indem die Behörden angehalten werden, auf eine stärkere Öffentlichkeitsbeteiligung bei wichtigen Infrastrukturvorhaben hinzuwirken. Wir schärfen die Vorbildfunktion des Landes, indem es klare Vorgaben für die Bürgerbeteiligung bei unseren eigenen Landesprojekten gibt. Wir sorgen für die Verknüpfung von informellen Beteiligungsformen und formellen Verfahren, belassen es aber beim Letztentscheidungsrecht der Behörden.
Ansatzpunkt sind Verwaltungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Da „streitige Großvorhaben“ kaum hinreichend genau bestimmt werden können, wurde ein formaler Ansatz gewählt. Nur Planfeststellungspflichtige Vorhaben und Verfahren, die nach dem Immissionsschutzrecht eine Öffentlichkeitsbeteiligung erfordern, sind vom Planungsleitfaden erfasst. Damit knüpft der Planungsleitfaden an der Wertentscheidung des Gesetz- und Verordnungsgebers an, der mit der Auswahl von Projekten, die der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung bedürfen, Erfahrungswerte bereits berücksichtigt hat. Als Beispiel können Verkehrswege, große Fabriken, Kraftwerke, Deponien oder der Hochwasserschutz genannt werden.
Nicht erfasst sind alle klassischen Bauvorhaben („Häuslebauer“, Gemeindehalle, Schulbau etc.). Dafür sind die Kommunen zuständig, die von einer VwV für Landesbehörden gar nicht erfasst werden können.
Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung findet vor Antragstellung statt, die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt parallel zum normalen Verwaltungsverfahren, das mit dem Antrag beginnt. Dort gibt es bereits eine förmliche Beteiligung. Die nicht-förmliche Beteiligung geht über das Gesetz hinaus. Sie soll die gesetzlich vorgesehene Beteiligung flankieren und wo notwendig intensivieren. Denn gesetzliche Beteiligungsformate sind nicht auf Diskurs, sondern vorrangig auf Protokollierung und Rechtssicherheit angelegt.
Eine Verwaltungsvorschrift (VwV) darf Gesetze nicht ändern. Im Planungsrecht sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen von Antragstellern zu beachten. Die VwV, mit der der Planungsleitfaden umgesetzt wird, enthält jedoch wichtige Wertentscheidungen, die von der Verwaltung im Rahmen ihres Ermessens zu beachten sind. Es geht um eine neue Planungskultur, die mit solchen Wertentscheidungen begründet wird. Dies wird rechtstechnisch mit diesen Formulierungen, die über das gesetzliche Mindestmaß hinaus weisen, umgesetzt.
Die VwV enthält verbindliche Vorgaben für die Landesverwaltung. Dieser hohe Grad der Verbindlichkeit ist bundesweit einmalig. Besonders hervorzuheben sind die neuartigen Scharniere zwischen informeller Beteiligung und Verwaltungsverfahren (z.B. Amtsermittlung hinsichtlich der Erkenntnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung oder Begründungsrelevanz dieser Erkenntnisse). Die Verwaltung ist an diese Vorgaben gebunden wie an ein Gesetz. Das ergibt sich aus dem hierarchischen Aufbau der Landesverwaltung, denn die VwV wird von den Ministerien als den obersten Landesbehörden erlassen.
Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag lautet, Handlungsspielräume innerhalb des bestehenden Rechts aufzuzeigen.
Parallel zum Leitfadenprozess laufen die Abstimmungen für gesetzliche Reformen zu Gunsten von mehr Bürgerbeteiligung im Planungsrecht. Der Planungsleitfaden bietet mit seinen Ideen die Blaupause für neue gesetzliche Regelungen im Land und Bund. Im Landesumweltverwaltungsgesetz wird es zum Beispiel zahlreiche neuartige gesetzliche Regelungen zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung geben, die bundesweit einzigartig sein werden. Auf Bundesebene wirbt die Landesregierung massiv für bessere gesetzliche Regeln der Bürgerbeteiligung.
Allerdings kann das Land Baden-Württemberg keine neue Rechtssystematik einführen. Dazu fehlt die Gesetzgebungskompetenz. Ferner gilt im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht der Grundsatz der Simultangesetzgebung im Bund und in den Ländern. Alleingänge des Landes Baden-Württemberg sind daher nicht möglich.
