Workshop 1: Mit der Servicestelle zur Dialogischen Bürgerbeteiligung
Workshopleitung: Ulrich Arndt, Servicestelle Dialogische Bürgerbeteiligung
Die neue Servicestelle Dialogische Bürgerbeteiligung stellte ihre Arbeit vor. Fragen der Teilnehmenden, beispielsweise wie es zum Aufbau der Servicestelle kam und wie diese die Kommunen bei der Vergabe von Dialogischen Bürgerbeteiligungen unterstützten wird, wurden beantwortet. Die auf der Grundlage des baden-württembergischen Gesetzes über die Dialogische Bürgerbeteiligung aufbauenden Verfahren der Dialogischen Beteiligung wurden diskutiert.
Aus dem heutigen Workshop nehme ich mit ...
- Wie Bürgerbeteiligung funktioniert
- Was Bürgerbeteiligung bewirken kann
- Die Frage, warum der Dialog nur in einer Form stattfinden soll
- Dialogische Bürgerinnen- und Bürger-Beteiligung birgt viele Potenziale, die genutzt werden können/sollen
- konkrete strittige Fragen von unabhängiger Seite durchleuchten, fördert den Dialog und die Akzeptanz
- Menschen in der Schweiz und Deutschland wollen in Stufe zwei (Konsultation) frühzeitig beteiligt werden. Unabhängig davon, ob im Anschluss abgestimmt wird, oder nicht.
- Neue Sichtweisen/Gewichtung durch Bürgerforum
- Sachdiskussionen
- Breitere Abstützung
Workshop 2: Der Nutzen von Bürgerräten für Volksabstimmungen
Andri Heiman und Prof. Dr. Daniel Kübler, Professor für Demokratieforschung und Public Governance am IPZ sowie Leiter der Abteilung für Allgemeine Demokratieforschung am Zentrum für Demokratie Aarau, stellten das Projekt Demoscan vor. Dabei wurden über ein Bürgerforum mit zufällig ausgewählten Personen ein knappes und verständliches Informationsblatt erstellt. Dieses Infoblatt umfasste die acht wichtigsten Inhalte einer Abstimmungsvorlage. Zudem wurden drei Argumente für und drei Argumente gegen die Abstimmungsvorlage aufgeführt, die aus Sicht des Bürgerrats die wichtigsten waren. Bei der wissenschaftlichen Untersuchung erhielten Haushalte aus zwei Gemeinden das Informationsblatt, in zwei anderen nicht. In nachfolgenden Befragungen in allen vier Gemeinden wurde die Wirkung untersucht.
Im Ergebnis steigert der Demoscan-Flyer den Wissenszuwachs über die Abstimmungsvorlage. Sie ist effektiver als die offizielle Abstimmungsunterlage. Sie führt zu weniger ideologisch motiviertem Vorlagenverständnis.
Zentrum für Demokratie Aarau: Bürgerräte im Vorfeld von Volksabstimmungen: Demoscan Aargau (PDF)
Aus dem heutigen Workshop nehme ich mit ...
- Interessante Effekte eines unabhängigen Gremiums, das die Informationslage neutral darstellt
- eine unabhängige Information steigert die Informiertheit und gleicht Social Media aus
- Eine sehr spannende Initiative
- Vorteil finde ich in jedem Fall, in der Gesellschaft mehr Debatten und Beteiligung zu fördern, also Integration in die Gemeinschaft.
- Vielleicht mehr Aufmerksamkeit für Demoscan, wenn bekannter / Usus? Weitere Auswertungen spannend.
- Demoscan führt zu informierten Entscheidungen zugunsten weniger „Partei-“ und anderer Heuristiken
- Gleicht auch Social Media Einfluss aus
- Unbedingt weiter forschen
- Neue Formen der Deliberation lohnen sich, sind aber aufwändig.
Workshop 3: Diskurs in Bürgerforen: Online-Beteiligung
Workshopleitung: Prof. Dr. Ulrich Eith, Institutsdirektor Studienhaus Wiesneck
Durch die Corona-Pandemie sind viele Bürgerbeteiligungsverfahren online durchgeführt worden. Prof. Dr. Ulrich Eith, Institutsdirektor des Studienhauses Wiesneck, präsentierte wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema. Dr. Florian Kech, Redakteur bei der Badischen Zeitung in Freiburg und Zufallsbürger im Bürgerforum Krisenfeste Gesellschaft, berichtete über die persönliche Erfahrung aus der Teilnahme an einem Online-Bürgerforum. Für die umfangreiche Studie von Prof. Dr. Ulrich Eith wurden digitale Beteiligungsprozessen mit Zufallsbürgerinnen und -bürgern in Baden-Württemberg untersucht.
