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Menschen mit Behinderungen

Arbeitsgruppe „Wohnen und Arbeit“

:

Dieses Diskussionspapier beruht auf den Ergebnissen der ersten beiden Arbeitsgruppen-Phasen zum Thema Wohnen und Arbeit im Rahmen des Beteiligungsprozesses zur Fortschreibung des Landesaktionsplans (LAP) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Baden-Württemberg.

Die Bearbeitung und Zusammenstellung der Ergebnisse erfolgten in folgenden Schritten:

  • Zusammenfassung der Ergebnisse aus Prozessphase 1 und 2
  • Doppelungen zusammenfassen
  • Abschnitte gliedern
  • Einzelbeispiele streichen
  • Zustandsbeschreibungen in Forderungen verwandeln
  • Allgemeine Aussagen werden im Themenbereich „Übergreifende Themen“ gebündelt.
  • Wenn Themen in mehreren oder allen Arbeitsgruppen genannt werden, sollen sie in ein allgemeines Grundsatzkapitel zu Beginn aufgenommen werden.

Sie konnten die Ergebnisse bis zum 14. Januar 2023 kommentieren.

Kommentare : zur Arbeitsgruppe „Wohnen und Arbeit“

Die Kommentierungsphase ist beendet. Vielen Dank für Ihre Kommentare!

1. Kommentar von :ohne Name 44000

Budget für Arbeit ohne Ausbildung und Ausbildungsfähigkeit

Als Peer Berater von Menschen mit kognitiver Behinderung, die sich eine Festanstellung auf dem inklusiven Arbeitsmarkt wünschen, dafür aber einen zeitlich befristeten oder unbefristeten Eingliederungszuschuss für den potentiellen Arbeitgebenden benötigen, bin ich auf eine bahnbrechendes Urteil des Sozialgerichts Nürnberg von 2021 gestoßen:

Als Peer Berater von Menschen mit kognitiver Behinderung, die sich eine Festanstellung auf dem inklusiven Arbeitsmarkt wünschen, dafür aber einen zeitlich befristeten oder unbefristeten Eingliederungszuschuss für den potentiellen Arbeitgebenden benötigen, bin ich auf eine bahnbrechendes Urteil des Sozialgerichts Nürnberg von 2021 gestoßen:

