Die Demokratie am Ende – am Ende die Demokratie?
„[So] sind es doch die rationalisierenden, langsam mahlenden Mühlen der demokratischen Konflikt- und Kompromissmaschinerie, welche verhindern, dass Zukunftspläne in megalomane Phantasien umkippen, die dann über die Köpfe hinweg realisiert werden.“
Professor Dr. Jakob Tanner referierte über die derzeitige Bedrohungslage für demokratische Systeme durch gewalttätige Konflikte, populistische Strömungen, wachsenden politischen Einfluss finanzstarker Akteure oder die zunehmend rasante Verbreitung von Falschmeldungen durch soziale Netzwerke. Einerseits müsse man die derzeitige Bedrohungslage von Demokratien ernst nehmen, nur so könne man die Reformnotwendigkeit und die Überlebensnotwendigkeit von ihnen erkennen. Andererseits dürfe man nicht den Anspruch auf eine perfekte, reine und total inkludierende demokratische Gesellschaft mit ausschließlich engagierten Menschen erheben. In einem historischen Rückblick machte er deutlich, dass demokratische Prinzipien, wie wir sie heute kennen und für selbstverständlich annehmen, über weite Phasen der Menschheitsgeschichte ein Traum blieben.
Die Moderne führte jedoch zu neuen, strukturellen Schwierigkeiten für Demokratien an sich. Hierzu zählten technologische Durchbrüche, durch deren rasante Entwicklungen demokratische Regierungen seltener aktiv, sondern zunehmend reaktiv handeln müssten. Er unterstrich den transnationalen Charakter derzeitiger politischer Handlungsfelder und die damit einhergehenden Chancen und Risiken für demokratische Systeme. Demokratisierungsfragen würden sich von den lokalsten Skalen wie Dörfern und Gemeinden über Nationalstaaten, der europäischen Ebene bis hin zur internationalen Ebene mit ihren Institutionen und Organisationen stellen. Eine funktionierende Demokratie müsse wissenschaftsbasiert sein, unter Berücksichtigung der Veränderungen des Wissenschaftssystems der vergangenen Jahrzehnte, in dem wissenschaftliches Wissen kontinuierlich anwächst. Dieses Wissen sei jedoch etwas anderes als ein politisches Programm. In der Politik gebe es immer Alternativen, die jedoch nicht beliebig oder willkürlich sein dürften, sondern auf diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen müssten.