1. Minderung thermischer Belastung
Vor allem bei Älteren, Kleinkindern und chronisch Kranken kann Hitze zu starken Belastungen des Herz-Kreislaufsystems führen.
In großstädtischen Verdichtungsgebieten sollte eine kommunale Einrichtung („HeatScout“) zur Information, praktischen Unterstützung und Hilfe für vulnerable Personengruppen geschaffen werden. Diese interkulturell kompetente Anlaufstelle gewährt Individuen und Familien schnelle Hilfe bei hitzebedingten Problemen und akuten gesundheitlichen oder materiellen Notfällen. Diese quartiersbezogene Vertrauensstelle kann im Rahmen anderer Programme (z.B. „Soziale Stadt“) geschaffen werden und weitere Aufgaben übernehmen. Eine Koordination mit Beratungs- und Hilfsangeboten sozialer Dienste wird für sinnvoll erachtet. Hilfsangebote sollen auch eine aufsuchende Beratung und Unterstützung im Bedarfsfall inkludieren.
Zuständigkeit: Kommunen, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Soziale Dienste
Betroffene Akteure: vulnerable Bevölkerungsgruppen in Großstädten
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurz- bis mittelfristig, niedrige Dringlichkeit
Während Hitzeepisoden werden klimatisierte Innenräume speziell in Innenstädten zur Verfügung gestellt, die besonders ältere Menschen nutzen können, um sich dort vom Hitzestress erholen, abkühlen und erfrischen zu können. Dies könnten öffentliche Einrichtungen speziell für bedürftige und ältere Menschen anbieten und mit einer medizinischen Hilfeleistung oder Beratung verknüpfen (Seniorenzentrum). Wegweiser führen zu den Einrichtungen. Sinnvoll wäre zudem, wenn es für große Kaufhäuser die Regel werden würde, einen solchen Raum als Ruheraum kostenlos (ohne Konsumzwang) für alle Menschen anzubieten. Dies könnte durch Kampagnen vergleichbar mit der „netten Toilette“ gefördert werden. Auch Vermieter könnten ggf. bisher weitgehend ungenutzte Räume anbieten. Zu einer weiteren Hitzeentlastung können zusätzliche Kühlungsmaßnahmen (z. B. Kühlwesten) beitragen.
Zuständigkeit: Stadtverwaltungen
Betroffene Akteure: Unternehmen in Innenstädten (z.B. Kaufhäuser) und öffentliche Hand, ggf. Vermieter
Zeithorizont/Dringlichkeit: mittelfristig
Hohe Ozonkonzentrationen treten häufig im Zusammenhang mit Hitzewellen auf. Maßnahmen zum Schutz vor erhöhten Ozonkonzentrationen sollten daher immer auch im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen verstärkte Hitzeeinwirkung gesehen werden und umgekehrt. Aus diesem Grund sollte der Ozoninformationsdienst und der Hitzewarndienst zusammengeführt werden. Dies gilt auch für andere Luftschadstoffe (z.B. NOx, Feinstaub). Nutzung von neuen Kommunikationswegen für den Ozonwarndienst (Abruf von aktuellen Ozoninformationen aus der Region über Smartphones; Ozonwarnung bei Überschreitung der Schwellenwerte könnte als App auf den Smartphones installiert werden). Es sollte nicht nur vor zu hohen Ozonkonzentrationen, sondern auch vor weiteren klimabedingten Risiken (ggf. auch vor Extremereignissen) gewarnt werden. Die Warndienste sollten zusammengeführt werden. Um eine Informationsflut zu vermeiden sollten diese Warndienste mit bereits bestehenden Warndiensten koordiniert werden. Die Adressatengruppe ist zu beachten.
Zuständigkeit: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft
Betroffene Akteure: LUBW und DWD, weitere Akteure wie Versicherungen, öffentlich-rechtliche Medien, Apotheken, Sparkassen etc.
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig
2. Bekämpfung von Vektoren, Infektionskrankheiten, Allergenen und Toxinen
Die Klimaveränderungen begünstigen die Ausbreitung wärmeliebender Pflanzen- und Tierarten, die u.a. Tropenkrankheiten übertragen oder Allergien auslösen können.
Durch Information und Bewusstseinsbildung zu Tropenkrankheiten, die auch in Baden-Württemberg heimisch zu werden drohen, sollen diese frühzeitig erkannt und effektiv behandelt werden. Dazu sollten entsprechend spezialisierte Diagnose- und Therapiekapazitäten (ärztliche Kompetenzbildung) bereitgestellt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang sind auch die Umsetzung (reise-)-medizinischer Prophylaxemaßnahmen und damit die Prävention von Infektionen und anderen reiseassoziierten Erkrankungen.