https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2021-N-42592

In dem Verfahren hatte ein Mensch mit kognitiver Einschränkung erfolgreich gegen die Ablehnung des zuständigen Trägers der EGH, ihm die über erfolgreiche lange Praktika und unbezahlte Arbeitserfahrungen in einem Kindergarten angebotene Festanstellung über ein Budget für Arbeit zu ermöglichen, geklagt.
Auszüge aus der Begründung:
"Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen eines Budgets für Arbeit.
Er ist mit einem GdB von 100 schwerbehindert und kann nach der sozialmedizinischen Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit vom 28.02.2018 nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden. Zugleich ist er werkstattfähig im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, d.h. er ist gemeinschaftsfähig und nicht außerordentlich pflegebedürftig (BSG, Urteil vom 10. März 1994 - 7 RAr 22/93). Dies ergibt sich insbesondere aus der Stellungnahme seines Arbeitgebers vom 15.12.2017, wonach der Kläger als Mitarbeiter des Kindergartens voll integriert sei und dazu beigetragen habe, dass die Kindergartenkinder durch gelebte Inklusion Sozialverhalten, Toleranz und Umgang mit Menschen mit Behinderung erlernt hätten.
Der Kläger erbringt auch ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung. Zur Bejahung dieser Voraussetzung reicht es aus, wenn der behinderte Mensch irgendwie am Arbeitsauftrag mitwirken, d.h. an der Herstellung und Erbringung der Waren und Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann, ohne sich oder andere zu gefährden. Das ist schon dann der Fall, wenn er bei einem oder mehreren Arbeitsvorgängen eingesetzt werden kann, die wiederholt anfallen. Eine solche Arbeitsleistung ist ausreichend, ohne dass es auf ein wirtschaftliches Verhältnis von Personalaufwand und Arbeitsergebnis im Sinne betriebswirtschaftlicher Erwägungen ankommt. Vielmehr ist jedes Minimum an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ausreichend (vgl. zum Ganzen BSG, Urteil vom 07. Dezember 1983 - 7 RAr 73/82, juris-Rn. 23 ff). Es versteht sich unter Berücksichtigung der UN-Behindertenrechtskonvention von selbst, dass die Verneinung der Werkstattfähigkeit nur unter strengen Voraussetzungen möglich ist (so ausdrücklich Luik in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IX, 3. Aufl., § 58 SGB IX, Stand: 15.01.2018, Rn. 33). Der Kläger erbringt unzweifelhaft eine Arbeitsleistung in diesem Sinne. Er arbeitet nunmehr seit Jahren in dem Kindergarten. Sein Arbeitgeber hat ausdrücklich bestätigt, dass er eine wirtschaftlich verwertbare Arbeitsleistung erbringe und ihm deshalb auch das reguläre Beschäftigungsverhältnis angeboten habe. Der IFD beziffert die Leistungsminderung mit 85% - im Umkehrschluss ist der Kläger somit zu 15% leistungsfähig. Er hilft in der Einrichtung mit und übernimmt wertvolle Dienste, die nicht nur den betreuten Kindern, sondern auch seinen Kolleginnen und Kollegen zu Gute kommen. Die Tatsache, dass er fast die gesamte Dauer seiner Arbeitszeit auf eine Integrationshilfe angewiesen ist, steht dem nicht entgegen - wirtschaftliche Erwägungen dürfen keine Rolle spielen.
Der Bewilligung eines Budgets für Arbeit steht in diesem konkreten Einzelfall - abweichend vom Grundsatz - nicht entgegen, dass der Kläger zuvor keine berufsbildende Maßnahme durchlaufen hat. Der in § 61 Abs. 1 SGB IX i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB IX aufgestellte Grundsatz, dass vor Bewilligung eines Budgets für Arbeit zunächst eine berufliche Bildungsmaßnahme durchlaufen werden muss, soll sicherstellen, dass die betroffene Personengruppe zunächst die notwendigen Fähigkeiten für die angestrebte Tätigkeit erwirbt. Von dieser Voraussetzung kann jedoch abgewichen werden, wenn der Mensch mit Behinderungen bereits über die für die in Aussicht genommene Beschäftigung erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, die er durch eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erworben hat (§ 58 Abs. 1 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB IX). Nachdem, soweit ersichtlich, noch keine einschlägige Rechtsprechung zur genauen Auslegung dieser Ausnahmevorschrift existiert, legt das erkennende Gericht das Merkmal „Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“ weit aus. Es ist nach der Überzeugung der Kammer auf die erworbenen Fertigkeiten abzustellen, also insbesondere auf die Frage, ob der behinderte Mensch bereits über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, die er für die in Aussicht gestellte Beschäftigung benötigt. Es darf somit keine Rolle spielen, ob diese Fähigkeiten durch eine Bildungsmaßnahme, durch eine klassische sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt oder durch Praktika/ehrenamtliche Tätigkeiten erworben worden sind. Im Ergebnis kommt es auf die vorhandene „Berufserfahrung“ an und nicht auf eine formale Betrachtungsweise, um welche Art von Beschäftigung es sich rechtlich gehandelt hat bzw. ob es sich um eine entlohnte Tätigkeit gehandelt hat oder nicht. Der Gesetzgeber bezweckt mit der Ausnahmeregelung, dass die Notwendigkeit einer vorherigen beruflichen Bildung solchen Menschen mit Behinderungen nicht zuzumuten sei, die bereits erfolgreich eine berufliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeführt haben (BT Drs. 18/10523, S. 54). Der Kläger erfüllt die Ausnahmevorschrift, so dass ein Budget für Arbeit ausnahmsweise zu gewähren ist, auch wenn er nach dem Ende seiner Schulzeit noch keine reguläre Bildungsmaßnahme durchlaufen hat. Denn er hat seit 15.05.2017 durchgängig für 20 Std. pro Woche - also im selben Umfang wie jetzt im Beschäftigungsverhältnis - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein Praktikum bzw. eine ehrenamtliche Tätigkeit ausgeführt, wobei er unmittelbar an seinem späteren Arbeitsplatz eingearbeitet worden ist und ihm alle Fertigkeiten vermittelt wurden, die er für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung dort gebraucht hat. In diesem Setting findet er sich auch zurecht und er kann die ihm übertragenen Aufgaben ausführen, wenn seine Integrationshilfe ihn unterstützt. Somit verfügt er über die Fertigkeiten, die er in seinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis benötigt. Es wäre unbillig, ihm nun eine berufliche Bildungsmaßnahme „aufzuzwingen“. Das Ermessen des Beklagten hinsichtlich der Anwendung der Ausnahmevorschrift ist „auf Null“ reduziert. Damit besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Bewilligung eines Budgets für Arbeit."