Das kommt auf die Sichtweise an. Denn es wird das Beteiligungsscoping eingeführt, das bei Landesvorhaben die Behörden anhält, sich mit Bürgerinnen und Bürger früh bereits über die Notwendigkeit und ggf. über geeignete Formen der Bürgerbeteiligung auszutauschen. Hier kommt der Grundsatz der Augenhöhe zum Ausdruck. Allerdings können mit einer VwV die Gesetze, die insofern bundesrechtlich geprägt sind, nicht geändert werden. Der Koalitionsvertrag sieht deshalb vor, dass der Planungsleitfaden innerhalb des geltenden Rechts Spielräume aufzeigen soll. Das haben wir umgesetzt. Im Übrigen ist es nach dem Subsidiaritätsprinzip wichtig, Entscheidungen über das richtige Maß der Bürgerbeteiligung vor Ort zu treffen. Bürgerbeteiligung lässt sich in kein Schema pressen, das von der Landesregierung über das ganze Land gelegt werden könnte.
Jedes Planungsvorhaben ist anders. Es ist vor Ort zu entscheiden, welche Form der Bürgerbeteiligung geeignet ist. Das Erfahrungswissen hierzu wächst täglich. Einengende Vorgaben werden daher vermieden. Ferner gibt es bereits zahlreiche Übersichten zu den verschiedenen Methoden der Bürgerbeteiligung.
Diese Frage war für uns zentral. Wir haben mit dem Beteiligungsscoping eine elegante Lösung gefunden. Der Vorhabenträger - bei Landesprojekten also die planende Behörde - soll zwar in jeder Planungsphase das Beteiligungsscoping durchführen. Damit schaffen wir, je nach Situation, einen Ein- oder Ausstieg in die oder aus der Bürgerbeteiligung. Aber dies entspricht bereits der bereits häufig durchgeführten guten Praxis der Landesverwaltung, die Idee kommt ja auch von dort. Es bleibt am Ende beim Entscheidungsrecht der Behörde, etwas anderes wäre rechtlich auch gar nicht zulässig. Mit dem Beteiligungsscoping kann aber früh sondiert werden, ob Bürgerbeteiligung neben den gesetzlich vorgesehenen Formaten überhaupt nötig ist. Damit wird verhindert, dass Bürgerbeteiligung quasi nach Schema F auch bei völlig unstreitigen Verfahren durchgeführt werden muss.
Das hängt davon ab, wer Antragsteller, also Vorhabenträger, ist. Dritte Vorhabenträger, neben dem Bund und den Kommunen sind das vor allem Private, sollen die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung und die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung selbst und auf eigene Kosten durchführen. Allerdings können sie nicht dazu gezwungen werden, überhaupt eine Öffentlichkeitsbeteiligung zu beginnen. Doch ist es inzwischen üblich und „lege artis“, Beteiligungskosten einzukalkulieren. Verwiesen wird auf eine Empfehlung des VDI vom 12. März 2013. Deshalb wird bei Großvorhaben die Bürgerbeteiligung praktisch nicht an den Kosten scheitern.
Bei Vorhaben des Landes muss das Land die Kosten für die frühe und für die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung tragen. Das muss entsprechend budgetiert werden.
Bürgerbeteiligung ist ein Oberbegriff. Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist ein rechtlich ausgeformtes Instrument und bezieht sich auf die Bürgerbeteiligung vor Beginn des Verwaltungsverfahrens. Die nicht-förmliche Öffentlichkeitsbeteiligung ergänzt die gesetzlichen Beteiligungsformate nach Antragstellung, also im Verwaltungsverfahren. Oft wird irrtümlich die Bürgerbeteiligung mit Abstimmungen gleichgesetzt.
Wenn es um Landesvorhaben geht, sind die planenden Behörden in der Pflicht, die Öffentlichkeitsbeteiligung als Vorhabenträger selbst durchzuführen.
Bei dritten Vorhabenträgern wäre angesichts der Vorgaben zur Haushaltskonsolidierung ein Eingreifen der Behörden praktisch nicht umsetzbar. Entweder müssten die Behörden personell extrem ausgebaut werden, oder die Behörden müssten private Dienstleister auf Kosten der Vorhabenträger beauftragen. Im Übrigen liegt die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ordnungspolitisch im Interesse der Vorhabenträger. Deshalb sollten diese auch dafür verantwortlich sein. Behörden sind keine Akzeptanzbeschaffer.
Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung berücksichtigt ferner eine rechtliche Problematik. Denn erst wenn ein Antrag vorliegt, sind Behörden für die Verfahrensgestaltung zuständig. Im Zeitpunkt der Antragstellung sind jedoch schon wichtige planerische Grundentscheidungen getroffen worden. Die Öffentlichkeitsbeteiligung käme zu spät. Deshalb werden die Behörden mit dem Planungsleitfaden verpflichtet, vor Antragstellung im Wege der Rechtsberatung die Vorhabenträger zur frühen Öffentlichkeitsbeteiligung zu motivieren. Zumindest diese Beratung kann geregelt werden. Ein Gesetz kann das Verhalten von privaten Vorhabenträgern regeln. Die VwV regelt nur das Behördenverhalten.