Zuständigkeit: Tropenmedizinische Institute an Universitäten und Kliniken, medizinische Fachgesellschaften, Ärztekammern
Betroffene Akteure: Ärzte, medizinisches Personal, Patienten, Reisende in Endemiegebiete
Zeithorizont/Dringlichkeit: mittelfristig, mittlere Dringlichkeit
Durch den Aufbau eines Warn-, Bekämpfungs- und Kontrolldienstes für gesundheitsgefährdende Pflanzen und Tiere (VASS = Vektoren, Allergene, Schadtiere, Schadpflanzen) sollen die Gefahren für die Bevölkerung verringert werden. Im Einzelnen umfasst die Maßnahme: Information der Bevölkerung bzw. von Bevölkerungsgruppen über Schadtiere und Pflanzen, frühzeitige Warnung beim Auftreten von Schadorganismen, aktive und systematische Bekämpfung sowie Kontrolle von Verdachtsstellen und Überwachung der Maßnahmen. Die bereits bestehende Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) sollte in diesem Sinne weiterentwickelt werden.
Zuständigkeit: Landkreise
Betroffene Akteure: Bevölkerung, Flächeneigentümer
Zeithorizont/Dringlichkeit: möglichst frühzeitiger Beginn der Maßnahme und Aufbau auf bestehende Ansätze, mittlere Dringlichkeit
Neue Lehrstühle für Parasitologie sollten geschaffen und bestehende ausgebaut werden. Eine fortlaufende und langfristige Erfassung (Kartierung) sowohl der Vektoren als auch der Reservoir-Wirte ist erforderlich. Denn es liegen nur unzureichende Kenntnisse vor über die Verbreitung und die Anzahl der Vektoren, die Erkrankungen übertragen können, sowie die Dichte der Reservoir-Wirte, die Vektoren - neben dem Menschen - zum Blutsaugen aufsuchen und durch die der Infektionszyklus aufrechterhalten wird. Die künftige Ausbreitung der Vektoren und Wirte sollte modelliert und Grundlagenforschung zur Interaktion Vektor-Pathogen sowie die Impfstoffentwicklung vorangetrieben werden.
Zuständigkeit: Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Universitäten, Gesetzgeber (Kartierung)
Betroffene Akteure: Universitäten, Landratsämter
Zeithorizont/Dringlichkeit: mittel- bis langfristig
3. Arbeitsschutz
Die Arbeitsumgebung und die Art der Arbeit haben einen großen Einfluss auf die Exposition des Einzelnen gegenüber Klimaveränderungen. Besonders betroffen sind z.B. Beschäftigte in Außenberufen.
Durch Arbeitsschutzmaßnahmen und Vorsorge soll die berufliche UV-Strahlen-Exposition verringert werden. Geeignete Maßnahmen dafür sind: Technische Regeln für Arbeitsstätten im Freien mit Vorgaben für Mindestschutzmaßnahmen sowie arbeitsmedizinische Vorsorge bei Exposition gegenüber natürlicher UV-Strahlung, bei Hitze, bei Ozonbelastung und bei (Sommer-)Smog. Dazu gehören Beratung und die Etablierung einer Screening-Untersuchung der Haut als Pflichtvorsorge-Maßnahme des Arbeitgebers. Bei extremen Ereignissen sollten die Arbeitszeiten angepasst oder stationäre Einrichtungen angeboten werden.
Zuständigkeit: Ausschuss für Arbeitsstätten (BMAS), Unfallversicherungsträger, untere Verwaltungsbehörden, Betriebsärzte
Betroffene Akteure: Arbeitgeber, Sicherheitsfachkräfte, Betriebsräte, Berufsgenossenschaften, Selbstverwaltungen der Unfall- und Krankenkassen
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, mittlere Dringlichkeit (steigende Inzidenz des Hautkrebses, Schutzmaßnahmen bestehen bereits jetzt)
Programm zur Verbesserung des Raumklimas für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Ziel ist die Schaffung eines guten Raumklimas. Wie dieses erreicht wird, soll den Unternehmen überlassen sein. Dämmung ist dabei ein möglicher Weg. Durch die Dämmung von Produktionsstätten von KMU gegen Strahlungshitze können dort insbesondere im Sommerhalbjahr erträgliche Raumtemperaturen geschaffen werden. Diese Maßnahme trägt dazu bei, die berufliche Leistungsfähigkeit der Beschäftigten zu erhalten und die Unfallgefährdung zu verringern. Die Dringlichkeit der Maßnahme ergibt sich aus der Tatsache, dass viele Produktionsstätten aus Zeiten vor dem Inkrafttreten der Energieeinsparverordnung (EnEV) stammen. Sie wurden damals aus Kostengründen einfach und ohne Wärmedämmung gebaut. Durch nachträgliche Dämm-Maßnahmen, insbesondere der Dächer, soll erreicht werden, dass bei Sonneneinstrahlung keine zu hohen Raumtemperaturen entstehen. Auch in der kühleren Jahreszeit ist diese Maßnahme nützlich, weil sie den Heiz- und Energiebedarf reduziert.
Zuständigkeit: Gesetzgeber (Bund, Länder)
Betroffene Akteure: Unternehmen, Besitzer von Produktionsbetrieben (KMU)
Zeithorizont/Dringlichkeit: langfristig, hohe Dringlichkeit
4. Vorsorgeuntersuchungen
Die Hautexposition gegenüber UV-Strahlung wird sich voraussichtlich erhöhen. Damit steigt auch das Risiko gesundheitlicher Erkrankungen wie Hautkrebs.
