Die Landesregierung hat auf ihrer Kabinettssitzung in Brüssel ihre Positionen zu den Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union und die Förderperiode der EU nach 2020 abgesteckt.
Die Landesregierung hat auf ihrer Kabinettssitzung in Brüssel ihre Positionen zu den Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrahmen der Europäischen Union (MFR) und die Förderperiode der EU nach 2020 abgesteckt. Im MFR werden für die sieben Jahre ab 2021 der Gesamtumfang des EU-Haushalts und zugleich die politischen Schwerpunkte für das kommende Jahrzehnt festgelegt. Der MFR ist damit zentral für die aktuelle Debatte über die Weiterentwicklung der EU.
„Wir sind uns einig, dass die EU mit den Entwicklungen der inneren und äußeren Sicherheit, der Globalisierung, der Migration und der Bekämpfung von Fluchtursachen, des Klimawandels, des Artenverlusts sowie der Digitalisierung vor großen Herausforderungen steht. Zusammen mit den finanziellen Lasten des Brexit kann die EU ihren neuen Aufgaben deshalb aus unserer Sicht nur gerecht werden, wenn zu deren Finanzierung ein ausgewogener Mix aus klugen Einsparungen und höheren Mitteln für den EU-Haushalt herangezogen werden kann“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann. „Daher war es uns wichtig, zum Mehrjährigen Finanzrahmen und der EU-Förderperiode nach 2020 frühzeitig eine baden-württembergische Positionierung zu entwickeln, um diese in die Gespräche und Verhandlungen in Brüssel einzubringen.“
Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf sagte in Brüssel: „Europa lebt von zukunftsgerichteten Vorschlägen, nicht von nachgeschobener Kritik.“
Europäischer Mehrwert als Maßstab der EU-Förderung
„Die EU steht vor großen Herausforderungen, die sie nur mit einer angemessenen finanziellen Ausstattung bewältigen kann. Das heißt aber auch: Weitere Mittel für den EU-Haushalt müssen sich daran messen lassen, ob sie einen europäischen Mehrwert bringen“, so der Europaminister. Dies gelte für alle Förderbereiche, vor allem aber für die Sicherstellung der Rechtsstaatlichkeit in der EU. „Für mich ist eine Verknüpfung von EU-Fördergeldern mit Rechtsstaatlichkeitskriterien zentral. Es muss möglich sein, Fördermittel zurückzubehalten, wenn sich Mitgliedsstaaten nicht an rechtsstaatliche Grundsätze und die Entscheidungen Europäischer Gerichte halten.“ Die künftig zur Verfügung stehenden Ressourcen müssten auch deutlich stärker auf die Umsetzung von Inhalten und weniger für kleinteilige Bürokratie eingesetzt werden. „Die Förderinstrumente müssen deutlich einfacher und flexibler werden, um auch auf unvorhergesehene Entwicklungen und Ereignisse schnell und zielgerichtet reagieren zu können“, betonte der Minister.
EU-Strukturpolitik nach 2020 fortführen
„Baden-Württemberg muss auch künftig von EU-Fördergeldern profitieren“, so Wolf. Die Landesregierung setze sich für eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der Strukturpolitik für alle Regionen der EU ein. „Nach unserer Überzeugung profitiert die EU insgesamt davon, wenn stärker entwickelte Regionen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in den Bereichen Technologieentwicklung und Innovationen weiter ausbauen und so als Lokomotiven und Antreiber für Wachstum und Ideen wirken“, so Wolf. Dabei müsse der subsidiäre Ansatz der EU-Strukturpolitik bewahrt und weiter ausgebaut werden. Ebenso solle beispielsweise jeder Euro aus Brüssel nur noch in Projekte mit einem nachhaltigen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Nutzen investiert werden.
Forschungs- und Entwicklungsprogramme ausbauen und Bildungsprogramm verbessern
„Wir setzen uns auch für eine Stärkung des neuen Forschungs- und Innovationsprogramms ein“, betonte Ministerpräsident Kretschmann. „Denn wissenschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der EU steigert die Leistungsfähigkeit unserer eigenen Wissenschaft durch gemeinsame Projekte, schafft Synergien und zieht Talente aus aller Welt an.“ Dabei solle die wissenschaftliche Exzellenz weiterhin zentral bleiben und die EU-Forschungsförderung an einem breiten Forschungsbegriff ausgerichtet werden. „Aus Sicht der Landesregierung sollen auch die Belange der kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen des künftigen Programms für Forschung und Innovation besonders berücksichtigt werden“, so Wolf. Die Landesregierung setze sich zudem für eine bessere Ausstattung und Weiterentwicklung der Mobilitätsprogramme und der transnationalen Zusammenarbeit im Rahmen von Erasmus+ in den Bereichen Schule, Hochschulbildung, Berufsbildung, Jugend und Erwachsenenbildung ein.
Der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI) ist nach Ansicht des Europaministers kein vorrangiges Instrument für Baden-Württemberg. „Er stellt für uns keine Alternative zum EU-Forschungsrahmenprogramm oder zur Kohäsionspolitik dar“, betonte Wolf. „In vielen Bereichen kann der EFSI echte Zuschüsse nicht ersetzen, sondern nur ergänzen. Zudem ist eine Forschungsförderung auf Kreditbasis mit der Wissenschaftsfreiheit nicht vereinbar.“
Klima- und Umweltschutz sowie Agrarpolitik weiter integrale Bestandteile der EU-Förderung
„Wir begrüßen, dass die EU im Bereich Klimaschutz und Biodiversität eine Vorreiterrolle übernehmen will“, so Kretschmann. Zur Bewahrung der biologischen Vielfalt sei nicht nur eine nachhaltig wirtschaftende, naturverträgliche und wettbewerbsfähige Landwirtschaft, sondern auch eine verbesserte Unterstützung von Natur- und Landschaftspflegemaßnahmen anderer Akteure erforderlich, insbesondere im Rahmen der GAP.
Digitalisierung und grenzüberschreitende Mobilität weiter fördern
„Die Digitalisierung weist auch einen europäischen Mehrwert auf, da sie die Voraussetzungen für eine Gigabit-Gesellschaft schafft, die EU-Bürgerinnen und Bürger gerade in ländlichen Gegenden an den Vorteilen der Digitalisierung teilhaben lässt, Investitionen fördert und den Arbeitsmarkt belebt“, betonte Ministerpräsident Kretschmann. Ein bedeutender Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger liege zudem in der Fertigstellung der transeuropäischen Verkehrsnetze mit einem klaren Vorrang umweltfreundlicher Verkehrsträger. „Die gesamteuropäische Perspektive des Schienenverkehrs spielt auch für Baden-Württemberg eine wichtige Rolle“, so der Europaminister. Um Lücken zu schließen, bedürfe es weiterhin ausreichender Finanzmittel.
Ausreichend Mittel müssen nach Ansicht der Landesregierung außerdem für den Europäischen Flüchtlingsfonds und den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds bereitgestellt werden. „Gleiches gilt vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrohung durch Terrorismus und organisierte Kriminalität für die Verwirklichung einer echten europäischen Sicherheitsarchitektur, die durch eine eigene Haushaltslinie im nächsten MFR unterstützt werden muss“, sagte Minister Wolf.
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Bereits am 13. November 2017 fand zum Thema ein gemeinsamer Kabinettsabend mit EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger statt.
Durch den voraussichtlichen Austritt des Vereinigten Königreichs verliert die EU ihren drittgrößten Nettozahler. Die Kommission geht bisher von einem sogenannten „Brexit-Gap“ in Höhe von zehn bis 13 Milliarden Euro pro Jahr aus.