Dies hängt vom Einzelfall ab. In der Regel hat der Vorhabenträger ein großes Eigeninteresse an einer gelungenen Bürgerbeteiligung. Um Missbrauch, vor allem die Sorge vor Missbrauch, einzudämmen, wird die Amtsermittlung ausdrücklich auf die Erkenntnisse der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung erstreckt. Somit wird gesichert, dass Manipulationen erkannt werden.
Der Leitfaden gibt die Kernidee vor, dass auf jeder Projektstufe eine passende Form der jeweils frühestmöglichen Bürgerbeteiligung geboten ist. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung aus der Raumordnung hilft, so früh und gut sie gewesen sein mag, wenig bei der Baustellenabwicklung. Dort sind ganz andere Fragestellungen und ein ganz anderer Betroffenenkreis zu beachten als auf vorgelagerten Projektstufen.
Mit dem Beteiligungsscoping haben wir ein entscheidendes Mittel für mehr Flexibilität. Es steht außer Frage, dass zu starre Vorgaben der Bürgerbeteiligung die Lebendigkeit nehmen würden. Deshalb kann mit dem Beteiligungsscoping in jeder Planungsstufe das Maß der Bürgerbeteiligung neu austariert werden. Im Beteiligungsscoping wird ein Fahrplan für die Bürgerbeteiligung erstellt. Dabei wird geprüft, ob ein Mehr an Bürgerbeteiligung nötig ist und wenn ja, welche Formate zusätzlich eingesetzt werden sollen. Angesichts jahrelanger Planungsprozesse ist solch ein Anker nötig. Und wenn ein Landesvorhaben offenkundig unstreitig ist, müssen Behörden auch nicht zu einem Termin einladen. Wir wollen jeden unnötigen Aufwand vermeiden und die Bürgerbeteiligung auf die wirklich streitigen Vorhaben konzentrieren.
Bürgerinnen und Bürger erheben oft den Vorwurf, die Umweltschutzbelange wären wichtiger als die Anliegen der von Infrastrukturprojekten betroffenen Menschen. Es wird kritisiert, dass Aspekte, die die Lebenswirklichkeit betroffener Bürgerinnen und Bürger darstellen, in den Verfahren schlicht nicht auftauchen. Das EU-Recht führt tatsächlich zu einer sehr starken Stellung des Naturschutzrechtes. Der Planungsleitfaden belässt es, da es sich um eine VwV handelt, bei den Wertentscheidungen der Gesetzgeber hinsichtlich einzelner Schutzgüter. Diese abzuwägen, bleibt Aufgabe der Behörde. Allerdings empfiehlt der Leitfaden, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die sich oft nicht exakt in gesetzlichen Bestimmungen spiegeln, noch ernster zu nehmen. Es ist eine grundlegende Herausforderung für die Landesverwaltung, Wertentscheidungen des Gesetzgebers zum Rang einzelner Schutzgüter zu erläutern und zu vertreten. Das Gemeinwohlinteresse lässt sich aber nur finden, wenn einzelne Interessen überhaupt Eingang in die Diskussionen finden können. Motive der Bürgerinnen und Bürger mögen für die rechtliche Würdigung irrelevant sein, für eine gelingende Bürgerbeteiligung sind sie oft elementar. Ziel ist also, die Würdigung der Bürgerargumente zu verbessern. Das ist das Gehörtwerden: selbst wenn gewichtige Argumente rechtlich unbedeutend sein mögen, sollen sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrem Vorbringen ernst genommen und gewürdigt sehen.
Planungsentscheidungen sind viel zu komplex für schematische Vorgaben. Deshalb enthält der Leitfaden Hinweise, wie die Interessen aller Beteiligten ausgeglichen werden können. Grundrechtlich verbürgte Positionen gibt es im Planungsrecht vor allem für die Vorhabenträger. Dieser starken Stellung sehen sich Bürgerinnen und Bürger oft hilflos ausgeliefert, was allen Seiten wenig hilft. Der Leitfaden sorgt deshalb dafür, das Prinzip der Augenhöhe zu wahren.
