1. Hoch- und Niedrigwasser
Entsprechend ihrer besonderen Bedeutung betreffen die meisten dringlichen Maßnahmen die Bereiche Hoch- und Niedrigwasser.
Betroffene an der Festlegung der Anpassungsmaßnahmen beteiligen und informieren
Die flächendeckend vorhandenen Hochwasserpartnerschaften, ein Zusammenschluss von Kommunen, Fachverwaltungen und Institutionen innerhalb eines Einzugsgebietes, sollen sich mit den örtlichen Auswirkungen des Klimawandels und ggf. dadurch erforderlichen Anpassungsmaßnahmen befassen. Die Bevölkerung muss über ihr Hochwasserrisiko und über Vorsorgemaßnahmen aufgeklärt werden. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Hochwasserrisiko soll gefördert werden. Hochwassergefahrenkarten dienen hierbei als Grundlage. Durch Flächenvorsorge (d.h. Freihalten überflutungsgefährdeter Flächen), Risikovorsorge (d.h. nur angepasste Nutzungen) und Bauvorsorge (insbesondere durch Abschirmung und Abdichtung) lassen sich Schäden an Gebäuden und Gefahren für Mensch und Umwelt vermeiden. Privatleute sollten eine Elementarschadenversicherung abschließen, um die monetären Schäden einzugrenzen.
Zuständigkeit: Land, Kommune, Privatpersonen
Betroffene Akteure: Bevölkerung, Land- und Forstwirtschaft, Industrie und Gewerbe
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, hoch
Der „Lastfall Klimaänderung“ ist seit 2005 bei Planungen von technischen Hochwasserschutz-maßnahmen mit zu untersuchen. Hierbei ist ein regionalspezifischer Zuschlag („Klimaände-rungsfaktor“) zum derzeit gültigen Bemessungswert (zum Beispiel HQ100) zu berücksichtigen, dessen Höhe bei Erfordernis anzupassen ist. Je nachdem welche Konsequenzen und Mehrkosten sich dadurch für die Auslegung der Ma߬nahmen ergeben, ist zu entscheiden, wie der Lastfall Klimaänderung berücksichtigt wird. Wird die Klimaänderung nicht bereits beim Bau berücksichtigt, sind die Baumaßnah¬men so zu konzipieren, dass sie ggf. mit geringem Bedarf nachgerüstet werden können. Flächen für potenzielle Dammerhöhungen oder Rückhalteräume sollten freigehalten werden.
Zuständigkeit: Kommunen, Land, Zweckverbände
Betroffene Akteure: Land- und Forstwirtschaft, Naturschutz, Ingenieurbüros, Bevölkerung, Untere Wasserbehörde
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, hoch
Hoch- und Niedrigwasser können durch Wasserrückhalt in der Fläche besser abgepuffert werden. Deshalb sollten wo möglich Auenflächen und naturnahe Überflutungsflächen gesichert (z.B. durch Flächenfreihaltung), gefördert und reaktiviert, soweit sinnvoll auch Dämme rückverlegt sowie Moore und Feuchtgebiete erhalten und reaktiviert werden. Durch land- und forstwirtschaftliche Maßnahmen kann der Oberflächenabfluss gemindert und die lokale Versickerung gefördert werden. Die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung trägt zur lokalen Grundwasserneubildung bei.
Zuständigkeit: Kommunen, Land, Land- und Forstwirtschaft
Betroffene Akteure: Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft
Zeithorizont/Dringlichkeit: mittelfristig, hoch
Niedrigwasserabflüsse genauer erfassen, Vorhersagen auf kleine Einzugsgebiete erweitern
Die bestehende Niedrigwasservorhersage (Szenario in Trockenperioden: „Kein Niederschlag in den kommenden sieben Tagen“) kann durch eine genauere Erfassung von Niedrigwasserabflüssen an den Pegeln weiter verbessert werden. Eine Ausdehnung der Niedrigwasservorhersage auf besonders gefährdete Gewässer mit Einzugsgebieten kleiner 150 km² ist zu prüfen. Kritische Gewässersituationen können frühzeitiger erkannt werden. Nutzer können eventuelle Entnahme-Einschränkungen im Voraus besser einplanen.
Zuständigkeit: Land
Betroffene Akteure: Nutzer der Gewässer: Kraftwerksbetreiber, Industrie und Gewerbe, Landwirtschaft, Bevölkerung
Zeithorizont/Dringlichkeit: hoch; die Vorhersagen sind dauerhaft durchzuführen
2. Siedlungsentwässerung und Trinkwasserversorgung
Auch bei der Siedlungsentwässerung und der Trinkwasserversorgung sind Anpassungsmaßnahmen zeitnah anzugehen.
