Angesichts der aktuellen Diskussion um die politische Bildung und mögliche Defizite in dieser staatsbürgerlich wichtigen Debatte spricht sich Kultusministerin Susanne Eisenmann für einen praxiswirksamen und durchgehenden Ansatz aus. Neuer gesetzlicher Grundlagen bedürfe es dazu allerdings nicht.
„Schon seit einigen Jahren stellen wir bedenkliche Tendenzen in Politik und Gesellschaft fest, die viel mit demokratischem Bewusstsein und politischer Bildung zu tun haben“, macht Ministerin Dr. Susanne Eisenmann klar. „Entscheidungen demokratischer Institutionen werden immer häufiger grundsätzlich hinterfragt und haben ein zunehmendes Akzeptanzdefizit. Klar ist dabei: Demokratie ist eine komplizierte, anstrengende Staatsform. Demokratie ist immer auch ein Ringen um Kompromisse, um ‚Vizelösungen‘, wie das der Philosoph Odo Marquard genannt hat. Wer dagegen schnelle, einfache Lösungen verspricht, erhält zwar gerne öffentlichen Applaus, wird aber ganz häufig dem Gegenstand des Problems nicht ansatzweise gerecht. Hinzu kommt: Demokratie ist auf das lebhafte, streitige und überzeugte Engagement der Bürger zwingend angewiesen. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern bereits seit der griechischen Antike bekannt.“
Vor diesem Hintergrund wirbt die Kultusministerin dafür, politische Bildung und Demokratieerziehung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen, die weit über die Schulen hinausgeht. Politische Akteure aller Ebenen, aber auch Vereine und Verbände, seien Teil einer demokratischen Öffentlichkeit. Gerade in den zahlreichen Vereinen lernen die Mitglieder Toleranz, Respekt, soziale Verantwortung und übernehmen darüber hinaus Aufgaben, was dann auch für politische Funktionen qualifiziert. „Natürlich wird Demokratie dadurch unübersichtlich. Sie ist mit vielen Abwägungen und Abstimmungsprozessen verbunden. Aber nur so ist es überhaupt möglich, die zahlreichen – und im Übrigen ganz häufig auch berechtigten – Interessen zu prüfen und einzubeziehen. Und das muss insgesamt auch ein Grund sein, beispielsweise Vereinsarbeit – auch gezielt finanziell – zu fördern; und das eher mehr als weniger.“ Auch darin zeige sich: die gründliche Abwägung unterschiedlichster Interessen und die Notwendigkeit, allgemein verbindliche Entscheidungen zu treffen und diese dann auch konsequent umzusetzen, bilde ein beständiges Spannungsfeld. Dieses gelte es immer wieder neu auszutarieren.
Rechtliche Grundlagen mit Leben füllen
„Was wir jetzt ganz sicher nicht brauchen, sind neue Gesetze für die politische Bildung im Allgemeinen und die Demokratieerziehung im Besonderen. Wir sollten uns generell vor dem Reflex lösen, für alle auftretenden Fragen sofort ein neues Gesetz zu fordern. Das hilft überhaupt nicht weiter. Wir haben nun wahrlich nicht zu wenige Gesetze – wenn, dann gibt es höchstens Vollzugsdefizite bei Gesetzen, gerade auch auf Bundesebene.“
Stattdessen erinnert die Ministerin daran, dass die bestehenden Grundlagen sehr klar und deutlich formuliert seien: „Das Grundgesetz und die Länderverfassungen mit ihren umfassenden Katalogen der Menschen- und Bürgerrechte sind und bleiben die wesentliche und im Übrigen ausgezeichnete Grundlage jeder politischen Bildung. Neue Gesetze braucht es da nicht – hingegen müssen wir unsere Verfassungsordnung wieder mehr mit Leben füllen. Ich fordere alle politischen Akteure aller Ebenen auf, sich noch stärker für eine ausführliche und vertiefte Vermittlung, Erklärung und – wo nötig – Verbesserung dieser Grundlagen einzusetzen“, mahnt Eisenmann an. Dabei seien der dauerhafte Dialog, eine gründliche und wiederholte Erklärung politischer Maßnahmen und Entscheidungen wie auch mitunter langwieriger Entscheidungsprozesse von größter Bedeutung. Dies sei die Aufgabe aller, die daran mitwirken.
Leitperspektive Demokratieerziehung in Arbeit
Das Kultusministerium Baden-Württemberg arbeitet derzeit an einer weiteren Leitperspektive „Demokratieerziehung“. Sie soll die bisherigen sechs Leitperspektiven in den Bildungsplänen 2016 der allgemein bildenden Schulen ergänzen. „Wir brauchen konkrete Hinweise und Unterstützung für die Praxis an den Schulen. Politische Bildung und demokratische Erziehung gehört ganz eindeutig an die Schulen. Und daher ist es mir wichtig, dieses auch über besonders einschlägige Fächer wie Geschichte oder Gemeinschaftskunde hinaus zu stärken“, argumentiert die Ministerin.