Dafür wurden Interviews mit Expertinnen und Experten durchgeführt und die Teilnehmenden nach ihren Motiven zur Teilnahme und der Zufriedenheit mit dem Ablauf und den Ergebnissen der Beteiligungsprozesse befragt. Die vier vorab definierten Wirkungsfelder sind „Verfahrensbezogene Wirkungen auf das Politikergebnis“, „Verfahrensbezogene Wirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger“, „Generalisierte Wirkungen auf die Prozesse und die politischen und administrativen Akteure“ sowie „Generalisierte Wirkungen auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger“.
Eith erläutert, dass Bürgerbeteiligung Wirkungen in allen vier definierten Wirkungsfeldern erziele. Dominant seien die verfahrensbezogenen Wirkungen. Größtenteils werden positive Wirkungen wahrgenommen, es gibt aber auch neutrale und negative Wirkungswahrnehmungen, die unter anderem mit der Konflikthaftigkeit des jeweiligen Prozesses zusammenhängen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die verstärkte Nutzung neuer Formen von Bürgerbeteiligung ein sinnvoller Weg ist, um die repräsentative Demokratie zu unterstützten. Sie können sowohl auf die Ergebnisse von Entscheidungsprozessen als auch auf das Verhalten und die Einstellungen verschiedener Akteure positiv wirken.
Kech berichtete den Teilnehmenden anschließend von seinen Erfahrungen als Zufallsbürger. Er sprach von Wertschätzung, Vertrauen und von konstruktiven Gruppenarbeiten mit vorher fremden Menschen, bemängelte allerdings, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen und Bildungsschichten erreicht werden konnten und das Bürgerforum somit keinen Querschnitt aus der Gesellschaft abgebildet hatte. Abschließend stellten die Teilnehmenden den Referierenden Fragen zu ihren Ausführungen und berichteten vereinzelt von eigenen Erfahrungen als Zufallsbürgerinnen und -bürgern.
Prof. Dr. Ulrich Eith: Workshop: „Diskurs in Bürgerforen: Online-Beteiligung“ (PDF)
Aus dem heutigen Workshop nehme ich mit ...
- Bürgerforen geben hohe Wertschätzung
- wichtig für die öffentliche Wahrnehmung
- Teil des Gesetzgebungsprozesses
- Ergebnistransparenz nach Beteiligungsprozessen vor allem mit Zufallsbürgern
- Online-Beteiligung sinnvoll und zur Kopplung zu Präsenzformaten essenziell
- Es braucht auch Online eine professionelle Moderation
- Starke Multiplikatorwirkung
- Es muss klar sein, was mit den Ergebnissen passiert
- Teilhabe statt „nur“ Befragung. Die Ergebnisse müssen in die Politik aufgenommen werden.
- Echte Repräsentativität ist in Bürgerräten mit Zufallsbürgern unerreichbar. Ziel: Meinungspluralismus.
- Erfahrungen/Feedback zu Verfahren sind gut
- Defizite: Teilnehmer müssen sich von der Politik ernst genommen fühlen. Rückkoppelung aus Verwaltung/Politik fehlt oft.
Workshop 4: Jugend und Politik
Workshopleitung: Clara Schmitz, Projektleiterin translake GmbH
Mittelpunkt des Workshops war eine Podiumsdiskussion zwischen sechs Schülerinnen und Schülern der Kantonsschule Aarau sowie des Gymnasiums in Reutlingen. Diese brachten Interesse, Erfahrung und Wissens zum Thema Politik mit: Neben ihren Wahlfächern Sozialwissenschaften, Politische Bildung und Politik engagieren sie sich unterschiedlich in Parteien und Bewegungen.
Die Herabsenkung des Wahlalters in Baden-Württemberg befürworteten die deutschen Schülerinnen und -schüler. Auch die Schülerinnen und -schüler aus der Schweiz meinten, dass die Teilnahme an Abstimmungen in der Schweiz auf 16 gesenkt werden solle, um die Mitbestimmungsmöglichkeiten von jungen Menschen am demokratischen Prozess zu verbessern. Hinsichtlich der Kanäle, über die die sechs Jugendlichen von politischen Themen erfahren, wurde ein breites Spektrum von Zeitung bis Instagram eröffnet. Auch wenn die Diskussionen in sozialen Medien oft vergiftet seien, solle man weiterhin und vermehrt versuchen, auch hier politische Informationsangebote für Jugendliche zu machen. Die Schülerinnen und -schüler wünschen sich, mehr Dialogangebote mit politischen Entscheidern zu bekommen und gehört zu werden.
Auch Teilnehmende aus dem Publikum konnten einige Fragen an die Schülerinnen und -schüler stellen. Zum Abschluss wurden alle Anwesenden gebeten, sich in gemischten Kleingruppen über das Gehörte auszutauschen und wichtigste Erkenntnisse auf Sprechblasen zu notieren.
Der Workshop stieß auf großes Interesse unter den Teilnehmenden der Konferenz und wurde auch von den politischen Repräsentanten als Vorzeigeworkshop erwähnt.
Aus dem heutigen Workshop nehme ich mit ...
