Die Landesregierung hat sich vor gut zehn Jahren die „Politik des Gehörtwerdens“ auf die Fahne geschrieben. Eine aktuelle Studie zeigt, dass das Beteiligungsformat mit Zufallsbürgern gut von den Teilnehmenden angenommen wird und geeignet ist, auch kontroverse Themen befrieden zu können.
Mit dem Regierungswechsel 2011 hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann die „Politik des Gehörtwerdens“ eingeführt. Seitdem hat die Landesregierung die Bürgerbeteiligung im Land in zahlreichen Bereichen gestärkt. Zudem haben wir neue Formen der Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg etabliert. Eine davon sind die sogenannten Zufallsbürgerinnen und Zufallsbürger. Dieses Beteiligungsformat ist auch als „Bürgerräte“ oder „Bürgerforen“ bekannt. In diesen Beteiligungsverfahren stehen dabei Bürgerinnen und Bürger als Teilnehmende im Fokus, die zufällig ausgewählt und angeschrieben wurden. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat diese Formen der Bürgerbeteiligung untersucht.
Dabei hat die KAS acht Beteiligungsprozesse untersucht, die in Baden-Württemberg durchgeführt wurden. Dazu gehörten:
- Filder-Dialog S21
- Nachbarschaftsgespräche in Freiburg, Pforzheim und Mannheim
- Grenzüberschreitenden Dialoge mit Frankreich
- Bürgerforum des Landtags zur Altersversorgung der Abgeordneten
- Bürgerkonferenz zum Energie- und Klimaschutzkonzept
- Bürgerforum zu Sanierung der Württembergischen Staatstheater
- Bürgerwerkstatt zur Umweltbepreisung
- Bürgerdialog im Eurodistrcit Basel zu Corona
Diese Beteiligungen haben alle gemeinsam, dass sie zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger eingebunden haben. Obwohl die Themen teilweise viel Konfliktpotential haben, sei die Arbeitsatmosphäre konstruktiv gewesen, so die Studie der KAS. Dabei war aus Sicht der Teilnehmenden die professionelle Begleitung über die Moderation ausschlaggebend. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Ergebnisse lediglich Empfehlungen an die Politik gewesen waren. Alle Teilnehmenden haben deshalb die Verfahren als Erfolg gewertet, egal welche und wie viele der Ergebnisse letztlich auch umgesetzt wurden.
Besonders positiv hebt die Studie folgende Aspekte bei den untersuchten Beteiligungen hervor:
- Die Transparenz über die Vorhaben werde größer.
- Die Planungsverfahren entwickelten eine höhere Akzeptanz.
- Entscheidungsträgerinnen und -träger erhielten einen Informationsgewinn.
- Konsultative Beteiligungsformate erhielten auch bei Minderheiten im Gemeinderat eine beachtliche Zustimmung.
- Die Einbeziehung von zufällig ausgewählten Personen fördere eine konstruktive Debatte um die beste Lösung.
Mehr als ein Grundstein für gute Bürgerbeteiligung
Die Studie bewertet ebenfalls positiv, dass die Landesregierung ihre Behörden per Verwaltungsvorschrift und Planungsleitfaden verpflichtet hat, bei Vorhaben, bei denen das Land zuständig ist, die Bürgerinnen und Bürger stärker zu beteiligen. Dem könnte ein grundsätzlicheres Partizipationsgesetz folgen.
„Die Studie zeigt, dass wir in Baden-Württemberg mit der Bürgerbeteiligung auf einem guten Weg sind“, sagte die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung Barbara Bosch. „Meine Vorgängerin Gisela Erler hat mehr als nur den Grundstein für ein völlig neues Politikverständnis im Land gelegt.“ Die Studie sei aber nicht nur eine Bestätigung der bisherigen Arbeit, so Bosch weiter, sondern auch Ansporn, hier noch eine Schippe drauf zu legen. „Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass Bürgerräte und Bürgerforen zu einem regelmäßigen Mittel der Bürgerbeteiligung in der Landespolitik werden.“
Bürgerräte sind dabei keine Erfindung aus Baden-Württemberg. Vielmehr greifen wir auf zahlreiche gute internationale Beispiele dieser Beteiligungsform zurück. Im März 2021 hatte sich die KAS unter dem Titel Zukunftsmodell Bürgerrat?“ ausführlich mit internationalen Beispielen auseinandergesetzt.
KAS: Bürgerräte – Erfahrungen aus der Praxis von Baden-Württemberg
Quelle:
/red