Eine wichtige Lehre aus Stuttgart 21 ist es, die Bürgerinnen und Bürger in Großvorhaben einzubinden. Es geht darum, in einem frühen Stadium, in dem noch über Bedarf oder Alternativen gesprochen werden kann, die Bürgerschaft mitgestalten zu lassen. Dabei gehen wir von einem neueren Demokratieverständnis aus. Die Verwaltungsverfahren sollen nicht Protest eindämmen, diesen gar durch kurze Fristen ausschalten. Wir gehen von einem Bürgerbild aus, bei dem es den Einzelnen um die Mitwirkung am Gemeinwesen geht – das geht also weit über den bisher rechtlichen Maßstab der direkten Betroffenheit hinaus. Demokratie bedeutet eben auch, dass man sich für wichtige Fragen der Gesellschaft interessiert und einbringt – auch wenn nicht der eigene Vorgarten betroffen ist. Wir müssen uns auch bewusst machen, dass die Lebenswirklichkeit eines Planers oder Verwaltungsbeamten eine andere ist als die eines Bürgers oder einer Bürgerin. Wir wollen mit der Bürgerbeteiligung daher die bekannten Grenzen von Planungsprozessen aufbrechen und möglichst viele Ansichten einbinden.
Bei dieser Frage gibt es keine Pauschalantwort. Aufgrund der fehlenden Gesetzgebungskompetenz kann Baden-Württemberg hier keinen Alleingang beschreiten.
Die von Infrastrukturplanungen Betroffenen haben kaum ein Interesse, sich überstimmen zu lassen, hoffen aber gleichzeitig mit lokalen Voten, ein Projekt verhindern zu können. Im Planungsrecht geht es aber meist um ganz spezielle und komplexe Fragen und auch individuellen Betroffenheiten, die gerade nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden können, sondern differenzierter Lösungen bedürfen. Planungsverfahren können aber auf politischen Entscheidungen basieren, die durchaus mit direktdemokratischen Verfahren entschieden oder hinterfragt werden könnten. Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, auf welcher politischen Ebene abgestimmt werden kann. Ist die Beantwortung bei kommunalen Angelegenheiten noch einfach, ist dies bei raumgreifenden Verfahren nicht ganz so einfach.
Ein Beispiel ist die Rheintalbahn: Es war kaum eine befriedigende Abstimmungsvariante zu den Trassenalternativen denkbar. Jede Trasse betrifft unterschiedliche Orte und Personenkreise. Die Frage wäre zunächst, welche Raumeinheit abstimmungsberechtigt ist (das ganze Land, der Regierungsbezirk, der Landkreis, die von der Trasse betroffenen Kommunen?). Damals kam vor Ort auch die Frage nach einem differenzierten Stimmgewicht auf: nach Köpfen, nach Distanz zum Projekt oder nach Betroffenheit anhand bestimmter Schutzgüter (z. B. Lärm). Dies widerspricht allerdings den allgemeinen Wahlgrundsätzen. Spinnt man die Frage nach direktdemokratischen Elementen weiter, kommt man ziemlich schnell zum Kern des Konflikts: Während Projekte als überregional bedeutend und als gesellschaftlich wie volkswirtschaftlich notwendig erachtet werden, können sie gleichzeitig auf lokale Ablehnung stoßen. Zwischen lokaler Ablehnung und überregionalen Bedürfnissen ist zu differenzieren.
Zu beachten ist ferner, dass bei vielen Vorhaben der Vorhabenträger einen Rechtsanspruch auf eine Genehmigung hat. Dieser Rechtsanspruch, der letztlich dem grundrechtlich geschützten Eigentumsrecht entspringt, kann durch Abstimmungen nicht ausgehebelt werden. Auch deshalb lässt Planungsrecht der direkten Demokratie derzeit keine nennenswerten Spielräume.
Die Bürgerbeteiligung hat selbstverständlich ihre Grenzen. Das gilt es immer offen zu kommunizieren. Deshalb geht es auch um Transparenz. Die rechtlichen und praktischen Grenzen der Bürgerbeteiligung müssen offen und ehrlich kommuniziert werden. Und es muss auch bei der Bürgerbeteiligung offen und ehrlich über den Nutzen von Infrastrukturvorhaben gesprochen werden. Das kann oft nur in bilateralen Gesprächen gelingen. Solche bilateralen Kontakte können genau wie der Einsatz von Zufallsbürgern eine aufgeheizte Stimmung beruhigen.
