Im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum Klima-Maßnahmen-Register (KMR) wurden zum Sektor Energiewirtschaft insgesamt 18 Kommentare abgeben. Das Umweltministerium bedankt sich für die Beteiligung und das Interesse an den Klimaschutzmaßnahmen des Landes.
Im Sektor Energiewirtschaft adressieren die meisten Kommentare den Ausbau der erneuerbaren Energien, mit einem deutlichen Fokus auf die Photovoltaik (PV). Hier hat die Landesregierung in den letzten Jahren bereits mehrere Maßnahmen auf den Weg gebracht, insbesondere die PV-Pflicht für Neubauten und bei grundlegenden Dachsanierungen sowie ein Förderprogramm für PV auf Bestandsparkplätzen. Forderungen zur Ausweitung der PV-Pflicht können im Rahmen der Evaluation der PV-Pflicht Ende 2025 betrachtet werden. Dabei ist die PV-Pflicht bisher so ausgestaltet, dass eine Photovoltaikanlage in der Regel wirtschaftlich betrieben werden kann. Zudem fördert das Erneuerbare-Energien Gesetz bundesweit die Errichtung und den Betrieb von Photovoltaikanlagen insbesondere durch einen auf etwa zwanzig Jahre befristeten gesetzlichen Vergütungsanspruch für den in das öffentliche Versorgungsnetz eingespeisten Strom. Eine Förderung von Balkonkraftwerken aus Steuermitteln ist aufgrund der Kleinteiligkeit der Anlagen und dem ungünstigen Verhältnis zwischen geringen Förderbeträgen und unvermeidbaren Verwaltungskosten bei der Abwicklung der Förderung aus Sicht des Umweltministeriums nicht angezeigt. Für Gebäude und Parkplätze im Landeseigentum hat das Land Baden-Württemberg im Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG) bereits eine anlasslose Photovoltaikpflicht bis 2030 umgesetzt. Hochschulgebäude (ebenfalls in einem Kommentar angesprochen) sind in der Regel im Besitz des Landes und damit auch Teil dieses Ziels.
Flächenverfügbarkeit für Photovoltaik
Einige Kommentare adressieren zudem die Flächenverfügbarkeit für PV. Das Land Baden-Württemberg will den PV-Ausbau auf bereits versiegelten Flächen vorantreiben. Aus diesem Grund hat das Land im Frühjahr 2023 ein Förderprogramm zur Installation von PV-Anlagen auf Bestandsparkplätzen gestartet, das derzeit abgewickelt wird. Eine zweite Förderrunde für PV auf versiegelten Flächen ist für 2024 geplant, über die Fördertatbestände ist noch zu entscheiden. Um vorhandene PV-Potenziale an Bundes- und Landesstraßen zu nutzen, konnte im Jahr 2022 im Rahmen einer Initiative der Landesregierung bereits Interesse für den Bau von PV-Anlagen Flächen an Bundes- und Landesstraßen bekundet werden. Nach Abschluss der Detailprüfung kommen rund 260 von 650 gemeldeten Flächen grundsätzlich in Frage. Über ungenutzte Flächen, die kostenlos zur Verfügung gestellt werden können, verfügt das Land jedoch nicht. Befahrbare Bodenbeläge, die als Photovoltaikanlage funktionieren (ebenfalls in einem Kommentar angesprochen), wurden zwar bereits entwickelt, sind allerdings noch nicht serienreif. Im Vergleich dazu sind PV-Anlagen auf Bestandsparkplätzen bereits erprobt und deutlich kostengünstiger.
Agri-Photovoltaik stärken
Auch der Kommentar zur Stärkung der Agri-PV kann aus Sicht des Umweltministeriums unterstützt werden. Die baden-württembergische Landesregierung hat sich bereits zum Ziel gesetzt, die Agri-Photovoltaik als flächeneffiziente Landnutzungsform fest zu etablieren und das Potenzial vor allem im Bereich der Sonderkulturen, wie dem Obstbau, gezielt zu fördern. Umweltministerium und Landwirtschaftsministerium haben innerhalb des noch bis Ende 2024 laufenden Projekts „Modellregion Agri-PV BaWü“ eine Machbarkeitsstudie, die die Umsetzung von elf Pilotanlagen hinsichtlich landwirtschaftlicher und technischer Aspekte prüft, gefördert. In einer ersten Umsetzungsphase werden fünf dieser Anlagen geplant, gebaut und beforscht, mit dem Ziel Potenziale und Schwierigkeiten der Agri-PV zu identifizieren und die Entwicklung der neuen Technologie landesweit voranzutreiben (Bewilligung 2021). Für fünf weitere Pilotanlagen, darunter drei im Weinbau, und eine Demonstrationsanlage wurde eine Projektbegleitung im Rahmen der Modellregion in 2022 bewilligt.
Was die verstärkte Nutzung von selbsterzeugtem Strom in lokaler Nähe angeht, muss darauf hingewiesen werden, dass hier das Land stark an EU- und Bundesrecht gebunden ist. Dabei ist abzuwarten, inwieweit die Definition von energy communities in der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU zu Anpassungen im Bundesrecht führt.
Das Umweltministerium stimmt auch dem Kommentar zur Bedeutung der Tiefengeothermie für die Energiewende zu. Hierzu hat das Umweltministerium 2021 eine Roadmap Geothermie veröffentlicht. Weitere Unterstützungsmaßnahmen, insbesondere über Öffentlichkeitsarbeit und Beratung, werden künftig geprüft.