Kommunales Risikomanagement „Überflutungsschutz“ umsetzen und integrierte Planungsprozesse für eine wassersensitive Stadtentwicklung etablieren
Die Bemessungsgrundlagen für Kanalnetzberechnung und Überflutungsprüfung sind ggf. den fortschreitenden Erkenntnissen anzupassen. Daher sollten die Kommunen Überflutungskarten (z.B. Überflutung durch überlastete Kanalisation) und darauf aufbauend Gefährdungsanalysen entwickeln, die die Topografie, die Siedlungs- und Freiraumstruktur sowie die Bebauungstypen berücksichtigen. Überflutungskarten zeigen die bei Starkregenereignissen überflutungsgefährdeten Bereiche. Daraus lassen sich vorsorgende Maßnahmen ableiten: von der Flächenvorsorge über die Minderung, Steuerung und Lenkung des Abflusses innerhalb der Bebauung und in Außengebieten bis hin zur Informations- und Verhaltensvorsorge.
Die gesplittete Abwassergebühr trägt zur Minderung des Oberflächenabflusses und zur Erhöhung der lokalen Versickerung von Niederschlagswasser sowie zur Sensibilisierung der Bevölkerung bei.
Zu einer wassersensitiven Stadtentwicklung gehört auch die dezentrale Regenwasserbewirtschaftung und Wasser als Gestaltungsmittel städtischer Freiraumplanung. Die Entwässerungsplanung sollte frühzeitig in stadtplanerische Konzepte integriert werden. Anlässe dafür könnten beispielsweise ein Stadtumbau im Bestand oder ein im Rahmen der Gefährdungsanalyse festgestelltes Überflutungsrisiko sein.
(siehe auch Stadt- und Raumplanung, Maßnahme „Durchführung von Stadtumbaumaßnahmen zur klimaangepassten Siedlungsentwicklung“)
Zuständigkeit: Kommunen
Betroffene Akteure: Aufsichtsbehörden, Stadtentwässerung, Planer, Bevölkerung, Gewerbebetriebe
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, hoch
Bei häufigeren und stärkeren Hochwasserereignissen steigt die Überflutungsgefahr von Kläranlagen und Regenwasserentlastungsanlagen. Die Anlagen sollten daher entsprechend ihrer Gefährdungslage auf ein höheres Bemessungshochwasser ausgelegt werden (Merkblatt DWA-M 103 Hochwasserschutz für Abwasseranlagen).
Zuständigkeit: Kommunen, Land
Betroffene Akteure: Kommunen, Stadtentwässerung, Planer
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig, hoch
Risiko der Versorgungsunternehmen minimieren und Versorgungsstrukturen verbessern
Wasserversorgungsunternehmen sollten eine Vulnerabilitätsanalyse hinsichtlich der zu erwartenden Klimaänderungen durchführen. Grundlage der Analyse ist eine detaillierte Erfassung, Dokumentation und Bewertung der vorhandenen Infrastruktur und Organisation sowie eine fundierte Prognose der Entwicklung des Wasserdargebots bzw. der Wasserabgabe, des Eigenverbrauchs und der Wasserverluste. Gegebenenfalls sind Strukturgutachten zur weiteren Verbesserung der Versorgungssicherheit durchzuführen. Technisch-organisatorische Verbünde und Ausbaumaßnahmen, die die Anpassungskapazität signifikant erhöhen, sind im Rahmen vorhandener Mittel vom Land zu fördern.
Zuständigkeit: Kommunen/Wasserversorgungsunternehmen, Land
Betroffene Akteure: Forschungseinrichtungen, DVGW
Zeithorizont/Dringlichkeit: kurzfristig; hoch
3. Gewässerökologie
Naturnahe Gewässerstrukturen entwickeln und naturnahe Sukzession am Ufer fördern
Der Erhalt und die Entwicklung naturnaher Strukturen und Auenbereiche wirken ausgleichend auf das Abflussgeschehen, bieten Rückzugsräume für die Gewässerbiozönose bei Extremsituationen (z.B. Wärmebelastung bei Niedrigwasser) und beugen Erosion vor. Durch Herstellung der Durchgängigkeit der Gewässer können Gewässerlebewesen wieder in Rückzugsräume wandern und neue Abschnitte wieder besiedeln. Hierbei sollte der Feststofftransport künftig stärker berücksichtigt werden, um die negativen Folgen der Erosion auf das Abflussgeschehen zu mindern. Darüber hinaus sollte auf den Gewässerrandstreifen die naturnahe Sukzession mit beschattenden Ufergehölzen gefördert werden, um die erwartete Zunahme der Temperatur und der Globalstrahlung zu dämpfen. Zusätzlich fördert eine naturnahe Vegetation im Gewässerumfeld die Biotopvernetzung.