- Unterschiede in der Politik der beiden Länder
- Beteiligung der Jugend an politischen Prozessen soll gefördert/unterstützt werden
- Es fehlt ein Jugendinformationssystem
- Netter Austausch
- Schweizer Politik
- Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre ist sinnvoll, so bekommen jugendliche Stimmen mehr Gewicht, die die Auswirkungen von Entscheidungen später auch zu spüren bekommen.
- Dass Jugendliche nicht nur in Deutschland engagiert sind
- Mehr Wissen über die Politik in der Schweiz
- Bessere Vernetzung mit der Politik
- Einfachere Wege, sich als Jugendliche mit Politik zu beschäftigen
- Dialoge mit Politikern und einfache/direkte Sprache sind wichtig
- Nette Kommunikation und sachlicher Ausdruck
- Politisches Interesse sehr stark abhängig vom Elternhaus/persönlichem Umfeld
- Es braucht Offenheit auf allen Ebenen
- Cool, dass sich Jugendliche engagieren
- Die Politik muss die Jugendlichen ernst nehmen. Wie lässt sich Augenhöhe tatsächlich erreichen?
- Jugendliche haben viel zu sagen – Ihnen ernsthafter zuhören!
- Zeitlicher Aufwand ist zu hoch, auch wenn es Interesse gibt. Niederschwellige und ressourcenschonende Zugänge zur Beteiligung.
- Jugendliche bemühen sich mehr, sich zu beteiligen, als wir zunächst dachten, doch wichtig ist, dass diese Bemühungen auch gehört werden.
- Wie kann man das Engagement Jugendlicher in der gesamten Bandbreite (Beispiel unterschiedliche Schularten) fördern?
- Ein dialogischer Austausch ist sehr wichtig
- In der Schweiz gibt es schon ziemlich viele Möglichkeiten, sich auch als Jugendlicher in der Politik zu engagieren
- Parteien müssen die Sprache der "einfachen Worte" lernen, um Jugendliche und bildungsfernere Schichten anzusprechen.
- Einfache Sprache verwenden. Auch in der Verwaltungskommunikation
- Schweizer Politik
- Jugendliche müssen ernst genommen werden
- Die Stimmen der Jugendlichen werden ab und zu gehört, aber entweder unterdrückt oder vernachlässigt
- Politik ist zeitaufwändig und fordert Engagement
- Jugendliche sollen mehr einbezogen und gehört werden
- Politik soll verständlicher gemacht werden
- Es gibt nicht „die Jugend“, auch junge Erwachsene sind vielfältig
- Bürokratie ist ein großes Problem, da Hemmung für Engagement.
- Wichtigkeit der einfachen Sprache
- Wichtigkeit von Kommunikation (heute in Bezug auf die Schweiz)
- Größerer Einbezug von Schülern bei Lehrplänen ist wichtig
- Auf Augenhöhe mit den jungen Menschen kommunizieren und diskutieren
- Die Anliegen der Jugendlichen müssen ehrlich ernst genommen werden, denn es geht um die Zukunft der Jugend.
- Leute, welche sich mit der Politik befassen, sind sehr eloquent. Mir ist nie aufgefallen, dass die Alternative für Deutschland (AfD) und die Schweizerische Volkspartei (SVP) einfache Sprache benutzen, um mehr Leute (vor allem ungebildete) anzusprechen/anzulocken. Deshalb haben sie wahrscheinlich auch mehr Anhänger.
Workshop 5: „Schöner Streiten“ – Für eine bessere Streitkultur in Gesellschaft und Politik
Workshopleitung: Carmen Gramer, stellvertretende Leiterin des Amtes für Integration und Gleichstellung bei der Stadt Reutlingen; Clara Riecke, Stadtjugendring Reutlingen e.V.; Uta Sternbach, Amt für Integration und Gleichstellung bei der Stadt Reutlingen
Streit gehört zu den Grundsäulen einer funktionierenden Demokratie, darüber waren sich alle Workshopteilnehmer*innen einig. Trotzdem konnten viele ihre persönlichen Erfahrungen mit nicht zufriedenstellenden oder nicht zielführenden Streitgesprächen teilen. Im Austausch wurden verschiedene Take-Away unterstrichen, die produktivere Rahmenbedingungen für künftige Austausch- und Streitsituationen schaffen können. Diese Grundsätze sind auch fester Bestandteil der „Partnerschaft für Demokratie Reutlingen“, die von der Workshopleitung vorgestellt wurde.
Aus dem heutigen Workshop nehme ich mit ...
- Streit sollte zielgerichtet sein
- Aussprechen lassen, zuhören
- Streit braucht Räume
- Wichtig: auf Augenhöhe begegnen, jeder ist gleichwertig
- Ein Streit braucht Ziele
- Streit tut gut, weil man gehört wird und Denkanstöße für Lösungen bekommt
- Die Person ohne „feste“ Meinung als Bindeglied einbeziehen!
- Zuhören und verständlich reden
- Gute Gespräche
- Streiten üben und dabei sich selbst besser kennenlernen