Informelle Bürgerbeteiligung ist eine Form der politischen Mitwirkung, die nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Sie wird meist freiwillig durch Politik und Behörden angeboten.
Was bedeutet informelle Bürgerbeteiligung?
Gesetzliche Vorschriften gewährleisten, dass Betroffene in Planungs- oder Genehmigungsverfahren angehört werden. Bei dieser formellen Bürgerbeteiligung findet der Austausch gemäß gesetzlicher Regeln und Fristen statt. Demgegenüber stehen informelle Beteiligungsverfahren. Diese sind sehr stark dialogorientiert. Sie zielen nicht nur auf unmittelbar Betroffene ab. Unterschiedliche Zielgruppen, Interessierte oder zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürger können dabei angesprochen werden.
Informellen Bürgerbeteiligung bezweckt, dass die Einwohnerinnen und Einwohner einer Gemeinde zu einem Thema miteinander ins Gespräch kommen. Sie sollen Argumente und Ideen austauschen. Gemeinsam Lösungen entwickeln. In solchen Verfahren übernimmt die Verwaltung häufig eine hintergründige, beratende Funktion. Sie bringt ihr Fachwissen zur Thematik neutral ein. Sie erläutert Sachverhalte und Planungen. Im Gegensatz zu formellen Verfahren (wie beispielsweise Öffentlichkeitsbeteiligungen bei der Bauleitplanung, Bürgerbegehren oder Bürgerversammlungen) haben dialogorientierte Ansätze große Vorteile: Sie können frühzeitig beginnen. Planungen sind dadurch noch beeinflussbar. Ideen und Gedanken der Beteiligten können öffentlich sichtbar gemacht werden. Und dialogorientierte Ansätze sind, je nach Fragestellung und Rahmenbedingungen, sehr flexibel.
Bürgerbeteiligung in der Kommune hat Tradition
Die Bürgermitwirkung in den Städten und Gemeinden hat eine lange Tradition. Beginnend mit den Stein-Hardenbergschen Reformen übernahmen die Bürger ab 1808 ehrenamtliche Verwaltungsaufgaben. Seitdem hat sich die Bürgerbeteiligung ständig weiterentwickelt. In politischen Entscheidungs- und Planungsprozessen wurden in den vergangenen Jahrzehnten neue Methoden und Formate entwickelt. Es kommen ständig neue Verfahren und Varianten hinzu. Seit den 1990er-Jahren hat das Internet die politische Mitsprache stark verändert. Seit der Corona-Pandemie im Jahr 2020 sind Online-Konferenzen alltäglich.
Wo und wie findet informelle Bürgerbeteiligung statt?
Die informelle Bürgerbeteiligung ist in der kommunalen Praxis auf alle denkbaren kommunalpolitischen Themen anwendbar:
- Haushaltsfragen
- Flächennutzungsplanung, Bauleitplanung und besondere Bauprojekte
- Öffentliche und kommunale Einrichtungen wie Bibliotheken, Schulen oder Rathäuser
- Politikbereiche wie Bildung, Sicherheit, Umwelt- und Naturschutz, Kinder- und Jugendthemen
Die Fachwelt unterscheidet verschiedenen Methoden in der informellen Bürgerbeteiligung. Dazu gehören zum Beispiel:
- Mediation und Schlichtung
- Großgruppenmoderationen (zum Beispiel der Filder-Dialog zu Stuttgart 21)
- Zukunftswerkstätten, Zukunftskonferenzen
- Runde Tische, Stakeholder-Dialoge
- Bürgerforen, Bürgerräte und Planungszellen mit zufällig ausgewählten Teilnehmenden
- Bürgerhaushalte wie in Stuttgart (www.buergerhaushalt-stuttgart.de) oder in anderen Orten
- Stadteilkonferenzen und andere lokale Agendaprozesse (Lokale Agenda 21)
Diese Beteiligungsformen können für die Gemeinden und deren Anliegen von großem Vorteil sein. Sie bieten neue Inhalte und Sichtweisen. Sie sind Ausdruck einer demokratischen politischen Kultur. Sie machen Politik und Demokratie erfahrbar. Es wird transparent, was Verwaltungen planen und was die Menschen beunruhigt. Einwohnerinnen und Einwohner teilen mit, was sie in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld bewegt. Die Menschen haben mit ihrem „Alltagswissen“ oft überraschend einfache Lösungen zur Hand. Oder sie erkennen Probleme und Konflikte bereits im Vorfeld. Man sieht „das ganze Bild“ eines Vorhabens. Eine frühzeitige Beteiligung macht dadurch Planungen besser.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Die informellen Bürgerbeteiligung in der Kommune erfordert Zeit, Ressourcen und Kompetenzen. Der Erfolg informeller Bürgermitwirkung ist stark von „weichen“ Faktoren wie der inneren Einstellung und der Haltung aller Beteiligten aus Politik, Verwaltung und Bürgerschaft geprägt. Es braucht auch ein Gespür für den richtigen Umgang miteinander.
Gleichzeitig gibt es klare Rahmenbedingen, die elementar dazu beitragen, ob Bürgerbeteiligung gelingt. Dazu gehören Handlungsoptionen zu Beginn. Am Ende muss eine ernsthafte, wertschätzende Antwort der Politik und Verwaltung stehen. Wir haben gute Regeln der Beteiligung für Sie zusammen gestellt.
Alle Verfahren der informellen Bürgerbeteiligung leben vom Vertrauen, der gegenseitigen Wertschätzung und dem gemeinsamen Ziel, Lösungen zu finden. Es ist sinnvoll, im Vorfeld die Erwartungen und „Spielregeln“ zu klären und sich über die Regeln des Umgangs und der Kommunikation zu verständigen.
Mit dem Gesetz über die Dialogische Bürgerbeteiligung gibt es in Baden-Württemberg eine gesetzliche Grundlage für informelle Bürgerbeteiligung. Das ist in Deutschland bislang einmalig.
Die Servicestelle Dialogische Bürgerbeteiligung berät Landesbehörden und Kommunen, wenn sie Bürgerbeteiligung durchführen wollen.
Nähere Informationen finden Sie in unserer Rubrik „Methoden“.