Ziel der Maßnahme ist die Früherkennung und –behandlung von Hautkrebs und seinen Vorstufen und damit die Reduzierung der Morbiditäts- und Mortalitätsraten (lat. naevus = Muttermal). Geeignete Maßnahmen dazu sind die Sensibilisierung der medizinischen Fachberufe hinsichtlich des angebotenen ärztlichen Naevi-Screenings und ggf. Information der Patienten hierüber bei Auffälligkeiten, Routineuntersuchungen bei medizinischen Behandlungen, Kostenerstattung des Screenings durch Krankenkassen/Versicherungen.
Zuständigkeit: Gesundheitsministerium, Krankenkassen, Ärztekammern
Betroffene Akteure: Krankenkassen, Haus- und Hautärzte, Physiotherapeuten, Masseure und medizinische Bademeister, Fachverband der Dermatologen
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, hohe Dringlichkeit wegen zurzeit steigender Inzidenz des Hautkrebses
5. Bewusstseinsbildung, Kommunikation und Information
Ziel der Maßnahme ist es, die Bevölkerung über die Gefahren der Hitzebelastung und der UV-Strahlung aufzuklären und vorbeugendes Verhalten zu fördern (z.B. Anpassung des Freizeitverhaltens, Bräunung als Hilferuf und nicht als Schönheitsideal begreifen, Trinkverhalten). Dazu sollte in den Medien eine Aufklärungskampagne durchgeführt werden, die beispielsweise bei erhöhtem UV-Index intensiviert wird (z.B. zusätzliche Informationen im Wetterbericht). Im Schulunterricht sollten entsprechende Informationen und Verhaltensregeln vermittelt werden.
Ein besonderer Fokus sollte dabei auf der Sensibilisierung von Lehrerinnen und Lehrern als auch von Schülerinnen und Schülern hinsichtlich klimaresilientem Handeln liegen.
Zuständigkeit: Landesministerien, Wetterdienst
Betroffene Akteure: Öffentlicher Gesundheitsdienst, Vorschuleinrichtungen und Schulen, Sportvereine, Arbeitgeber für Außenberufen
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, hohe Dringlichkeit wegen zurzeit steigender Inzidenz des Hautkrebses
Darstellung des Zusammenhangs zwischen Klimawandel und Luftschadstoffen
Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und sich verändernden Luftschadstoffkonzentrationen soll im Sinne der Schaffung von Informationsgrundlagen in einer vergleichenden Studie untersucht werden.
Zuständigkeit: Landesregierung (UM)
Betroffene Akteure: Kommunen (Grünordnungsämter), Regierungspräsidien, Verkehrsbetriebe
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig
Kommentare : Gesundheit
Die Kommentierungsphase ist beendet. Vielen Dank für Ihre Kommentare!
Thermische Belastung vulnerabler Personengruppen
Mit Blick auf Punkt 5, Maßnahme "Aufklärung zur klimaangepassten Verhaltensweise" wäre es wünschenswert, den engen Zusammenhang von Gefahren durch Hitzebelastung und vulnerablen Personengruppen deutlicher darzustellen. Sensibilisierung, Information und Aufklärung bzgl. Trinkverhalten, eines angepassten Tagesablaufs aber auch die Einbindung von
Mit Blick auf Punkt 5, Maßnahme "Aufklärung zur klimaangepassten Verhaltensweise" wäre es wünschenswert, den engen Zusammenhang von Gefahren durch Hitzebelastung und vulnerablen Personengruppen deutlicher darzustellen. Sensibilisierung, Information und Aufklärung bzgl. Trinkverhalten, eines angepassten Tagesablaufs aber auch die Einbindung von Nachbarschaftshilfen können eine wesentliche Vorsorgemaßnahme darstellen. Im Fokus stehen insbesondere vulnerable Personengruppen, die nicht über institutionalisierte Einrichtungen, wie z. B. Pflege- und Altenheime, versorgt werden. Die Zuständigkeit liegt in diesem Falle auch bei den Kommunen, die derartige Kampagnen initiieren können. Die hohe Dringlichkeit der gesamten Maßnahme sollte nicht auf das Thema Hautkrebs reduziert werden.
Schule und Büros der Landesverwaltung
Es bedarf wohl nicht teurer Projekte, um zu erkennen, dass Hitze nicht unbedingt förderlich ist. Konkret könnte dafür gesorgt werden, dass sich staatliche Büros nicht auf fast 30 Grad aufheizen und an Schulen es nicht mehr dem einzelnen Lehrer überlassen bleibt, Schüler zu jeder Tageszeit und bei jeder Außentemperatur zu sportlichen
Es bedarf wohl nicht teurer Projekte, um zu erkennen, dass Hitze nicht unbedingt förderlich ist. Konkret könnte dafür gesorgt werden, dass sich staatliche Büros nicht auf fast 30 Grad aufheizen und an Schulen es nicht mehr dem einzelnen Lehrer überlassen bleibt, Schüler zu jeder Tageszeit und bei jeder Außentemperatur zu sportlichen Höchstleistungen anzutreiben.