Diese Möglichkeit nichtausbildungsfähige Menschen mit Behinderung in Festanstellung zu bringen, sollte im Landesaktionsplan Erwähnung finden.
Mit freundlichen Grüßen Andreas Lapp-Zens, Zentrum selbstbestimmt Leben e.V. Stuttgart

4. Kommentar von :Uwe Seid

Ziele zu ungenau .... es fehlt die Maßnahmeebene

Die Ziele im Bereich Arbeiten sind sehr umfassend. Wirklich toll. Aber falls die Ziele nicht auf eine konkrete Maßnahmeebene heruntergebrochen werden, kann die viele schöne Arbeit einfach so verpuffen. Konkrete Maßnahmen versehen mit Personen die für deren Umsetzung verantwortlich sind, könnten helfen die vielen sehr guten Ziele zum Leben zu

Die Ziele im Bereich Arbeiten sind sehr umfassend. Wirklich toll.
Aber falls die Ziele nicht auf eine konkrete Maßnahmeebene heruntergebrochen werden, kann die viele schöne Arbeit einfach so verpuffen. Konkrete Maßnahmen versehen mit Personen die für deren Umsetzung verantwortlich sind, könnten helfen die vielen sehr guten Ziele zum Leben zu erwecken. Ist denn etwas in die Richtung noch geplant?

2. Kommentar von :ohne Name 44234

Neubauten

Verpflichtung der Barrierefreiheit bei Neubauten. Neubauten müssen ohne bauliche Barrieren gebaut werden

7. Kommentar von :DarylD.

Behindertengerechte Wohnungen auch verpflichtend solchen Menschen zukommen lassen

Was ich hier im Landkreis Emmendingen schon mal sehr gut finde ist, dass Neubauten ab drei Parteien einen ebenerdigen Zugang haben müssen und außerdem min. eine Wohnung behindertengerecht ist. Leider werden diese Wohnungen nicht zwingend auch an behinderte Menschen vergeben. Dies sollte möglichst noch geregelt werden.

5. Kommentar von :Michaela Gamsjäger

Wohnen

- evt. Einführung Barrierefreiheitskonzept wie in anderen Bundesländern
- Kontrollinstanz?

8. Kommentar von :math_schu

Berufsvorbereitung für junge Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung

In der Akademie Himmelreich der Hofgut Himmelreich gGmbH in Kirchzarten gibt es seit 2007 die "Himmelreicher Berufsvorbereitung (BvB-Reha)" die junge Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung nach der Schule mit einer Vermittlungsquote von 78% in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis qualifiziert und vermittelt. Diese