Der Planungsleitfaden weist ausdrücklich darauf hin, dass Verwaltung und Vorhabenträger sich solchen Emotionen stellen müssen. Es ist aber sinnvoll, auch aus Gründen der Fürsorge gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, in emotional aufgeheizten Verfahren erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder professionelle Moderatorinnen oder Moderatoren zu beauftragen. Das muss entsprechend budgetiert werden. Genauso wie Verwaltung und Vorhabenträger sich diesen Emotionen stellen müssen, ist auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger ein Lernprozess zu erwarten. Erst langsam verbreitet sich die Erkenntnis, dass Bürgerbeteiligung nichts mit direkter Demokratie zu tun, aber auch nicht Ausfluss des Demonstrationsrechtes ist. Die Bürgerbeteiligung setzt auf den Dialog. Davon unberührt ist das Demonstrationsrecht. Es wäre aber ein Missbrauch der Bürgerbeteiligung und eine Missachtung der engagierten Bürgerinnen und Bürger, wenn die Bürgerbeteiligung als Plattform für laute Demonstrationen missbraucht wird, so dass der Dialog unmöglich wird.
Wir haben ein halbes Jahr lang intensiv mit Expertinnen und Experten, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesverwaltung sowie mit Verbänden der Zivilgesellschaft, Bürgerinnen und Bürger und Politikern den Planungsleitfaden gemeinsam gestaltet. Das setzte neue Maßstäbe für den Umgang einer Regierung mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit den Abgeordneten sowie mit Ihren Bürgerinnen und Bürgern. Ferner muss eine VwV alle Landes- und Bundesgesetze sowie das komplizierte föderale Zuständigkeitsgeflecht beachten. Die Landesregierung nahm zudem Aspekte der Kosten der Bürgerbeteiligung sehr ernst. Es wurde durch das Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass mehr Bürgerbeteiligung im Idealfall sogar Stellen einsparen kann.
Der Planungs-Leitfaden wird selbstverständlich evaluiert und ggf. angepasst. Er steht auch für einen laufenden Austausch zwischen nachgeordneten Behörden und der Regierung über die Frage, was gute Bürgerbeteiligung ist.
Diese Sorge ist nachvollziehbar. Bereits jetzt ist die Bürgerbeteiligung dort gute Praxis. Die meisten Ideen für den Planungsleitfaden stammen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es geht darum, die verschiedenen Praktiken zu harmonisieren, einen Austausch über die bewährtesten Formen zu erhalten und ein Netzwerk für den Austausch der mit der Bürgerbeteiligung tangierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gründen. So wurde eine bundesweit vorbildliche wissenschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse der Bürgerbeteiligung und des Planungsleitfadens durchgeführt – mit überraschenden Ergebnissen. Wir nahmen die Anliegen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedenfalls sehr ernst.
Derzeit wertet das Innenministerium die Evaluation des Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes aus. Es macht Sinn, aus diesen Erfahrungen zuerst Schlüsse zu ziehen. Ferner überlegen wir, ob nicht bereits jetzt ohne gesetzliche Regelung eine Art Planungsregister aufgebaut werden kann. Die Idealvorstellung ist, dass jede Bürgerin, jeder Bürger, mit ein, zwei Mausklicks auf die Landkarte alle Infrastrukturplanungen findet, die seinen Wohnort betreffen. Dabei dürfen die verschiedenen Zuständigkeitsebenen Bund, Land und Kommunen keine Rolle spielen, denn die wenigsten Bürger wissen, welche Körperschaft letztlich zuständig ist. Deshalb gibt es ein Pilotprojekt mit dem Städtetag sowie vier Städten in Baden-Württemberg (Heidelberg, Lörrach, Heidenheim, Ditzingen).
Die Behörden wirken mit dem Planungsleitfaden noch stärker als Lotse und Berater. Es entstehen durch den Planungsleitfaden keine Mehrbelastungen für Unternehmen. Die Entwicklung in der Wirtschaft ist jedoch schon so weit, dass dort die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Aufgabe des Managements erkannt wurde. Neue Richtlinien des Verbandes der Ingenieure (VDI 7000 und 7001) greifen dies im Detail auf. Bürgerbeteiligung ist bei Ingenieuren daher „state oft the art“ bei der Planung von Großvorhaben.
Die Erstellung des Planungsleitfadens hat das Staatsministerium rund € 150.000 gekostet. Dies wurde vom dem Etat der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung getragen. Es waren Reisespesen der Expertinnen und Experten und von Zufallsbürgern im Rahmen des dreistufigen Beteiligungsprozesses zu übernehmen. Externe juristische Impulse waren zu finanzieren. Der weitaus größte Kostenanteil war für die Organisation des Beteiligungsprozesses und die damit verbundenen Dokumentationsarbeiten aufzuwenden. Dafür wurde ein externer Dienstleister, die IFOK GmbH, beauftragt.