Zuständigkeit: Land, Kommune
Betroffene Akteure: Land- und Forstwirtschaft, Infrastruktur
Zeithorizont/Dringlichkeit: mittelfristig, hoch
4. Monitoring
Die mit dem Klimawandel einhergehenden und zu erwartenden Änderungen der Fließgewässer, des Grundwassers und des Bodensees sind langfristig und adäquat zu erfassen. Dazu sollten die bestehenden Monitoring-Systeme überprüft und bei Bedarf angepasst werden. Für das Grundwassermessnetz gilt dies insbesondere für Regionen mit bislang geringer Messstellendichte und in denen zukünftig durch den Klimawandel etwaige Probleme zu erwarten sind. Beim hydrologischen Messnetz ist die genaue Erfassung der Extreme wie Hoch- und Niedrigwasser entscheidend. Die Pegel und Messeinrichtungen sollten künftig verstärkt auch auf Niedrigwasserabflüsse ausgerichtet werden. An den automatischen Pegelmessstellen sollten zukünftig auch die Wassertemperaturen kontinuierlich mit erfasst werden. Das Klimamonitoring biologischer Systeme steht noch am Anfang. Geeignete (gewässerchemische und -biologische) Indikatoren und Strategien sind zu entwickeln. Dies gilt auch für die Erfassung morphologisch-sedimentologischer Prozesse.
Zuständigkeit: Land
Betroffene Akteure: IGKB (für den Bodensee)
Zeithorizont/Dringlichkeit: das Monitoring muss dauerhaft erfolgen, hoch
Kommentare : Wasserhaushalt
Die Kommentierungsphase ist beendet. Vielen Dank für Ihre Kommentare!
Natürlichen Wasserrückhalt in der Fläche fördern
Der natürliche Wasserrückhalt in der Fläche ist auch auf die Wasserspeicherfunktion von Böden auszudehnen. Nicht nur semiterrestritsche Böden im Auen- oder Gewässernahbereich besitzen hohes Wasserrückhaltevermögen auch und insbesondere die tiefentwickelten terrestrischen Böden leisten mit Ihrem Porenraum einen enormen Beitrag zum Wasserrückhalt in
Der natürliche Wasserrückhalt in der Fläche ist auch auf die Wasserspeicherfunktion von Böden auszudehnen. Nicht nur semiterrestritsche Böden im Auen- oder Gewässernahbereich besitzen hohes Wasserrückhaltevermögen auch und insbesondere die tiefentwickelten terrestrischen Böden leisten mit Ihrem Porenraum einen enormen Beitrag zum Wasserrückhalt in der Landschaft. Diese Böden sind besonders zu schützen - ihr besonderer Schutz ist in Bezug auf die Maßnahmen zur Anpassung mit aufzunehmen.
Kommentar - J. Schneider, stellv. Vorsitzender Bundesverband Boden, Regionalgruppe Süd
Niedrigwasserabflüsse / Vorhersagen
Die zukünftige Häufung von Trockenperioden sowie Niedrigwassersituationen ist seitens der Wissenschaft klar belegt. Insofern brauchen wir bessere Prognosen, um kritische Gewässersituationen besser vorhersagen/einschätzen zu können. Die erwähnten Entnahmeeinschränkungen (bzw. Einschränkungen zur Einleitung) in kritischen Situationen gilt es zu
Die zukünftige Häufung von Trockenperioden sowie Niedrigwassersituationen ist seitens der Wissenschaft klar belegt. Insofern brauchen wir bessere Prognosen, um kritische Gewässersituationen besser vorhersagen/einschätzen zu können. Die erwähnten Entnahmeeinschränkungen (bzw. Einschränkungen zur Einleitung) in kritischen Situationen gilt es zu konkretisieren, so z.B. in den wasserrechtlichen Genehmigungen - hier müssen klare Regelungen in Extremsituationen verbindlich geregelt sein.
Gewässerstrukturen / Naturnahe Sukzession
Ganz wichtiger Punkt! Erhöhung der Wassertemperaturen und gehäufte kritische Niedrigwassersituationen stellen enorme Gefährdungspotenziale für die Gewässerbiozönosen dar. Damit kälteliebende Fischarten in kühlere Bereiche ausweichen können muss die Durchgängigkeit der Flüsse hergestellt werden. Die ökologische Aufwertung der Gewässerstrukturen
Ganz wichtiger Punkt!
Erhöhung der Wassertemperaturen und gehäufte kritische Niedrigwassersituationen stellen enorme Gefährdungspotenziale für die Gewässerbiozönosen dar. Damit kälteliebende Fischarten in kühlere Bereiche ausweichen können muss die Durchgängigkeit der Flüsse hergestellt werden. Die ökologische Aufwertung der Gewässerstrukturen fördert die Resilienz der Gewässerökosysteme gegenüber Extremereignissen (Trockenperioden, kritische Niedrigwasserabflüsse). Die Bepflanzung der Uferrandstreifen mit standortgerechter Vegetation ist essenziell für den Temperaturhaushalt (Beschattung) der Gewässer.
Natürlichen Wasserrückhalt in der Fläche fördern
diese Maßnahmen sind zu begrüßen - dem naturnahen/natürlichen Hochwasserschutz sollte der Vorzug vor dem technischen Hochwasserschutz gegeben werden.