In der Akademie Himmelreich der Hofgut Himmelreich gGmbH in Kirchzarten gibt es seit 2007 die "Himmelreicher Berufsvorbereitung (BvB-Reha)" die junge Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung nach der Schule mit einer Vermittlungsquote von 78% in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis qualifiziert und vermittelt.
Diese Maßnahme steht grundsätzlich für junge Menschen aus ganz Baden-Württemberg offen, aber häufig ist das flankierende "Wohnen in Gastfamilien" nicht finanziert bzw. es ist sehr kompliziert, das hinzubekommen. Das sollte geändert und vereinfacht werden, damit noch mehr junge Menschen wirklich und wirksam auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und nicht den Zwischenschritt über eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gehen müssen.
Weitere Informationen dazu gibt es hier: https://hofgut-himmelreich.de/akademie/berufliche-bildung/

9. Kommentar von :ohne Name 45299

Ausgleichs-Abgabe

Der Staat müsste die Ausgleichs-Abgabe so anheben, dass es für den Arbeit-Geber günstiger ist, einen Arbeits-Platz für einen Menschen mit Behinderung mit einem Assistenten einzurichten, als die Ausgleichs-Abgabe zu leisten.

18. Kommentar von :Rena W.

Wohnen

Die Schaffung und Förderung von barrierefreiem Wohnraum, auch für Menschen mit hohem Assistenzbedarf oder für gemeinschaftliches Wohnen muss vorangebracht werden. Das Förderprogramm "Gemeinsam unterstützt und versorgt wohnen 2022" war ein erster Schritt und muss jetzt ausgebaut werden. Menschen mit Behinderungen müssen die Möglichkeit haben,

Die Schaffung und Förderung von barrierefreiem Wohnraum, auch für Menschen mit hohem Assistenzbedarf oder für gemeinschaftliches Wohnen muss vorangebracht werden. Das Förderprogramm "Gemeinsam unterstützt und versorgt wohnen 2022" war ein erster Schritt und muss jetzt ausgebaut werden. Menschen mit Behinderungen müssen die Möglichkeit haben, selbstbestimmt wohnen zu können. D.h. es braucht
Alternativen zum stationären Wohnheim. Die Schaffung und Förderung von sog. neuen Wohnformen und der Ausbau der Unterstützungsmöglichkeiten für selbstverantwortete Wohngemeinschaften ist dringlich.

12. Kommentar von :ohne Name 46044

Schwerpunkt Arbeiten

Unklar ist, an wen sich die Forderungen richten. Deshalb kann auch nicht nachvollzogen werden, wer die "notwendige Flexibilität" aufbringen soll, damit bedürfnisgerechte Arbeitsplätze entstehen. Außerdem dürfte es ein gesellschaftliches Novum sein, dass sich die Arbeitsstellen an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und nicht umgekehrt. Zum

Unklar ist, an wen sich die Forderungen richten.
Deshalb kann auch nicht nachvollzogen werden, wer die "notwendige Flexibilität" aufbringen soll, damit bedürfnisgerechte Arbeitsplätze entstehen. Außerdem dürfte es ein gesellschaftliches Novum sein, dass sich die Arbeitsstellen an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und nicht umgekehrt. Zum Übergang von der Schule in den Beruf ist zu sagen, dass hier eine Berufswegekonferenz installiert wurde, um so die bestmögliche berufliche Orientierung zu garantieren. Ich kann nur davor warnen mit Schlagwörtern wie "leistungsgerechte Löhne" zu hantieren. Damit ist nichts gewonnen und Sie werden auch der Situation behinderter Menschen in unserer Gesellschaft nicht gerecht. Anstatt populistischer Forderungen sollten Sie besser Empfehlungen geben wie es gelingen kann, dass die Beschäftigungsquote erhöht und die Übergänge aus der Werkstatt auf den Arbeitsmarkt verbessert wird. Dem Forderungskatalog mangelt es an der Konkretisierung und er vergisst den Personenkreis in den Werkstätten, der unbedingt dieses Angebot in genau dieser Form auch braucht, einschließlich der Menschen mit schwersten Behinderungen. Schade.

14. Kommentar von :ohne Name 46185

wäre gegebenenfalls eine Initiative auf Bundesebene zu prüfen.

wäre gegebenenfalls = streichen
ist = ersetzt beide Worte

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