Energieeffizenz entscheidend für Erreichung der Klimaschutzziele
Darüber hinaus wurde in den Kommentaren die Bedeutung der Energieeffizienz zur Erreichung der Klimaschutzziele hervorgehoben. Vorgeschlagen wurde unter anderem die Zahl der Energieberater deutlich zu steigern. Das Umweltministerium stimmt zu, dass kompetente und unabhängige Beratungsangebote oft entscheidend sind, um Unternehmen und Haushalte zu Klimaschutzmaßnahmen zu bewegen. Das Umweltministerium unterstützt bereits verschiedene Beratungsangebote beispielsweise über die Kompetenzzentren der Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg (KEA BW) (unter anderem mit Fortbildungsangeboten im kommunalen Energiemanagement), die regionalen Klimaschutz- und Energieagenturen, die Landesagentur für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz Baden-Württemberg (Umwelttechnik BW) sowie das Programm Zukunft Altbau. Für einkommensschwache Haushalte bietet das Umweltministerium in Zusammenarbeit mit der Verbraucherschutzzentrale zusätzliche Angebote für eine Erstberatung. Für Unternehmen können Beratungsangebote über die Regionale Kompetenzstellen für Ressourceneffizienz BW (KEFF+) vermittelt werden. Neben diesen bestehenden Angeboten prüft das Umweltministerium fortlaufend weitere Möglichkeiten um die Verfügbarkeit von Beratungsangeboten weiter zu steigern.
Darüber hinaus wird in den Kommentaren vorgeschlagen, Kommunen zu regelmäßigen Energieberichten und Kohlenstoffdioxid(CO2)-Bilanzen zu verpflichten. Hierzu ist bereits in Paragraph 18 des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) festgelegt, dass alle Kommunen in Baden-Württemberg dazu verpflichtet sind, ihre kommunalen Energieverbräuche in einer Datenbank zu erfassen. Diese wird zwar nicht veröffentlicht, die Kommunen erhalten jedoch ein individuelles Feedback zu ihrer Performance.
In den Kommentaren wird zudem richtigerweise auf dem Mangel an Handwerkern als Flaschenhals für die Energiewende hingewiesen. Der Fachkräftemangel betrifft dabei nicht nur klimaschutzrelevanten Berufe, sondern ist ein übergeordnetes Thema, dass in Baden-Württemberg im Rahmen der Fachkräfteallianz (Wirtschaftsministerium) adressiert wird.
Abgelehnte Kommentare
Einige Kommentare müssen aus Sicht des Umweltministeriums leider abgelehnt werden. Dazu gehört unter anderem
- ein Verbot von Elektro(E)-Autos: die Elektromobilität ist die zentrale Strategie zur Dekarbonisierung im Straßenverkehr. Verschiedene Studien zeigen, dass E-Autos bereits mit dem heutigen Strommix Emissionsvorteile gegenüber Verbrennern aufweisen. Mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich dieser Vorteil weiter vergrößern.
- die Ablehnung des Kohleausstiegs: Szenarienanalysen zeigen, dass ohne einen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 Baden-Württemberg seine Klimaschutzziele bis 2030 nicht erreichen kann. Auch die EnBW, die fast alle Kohlekraftwerke in Baden-Württemberg betreibt, strebt einen Kohleausstieg bis 2028 an. Zeitgleich müssen natürlich insbesondere der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze und der Zubau von flexiblen Gaskapazitäten vorrangetrieben werden. Die Gaskapazitäten dienen der Absicherung der erneuerbaren Erzeugung und werden langfristig mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben.
- Zahlung des vollen Strompreises für PV-Einspeisung (Kommentar 19 aus der KMR-Bürgerbeteiligung zum Sektor Gebäude): Hier liegt ein Missverständnis zur Funktionsweise der Strompreise vor. Endverbraucherpreise bestehen zu einem erheblichen Teil aus staatlich induzierten Bestandteilen (Steuern und Umlagen), die nicht an den Energieversorger gehen. Hinzu kommen die Netzentgelte, die zur Finanzierung der Netzkosten an die Netzbetreiber gehen. Die Großhandelsstrompreise (also das, was die Erzeuger für an der Börse gehandelten Strom bekommen) liegen also deutlich niedriger als die Verbraucherpreise und in der Regel auch niedriger als die EEG-Fördersätze, die PV-Erzeuger für eingespeisten Strom erhalten. Bei eigenverbrauchtem Strom profitieren die PV-Erzeuger zusätzlich vom Wegfall der staatlich induzierten Preisbestandteile und der Netzentgelte, die sonst bei Strombezug aus dem Netz zu entrichten sind. Eine Anpassung dieses Systems wäre daher aus Sicht des Umweltministeriums nicht sinnvoll.
Weitere Vorschläge
Weitere Vorschläge, beispielsweise zur Nutzung von Sonnenschutzfolien oder betonlosen Fundamenten, können grundsätzlich einen Beitrag zur Energie- und Emissionseinsparung leisten, werden aufgrund des begrenzten Wirkungsumfangs vom Umweltministerium jedoch nicht weiterverfolgt. Auch eine Förderung von genehmigungsfreien Kleinwindkraftanlagen kleiner zehn Meter Höhe ist aus Sicht des Umweltministeriums nicht zielführend. Der Markt für Kleinwindkraftanlagen ist unüberschaubar und intransparent. Die durch die Hersteller angegebene Nennleistung basiert teilweise auf Windgeschwindigkeiten, die aufgrund der geringen Nabenhöhe der Anlagen kaum auftreten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Erzeugung von netzkompatiblem Wechselstrom mittels Kleinwindanlagen in Baden-Württemberg aufgrund hoher spezifischer Anlagenkosten und des bauartbedingten bodennahen Anlagenbetriebs derzeit und auf absehbare Zeit nicht möglich.